pse_674.001 Gruppen, Gesellschaften und Parteien der verschiedensten pse_674.002 Art setzen die Dichtung mannigfaltig für ihre Feiern ein. Repräsentativer pse_674.003 sind dann schon die Feiern des Staates im pse_674.004 weiteren Sinn: Nationale Gedenktage, Sieges- und Totenfeiern pse_674.005 usw. Immer wieder ist es dabei möglich, daß solche pse_674.006 Feiern, die ja selbst schon durchaus in den Bereich der Kunstgestaltung pse_674.007 aufsteigen können, Dichtungen den fördernden pse_674.008 Stimmungsuntergrund geben, auf dem sie erst voll wirken. pse_674.009 Das ist sicher gerade auch für Schillers "Tell" der Fall. Auch pse_674.010 die Feiern der Kirchengemeinschaften bedienen sich mannigfaltig pse_674.011 der Dichtung. Kirchliches Leben ist zu einem sehr wesentlichen pse_674.012 Teil Feiergestaltung: Herausheben des Menschen pse_674.013 aus dem Alltag zur Besinnung und Anregung. So im Ablauf pse_674.014 des Jahres, aber auch in der sich wiederholenden Liturgie des pse_674.015 Gottesdienstes. Er hat geradezu auch zu dichterischen Kunstwerken pse_674.016 angeregt. Man denke an die reiche kirchliche Hymnendichtung pse_674.017 des Mittelalters, an das Kirchenlied, aber auch pse_674.018 die ersten Formen des kirchlichen Spieles waren feiernde Erweiterungen pse_674.019 des Gottesdienstes. Besonders eigenartig ist die pse_674.020 Entwicklung der Sequenzendichtung im frühen Mittelalter. pse_674.021 Denn die Sequenz ist aus der Alleluja-Melodie der Liturgie pse_674.022 entstanden: der langen Modulation des letzten a wurde ein pse_674.023 Text geistlichen Gehalts unterlegt; aus dieser Gepflogenheit pse_674.024 entwickelte sich zuerst die sogenannte Sequenzendichtung, pse_674.025 endlich daraus das, was man heute Hymnik nennen würde. pse_674.026 Also: Feiergestaltung als Anregung für die Ausbildung neuer pse_674.027 Dichtformen. Daß solche Anregungen immer wieder möglich pse_674.028 sind, sieht man auch an Gedichten unserer Großen: die pse_674.029 feierlichen Prologe, manches kleine Festspiel, aber etwa auch pse_674.030 Goethes "Epilog zu Schillers Glocke" entspringen Anregungen pse_674.031 der Feiergestaltung.
pse_674.032 So erscheint uns also die "Verwendung" der Dichtung in pse_674.033 der Feier nicht als eine Entwürdigung, ein Mißbrauch -- pse_674.034 das kann wohl mitunter fließen -- sondern einerseits als eine pse_674.035 Möglichkeit, der Dichtung einen würdevollen Rahmen zu pse_674.036 schaffen, andererseits als Antrieb für neue Dichtungen, vielfach pse_674.037 Gelegenheitsdichtungen, aber im besten Sinn des Wortes. pse_674.038 Auch so ist also Dichtung mannigfach ins Leben verflochten.
pse_674.001 Gruppen, Gesellschaften und Parteien der verschiedensten pse_674.002 Art setzen die Dichtung mannigfaltig für ihre Feiern ein. Repräsentativer pse_674.003 sind dann schon die Feiern des Staates im pse_674.004 weiteren Sinn: Nationale Gedenktage, Sieges- und Totenfeiern pse_674.005 usw. Immer wieder ist es dabei möglich, daß solche pse_674.006 Feiern, die ja selbst schon durchaus in den Bereich der Kunstgestaltung pse_674.007 aufsteigen können, Dichtungen den fördernden pse_674.008 Stimmungsuntergrund geben, auf dem sie erst voll wirken. pse_674.009 Das ist sicher gerade auch für Schillers »Tell« der Fall. Auch pse_674.010 die Feiern der Kirchengemeinschaften bedienen sich mannigfaltig pse_674.011 der Dichtung. Kirchliches Leben ist zu einem sehr wesentlichen pse_674.012 Teil Feiergestaltung: Herausheben des Menschen pse_674.013 aus dem Alltag zur Besinnung und Anregung. So im Ablauf pse_674.014 des Jahres, aber auch in der sich wiederholenden Liturgie des pse_674.015 Gottesdienstes. Er hat geradezu auch zu dichterischen Kunstwerken pse_674.016 angeregt. Man denke an die reiche kirchliche Hymnendichtung pse_674.017 des Mittelalters, an das Kirchenlied, aber auch pse_674.018 die ersten Formen des kirchlichen Spieles waren feiernde Erweiterungen pse_674.019 des Gottesdienstes. Besonders eigenartig ist die pse_674.020 Entwicklung der Sequenzendichtung im frühen Mittelalter. pse_674.021 Denn die Sequenz ist aus der Alleluja-Melodie der Liturgie pse_674.022 entstanden: der langen Modulation des letzten a wurde ein pse_674.023 Text geistlichen Gehalts unterlegt; aus dieser Gepflogenheit pse_674.024 entwickelte sich zuerst die sogenannte Sequenzendichtung, pse_674.025 endlich daraus das, was man heute Hymnik nennen würde. pse_674.026 Also: Feiergestaltung als Anregung für die Ausbildung neuer pse_674.027 Dichtformen. Daß solche Anregungen immer wieder möglich pse_674.028 sind, sieht man auch an Gedichten unserer Großen: die pse_674.029 feierlichen Prologe, manches kleine Festspiel, aber etwa auch pse_674.030 Goethes »Epilog zu Schillers Glocke« entspringen Anregungen pse_674.031 der Feiergestaltung.
pse_674.032 So erscheint uns also die »Verwendung« der Dichtung in pse_674.033 der Feier nicht als eine Entwürdigung, ein Mißbrauch — pse_674.034 das kann wohl mitunter fließen — sondern einerseits als eine pse_674.035 Möglichkeit, der Dichtung einen würdevollen Rahmen zu pse_674.036 schaffen, andererseits als Antrieb für neue Dichtungen, vielfach pse_674.037 Gelegenheitsdichtungen, aber im besten Sinn des Wortes. pse_674.038 Auch so ist also Dichtung mannigfach ins Leben verflochten.
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aufsteigen können, Dichtungen den fördernden pse_674.008
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Das ist sicher gerade auch für Schillers »Tell« der Fall. Auch pse_674.010
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Entwicklung der Sequenzendichtung im frühen Mittelalter. pse_674.021
Denn die Sequenz ist aus der Alleluja-Melodie der Liturgie pse_674.022
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Gelegenheitsdichtungen, aber im besten Sinn des Wortes. pse_674.038
Auch so ist also Dichtung mannigfach ins Leben verflochten.
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 674. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/690>, abgerufen am 24.11.2024.
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