pse_649.001 Venedig". Für eine Komödie trägt Shylock zu ernste, ja oft pse_649.002 ergreifende Züge, in seiner Entlarvung steckt mehr Erschütterung pse_649.003 als Befreiung, nur die Rettung Antonios wirkt entgegen. pse_649.004 Das Unglück Antonios mit seinen Schiffen, das furchtbare pse_649.005 Hineingeraten in die Todesbedrohtheit aus Freundestreue pse_649.006 nähern das Stück auch der Tragödie. Über allem aber pse_649.007 schwebt in unbeschwerter Heiterkeit Bassanios Liebe zu pse_649.008 Porzia, auch sie emporgewachsen aus drohenden Prüfungen. pse_649.009 Noch im letzten Augenblick wird es bedrohlich. Aber im pse_649.010 Ganzen erringt der Vorgang doch eine alle Verwirrung überwindende pse_649.011 Heiterkeit und Unbeschwertheit.
pse_649.012 Die andere Lustspielart ist die heiter schwebende. Drei pse_649.013 Meisterwerke dieser Art sind Lessings "Minna von Barnhelm", pse_649.014 Grillparzers "Weh dem, der lügt!" und Hofmannsthals "Der pse_649.015 Schwierige".
pse_649.016 In allen dreien können wir komische Züge deutlich erkennen: pse_649.017 die Szenen mit Just und dem Wirt, die mit Galomir und pse_649.018 die Gesellschaftskarikatur, die sich in Hofmannsthals Spiel pse_649.019 bemerkbar macht. Auch der Ernst dringt in allen dreien pse_649.020 stark vor: Beinahe verliert Minna ihren Tellheim, Leon droht pse_649.021 in der höchsten Not sogar Gott: "Halt mir dein heilig Wort! pse_649.022 Weh dem, der lügt!" Auch Kari scheint am Ende beinahe leer pse_649.023 auszugehen. Aber alle Spannungen und Gefahren werden pse_649.024 überwunden. Der Dichter vermag es, von hoher Warte alles pse_649.025 ins Rechte zu rücken und alles in überwindender Heiterkeit zu pse_649.026 sehen. In allen drei Stücken verdichtet sich diese errungene pse_649.027 Heiterkeit in unvergeßliche sprachliche Bilder am Ende. Nach pse_649.028 allem Wirbel und aller peinigenden Spannung bleibt am pse_649.029 Schluß der "Minna" das Dienerpaar auf der Bühne und gewinnt pse_649.030 sein schönstes Menschenglück: "Herr Wachtmeister -- pse_649.031 braucht er keine Frau Wachtmeisterin?" Bischof Gregor hat pse_649.032 seine strengen Forderungen an die Wahrheit nicht aufgegeben, pse_649.033 aber sie gelten nicht für diese irdische Welt, hier muß pse_649.034 man schon froh sein, wenn alles zum Guten gedeiht:
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Das Unkraut, merk ich, rottet man nicht aus,pse_649.036 Glück auf, wächst nur der Weizen etwa drüber.
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Kari Bühl hat endlich doch sein Glück gefunden, weil der pse_649.038 prächtige innere Kern seines Wesens alle Hülle der Ungeschicklichkeit,
pse_649.001 Venedig«. Für eine Komödie trägt Shylock zu ernste, ja oft pse_649.002 ergreifende Züge, in seiner Entlarvung steckt mehr Erschütterung pse_649.003 als Befreiung, nur die Rettung Antonios wirkt entgegen. pse_649.004 Das Unglück Antonios mit seinen Schiffen, das furchtbare pse_649.005 Hineingeraten in die Todesbedrohtheit aus Freundestreue pse_649.006 nähern das Stück auch der Tragödie. Über allem aber pse_649.007 schwebt in unbeschwerter Heiterkeit Bassanios Liebe zu pse_649.008 Porzia, auch sie emporgewachsen aus drohenden Prüfungen. pse_649.009 Noch im letzten Augenblick wird es bedrohlich. Aber im pse_649.010 Ganzen erringt der Vorgang doch eine alle Verwirrung überwindende pse_649.011 Heiterkeit und Unbeschwertheit.
pse_649.012 Die andere Lustspielart ist die heiter schwebende. Drei pse_649.013 Meisterwerke dieser Art sind Lessings »Minna von Barnhelm«, pse_649.014 Grillparzers »Weh dem, der lügt!« und Hofmannsthals »Der pse_649.015 Schwierige«.
pse_649.016 In allen dreien können wir komische Züge deutlich erkennen: pse_649.017 die Szenen mit Just und dem Wirt, die mit Galomir und pse_649.018 die Gesellschaftskarikatur, die sich in Hofmannsthals Spiel pse_649.019 bemerkbar macht. Auch der Ernst dringt in allen dreien pse_649.020 stark vor: Beinahe verliert Minna ihren Tellheim, Leon droht pse_649.021 in der höchsten Not sogar Gott: »Halt mir dein heilig Wort! pse_649.022 Weh dem, der lügt!« Auch Kari scheint am Ende beinahe leer pse_649.023 auszugehen. Aber alle Spannungen und Gefahren werden pse_649.024 überwunden. Der Dichter vermag es, von hoher Warte alles pse_649.025 ins Rechte zu rücken und alles in überwindender Heiterkeit zu pse_649.026 sehen. In allen drei Stücken verdichtet sich diese errungene pse_649.027 Heiterkeit in unvergeßliche sprachliche Bilder am Ende. Nach pse_649.028 allem Wirbel und aller peinigenden Spannung bleibt am pse_649.029 Schluß der »Minna« das Dienerpaar auf der Bühne und gewinnt pse_649.030 sein schönstes Menschenglück: »Herr Wachtmeister — pse_649.031 braucht er keine Frau Wachtmeisterin?« Bischof Gregor hat pse_649.032 seine strengen Forderungen an die Wahrheit nicht aufgegeben, pse_649.033 aber sie gelten nicht für diese irdische Welt, hier muß pse_649.034 man schon froh sein, wenn alles zum Guten gedeiht:
pse_649.035
Das Unkraut, merk ich, rottet man nicht aus,pse_649.036 Glück auf, wächst nur der Weizen etwa drüber.
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Kari Bühl hat endlich doch sein Glück gefunden, weil der pse_649.038 prächtige innere Kern seines Wesens alle Hülle der Ungeschicklichkeit,
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Hineingeraten in die Todesbedrohtheit aus Freundestreue pse_649.006
nähern das Stück auch der Tragödie. Über allem aber pse_649.007
schwebt in unbeschwerter Heiterkeit Bassanios Liebe zu pse_649.008
Porzia, auch sie emporgewachsen aus drohenden Prüfungen. pse_649.009
Noch im letzten Augenblick wird es bedrohlich. Aber im pse_649.010
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Meisterwerke dieser Art sind Lessings »Minna von Barnhelm«, pse_649.014
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in der höchsten Not sogar Gott: »Halt mir dein heilig Wort! pse_649.022
Weh dem, der lügt!« Auch Kari scheint am Ende beinahe leer pse_649.023
auszugehen. Aber alle Spannungen und Gefahren werden pse_649.024
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sein schönstes Menschenglück: »Herr Wachtmeister — pse_649.031
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seine strengen Forderungen an die Wahrheit nicht aufgegeben, pse_649.033
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 649. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/665>, abgerufen am 24.11.2024.
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