pse_648.001 trübt sich ihr Selbstverständnis, sie kennt sich über sich selbst pse_648.002 nicht mehr aus wie Amphitryon und offenbart in dieser pse_648.003 komischen Situation auch tragische Züge, weil sie innerliche pse_648.004 Größe hat; eine edle hohe Gestalt wie Alkmene gerät in Lagen, pse_648.005 wo die Umwelt sie in komischem Lichte sehen muß. Diese pse_648.006 Bauformen könnten auch an anderen Tragikomödien gezeigt pse_648.007 werden (Molieres "George Dandin" und "Misanthrope", pse_648.008 Rostands "Cyrano"). Erschütterung und Entlarvung schließen pse_648.009 sich in solchen Tragikomödien zu einer Einheit zusammen, pse_648.010 und so entsteht eine dichterische Weltauffassung von besonderer pse_648.011 Eigenart.
pse_648.012 Das Wesen des Lustspiels ist aus der Haltung des Humors zu pse_648.013 verstehen. Selbstverständlich werden sich auch im Lustspiel pse_648.014 oft komische Züge finden, wie auch die ernsten und tragischen pse_648.015 nicht immer fehlen müssen. Aber das Entscheidende ist doch, pse_648.016 daß da eine Welt vor uns ersteht, die aus einer gehobenen pse_648.017 Weite des Blicks und aus einer daraus erfließenden Heiterkeit pse_648.018 gesehen wird. Die Klippe für das Lustspiel ist die Tatsache, pse_648.019 daß gerade solche weltüberblickende Heiterkeit leicht die pse_648.020 Urgespaltenheit der Welt zu überwinden vermag, daß von pse_648.021 der hohen Warte aus die Kämpfe und Spannungen der irdischen pse_648.022 Welt ihr Bedrängendes verlieren, daß wir sie als klein pse_648.023 und schon beinahe liebenswürdig, zumindest als verzeihlich pse_648.024 belächeln. So schreitet das Lustspiel auf scharfem Grat zwischen pse_648.025 der Komödie oder der epischen Sicht. Wohl deshalb pse_648.026 gibt es so wenige große Lustspiele bei der großen Zahl pse_648.027 meisterhafter Komödien. Denn der Dichter eines Lustspiels pse_648.028 muß das Dramatische mit dem Humor und dem Heiteren pse_648.029 verbinden. Man möchte sagen: nur in ganz begnadeten pse_648.030 Augenblicken kann das gelingen.
pse_648.031 Deutlich lassen sich stimmungsmäßig zwei Arten von Lustspielen pse_648.032 unterscheiden: das eine ist das derb-vitale. Es ist ein pse_648.033 Spiel aus überschäumender Lebensfreude, die noch vor tragischen pse_648.034 Lebenserfahrungen liegen mag, aber auch nach solchen pse_648.035 wieder errungen sein kann. Solche zweite Möglichkeit ist pse_648.036 gewichtiger, tiefer, welterhellender. Shakespeares Lustspiele pse_648.037 sind Meisterwerke dieser Art. Daß sie vielfach durch das pse_648.038 Tragische durchgegangen sind, zeigt der "Kaufmann von
pse_648.001 trübt sich ihr Selbstverständnis, sie kennt sich über sich selbst pse_648.002 nicht mehr aus wie Amphitryon und offenbart in dieser pse_648.003 komischen Situation auch tragische Züge, weil sie innerliche pse_648.004 Größe hat; eine edle hohe Gestalt wie Alkmene gerät in Lagen, pse_648.005 wo die Umwelt sie in komischem Lichte sehen muß. Diese pse_648.006 Bauformen könnten auch an anderen Tragikomödien gezeigt pse_648.007 werden (Molières »George Dandin« und »Misanthrope«, pse_648.008 Rostands »Cyrano«). Erschütterung und Entlarvung schließen pse_648.009 sich in solchen Tragikomödien zu einer Einheit zusammen, pse_648.010 und so entsteht eine dichterische Weltauffassung von besonderer pse_648.011 Eigenart.
pse_648.012 Das Wesen des Lustspiels ist aus der Haltung des Humors zu pse_648.013 verstehen. Selbstverständlich werden sich auch im Lustspiel pse_648.014 oft komische Züge finden, wie auch die ernsten und tragischen pse_648.015 nicht immer fehlen müssen. Aber das Entscheidende ist doch, pse_648.016 daß da eine Welt vor uns ersteht, die aus einer gehobenen pse_648.017 Weite des Blicks und aus einer daraus erfließenden Heiterkeit pse_648.018 gesehen wird. Die Klippe für das Lustspiel ist die Tatsache, pse_648.019 daß gerade solche weltüberblickende Heiterkeit leicht die pse_648.020 Urgespaltenheit der Welt zu überwinden vermag, daß von pse_648.021 der hohen Warte aus die Kämpfe und Spannungen der irdischen pse_648.022 Welt ihr Bedrängendes verlieren, daß wir sie als klein pse_648.023 und schon beinahe liebenswürdig, zumindest als verzeihlich pse_648.024 belächeln. So schreitet das Lustspiel auf scharfem Grat zwischen pse_648.025 der Komödie oder der epischen Sicht. Wohl deshalb pse_648.026 gibt es so wenige große Lustspiele bei der großen Zahl pse_648.027 meisterhafter Komödien. Denn der Dichter eines Lustspiels pse_648.028 muß das Dramatische mit dem Humor und dem Heiteren pse_648.029 verbinden. Man möchte sagen: nur in ganz begnadeten pse_648.030 Augenblicken kann das gelingen.
pse_648.031 Deutlich lassen sich stimmungsmäßig zwei Arten von Lustspielen pse_648.032 unterscheiden: das eine ist das derb-vitale. Es ist ein pse_648.033 Spiel aus überschäumender Lebensfreude, die noch vor tragischen pse_648.034 Lebenserfahrungen liegen mag, aber auch nach solchen pse_648.035 wieder errungen sein kann. Solche zweite Möglichkeit ist pse_648.036 gewichtiger, tiefer, welterhellender. Shakespeares Lustspiele pse_648.037 sind Meisterwerke dieser Art. Daß sie vielfach durch das pse_648.038 Tragische durchgegangen sind, zeigt der »Kaufmann von
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komischen Situation auch tragische Züge, weil sie innerliche pse_648.004
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Rostands »Cyrano«). Erschütterung und Entlarvung schließen pse_648.009
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 648. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/664>, abgerufen am 24.11.2024.
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