pse_051.001 Sie baut sich auf den Werten und Kräften der Vollsprache pse_051.002 auf, in der sich Welterfassung in ganzer Fülle und aus pse_051.003 allen menschlichen Haltungen aufbaut, die noch nicht zu pse_051.004 einem bloßen Zeichensystem für Mitteilungszwecke verarmt pse_051.005 ist. 2. Dichtung errichtet eben aus dieser Sprachstruktur eine pse_051.006 völlig in sich geschlossene, in sich ruhende Welt, in der jeder pse_051.007 Verweis oder Bezug auf eine andere Welt völlig eingeformt pse_051.008 ist ins Ganze, so daß mit keinem Wort mehr auf diese "Außenwelt" pse_051.009 hingezeigt wird, daß sie zum Erleben der Dichtung pse_051.010 völlig unnötig ist, wenn die Dichtung nur als Sprachgebilde pse_051.011 verstehbar ist. 3. Dichtung offenbart in dieser ihrer Geschlossenheit pse_051.012 und Gebildehaftigkeit und in den Kräften der Sprache pse_051.013 Tieferes, wir sehen im Kunstgebilde jeder Dichtung das pse_051.014 Wesen der Dinge erscheinen.
pse_051.015 Mit diesem letzten Punkt aber berühren wir ein Problem, pse_051.016 das einer Klärung bedarf. Nämlich die Frage, wie sich Dichtung pse_051.017 zu diesen letzten Dingen, die in ihr erscheinen, verhält: pse_051.018 zu Metaphysik, Religion und Weltanschauung.
pse_051.019 IVpse_051.020 DIE DICHTUNG UND DIE GEISTIGEN pse_051.021 ORDNUNGSLEISTUNGEN
pse_051.022 Bevor wir den Bezug der Dichtung zu den Bereichen der pse_051.023 Religion, der Metaphysik, der Sittlichkeit usw. klären können, pse_051.024 seien die Begriffe überblickt, wie wir sie hier verwenden. pse_051.025 Der Mensch ist jeden Augenblick der Wirklichkeit um ihn pse_051.026 gegenübergestellt, er muß sie in irgendeiner Weise, rein physisch pse_051.027 oder geistig, bewältigen, um bestehen zu können. Das pse_051.028 ist im wahrsten Sinn ein Fassen des uns Gegenübertretenden: pse_051.029 Welterfassung. Sie ist im Grunde und ursprünglich eine Begegnung pse_051.030 der Fülle der Außenwelt mit der Fülle unseres Inneren, pse_051.031 ein Erleben. Daraus sondern sich im Laufe der Entwicklung pse_051.032 drei Hauptformen der Bewältigung oder Erfassung
pse_051.001 Sie baut sich auf den Werten und Kräften der Vollsprache pse_051.002 auf, in der sich Welterfassung in ganzer Fülle und aus pse_051.003 allen menschlichen Haltungen aufbaut, die noch nicht zu pse_051.004 einem bloßen Zeichensystem für Mitteilungszwecke verarmt pse_051.005 ist. 2. Dichtung errichtet eben aus dieser Sprachstruktur eine pse_051.006 völlig in sich geschlossene, in sich ruhende Welt, in der jeder pse_051.007 Verweis oder Bezug auf eine andere Welt völlig eingeformt pse_051.008 ist ins Ganze, so daß mit keinem Wort mehr auf diese »Außenwelt« pse_051.009 hingezeigt wird, daß sie zum Erleben der Dichtung pse_051.010 völlig unnötig ist, wenn die Dichtung nur als Sprachgebilde pse_051.011 verstehbar ist. 3. Dichtung offenbart in dieser ihrer Geschlossenheit pse_051.012 und Gebildehaftigkeit und in den Kräften der Sprache pse_051.013 Tieferes, wir sehen im Kunstgebilde jeder Dichtung das pse_051.014 Wesen der Dinge erscheinen.
pse_051.015 Mit diesem letzten Punkt aber berühren wir ein Problem, pse_051.016 das einer Klärung bedarf. Nämlich die Frage, wie sich Dichtung pse_051.017 zu diesen letzten Dingen, die in ihr erscheinen, verhält: pse_051.018 zu Metaphysik, Religion und Weltanschauung.
pse_051.019 IVpse_051.020 DIE DICHTUNG UND DIE GEISTIGEN pse_051.021 ORDNUNGSLEISTUNGEN
pse_051.022 Bevor wir den Bezug der Dichtung zu den Bereichen der pse_051.023 Religion, der Metaphysik, der Sittlichkeit usw. klären können, pse_051.024 seien die Begriffe überblickt, wie wir sie hier verwenden. pse_051.025 Der Mensch ist jeden Augenblick der Wirklichkeit um ihn pse_051.026 gegenübergestellt, er muß sie in irgendeiner Weise, rein physisch pse_051.027 oder geistig, bewältigen, um bestehen zu können. Das pse_051.028 ist im wahrsten Sinn ein Fassen des uns Gegenübertretenden: pse_051.029 Welterfassung. Sie ist im Grunde und ursprünglich eine Begegnung pse_051.030 der Fülle der Außenwelt mit der Fülle unseres Inneren, pse_051.031 ein Erleben. Daraus sondern sich im Laufe der Entwicklung pse_051.032 drei Hauptformen der Bewältigung oder Erfassung
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Verweis oder Bezug auf eine andere Welt völlig eingeformt pse_051.008
ist ins Ganze, so daß mit keinem Wort mehr auf diese »Außenwelt« pse_051.009
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völlig unnötig ist, wenn die Dichtung nur als Sprachgebilde pse_051.011
verstehbar ist. 3. Dichtung offenbart in dieser ihrer Geschlossenheit pse_051.012
und Gebildehaftigkeit und in den Kräften der Sprache pse_051.013
Tieferes, wir sehen im Kunstgebilde jeder Dichtung das pse_051.014
Wesen der Dinge erscheinen.
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Mit diesem letzten Punkt aber berühren wir ein Problem, pse_051.016
das einer Klärung bedarf. Nämlich die Frage, wie sich Dichtung pse_051.017
zu diesen letzten Dingen, die in ihr erscheinen, verhält: pse_051.018
zu Metaphysik, Religion und Weltanschauung.
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IV pse_051.020
DIE DICHTUNG UND DIE GEISTIGEN pse_051.021
ORDNUNGSLEISTUNGEN pse_051.022
Bevor wir den Bezug der Dichtung zu den Bereichen der pse_051.023
Religion, der Metaphysik, der Sittlichkeit usw. klären können, pse_051.024
seien die Begriffe überblickt, wie wir sie hier verwenden. pse_051.025
Der Mensch ist jeden Augenblick der Wirklichkeit um ihn pse_051.026
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oder geistig, bewältigen, um bestehen zu können. Das pse_051.028
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Welterfassung. Sie ist im Grunde und ursprünglich eine Begegnung pse_051.030
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/67>, abgerufen am 26.11.2024.
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