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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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in der etwas vor sich geht, in der Menschen handeln und pse_069.002
leiden. Mit anderen Worten: die dichterische Welt besteht pse_069.003
hier in Vorgängen und Handlungen von Menschen. Wir pse_069.004
sind bei der alten Unterscheidung von Lyrik einerseits und pse_069.005
Epik und Dramatik andererseits, indem diese Handlung darstellen. pse_069.006
Die Überlegung hat uns zweierlei gezeigt: 1. Daß pse_069.007
es sich in jeder Dichtung um eine geschlossene, nur in der pse_069.008
Dichtung bestehende Wirklichkeit handelt. 2. Daß es aber pse_069.009
Unterschiede gibt im Bezug zur außerdichterischen Welt, vor pse_069.010
allem Unterschiede im Grad, mit dem Menschliches beinahe pse_069.011
in Persönliches übergeht. Es sind unmerkliche Übergänge.

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Aber es gibt noch einen weiteren wichtigen Zusammenhang. pse_069.013
Wir Menschen erfassen die uns entgegentretende Welt pse_069.014
nicht als ungegliedertes Strömen, sondern unsere Art der Erfassung pse_069.015
erfolgt nach bestimmten Gesetzlichkeiten: wir stellen pse_069.016
im Erfassen Ordnungen, Gliederungen der erfaßten Wirklichkeit pse_069.017
her. Wir erleben den Erfahrungsstrom als in der Zeit pse_069.018
verlaufend. Wir können uns Vorgänge und Handlungen gar pse_069.019
nicht anders als zeitlich denken. Dabei gibt es verschiedene pse_069.020
Spielarten, wie dieses zeitliche Verlaufen erlebt werden kann. pse_069.021
Wir fügen weiter diesen Erfahrungsstrom, den wir erfassen, pse_069.022
in einen Raum ein und gliedern ihn in bezug auf Raum. Wir pse_069.023
stellen endlich andere Zusammenhänge her, etwa ursächliche: pse_069.024
wir ordnen im Erfassen solchen Erfahrungsstrom nach Ursachen pse_069.025
und Wirkungen. Und nun das Entscheidende: Unser pse_069.026
menschliches Erfassen von irgendwelcher Wirklichkeit ist pse_069.027
unbedingt auf diese Gesetzlichkeiten der zeitlichen, räumlichen, pse_069.028
ursächlichen usw. Erfassung angewiesen. Diese Gesetzlichkeit pse_069.029
menschlichen Erfassens, die ja Kant zu einer pse_069.030
großen Erkenntnislehre ausgebaut hat, gilt also für jede pse_069.031
Wirklichkeit, die wir erfassen, auch für die dichterische. Sie pse_069.032
gilt aber auch für das Gestalten solcher dichterischen Wirklichkeit, pse_069.033
das ja in irgendeiner Weise immer Erfassen voraussetzt. pse_069.034
Nur so ist es möglich, daß dichterische Wirklichkeit pse_069.035
auf uns wirkt. Auch sie ist ein nach bestimmten Kategorien pse_069.036
der Zeit, des Raumes, der Ursächlichkeit usw. gebautes Gefüge. pse_069.037
Hier stehen wir nun ganz unmittelbar vor einem sehr pse_069.038
engen Zusammenhang zwischen außerdichterischer und

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in der etwas vor sich geht, in der Menschen handeln und pse_069.002
leiden. Mit anderen Worten: die dichterische Welt besteht pse_069.003
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Epik und Dramatik andererseits, indem diese Handlung darstellen. pse_069.006
Die Überlegung hat uns zweierlei gezeigt: 1. Daß pse_069.007
es sich in jeder Dichtung um eine geschlossene, nur in der pse_069.008
Dichtung bestehende Wirklichkeit handelt. 2. Daß es aber pse_069.009
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allem Unterschiede im Grad, mit dem Menschliches beinahe pse_069.011
in Persönliches übergeht. Es sind unmerkliche Übergänge.

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Aber es gibt noch einen weiteren wichtigen Zusammenhang. pse_069.013
Wir Menschen erfassen die uns entgegentretende Welt pse_069.014
nicht als ungegliedertes Strömen, sondern unsere Art der Erfassung pse_069.015
erfolgt nach bestimmten Gesetzlichkeiten: wir stellen pse_069.016
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verlaufend. Wir können uns Vorgänge und Handlungen gar pse_069.019
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Spielarten, wie dieses zeitliche Verlaufen erlebt werden kann. pse_069.021
Wir fügen weiter diesen Erfahrungsstrom, den wir erfassen, pse_069.022
in einen Raum ein und gliedern ihn in bezug auf Raum. Wir pse_069.023
stellen endlich andere Zusammenhänge her, etwa ursächliche: pse_069.024
wir ordnen im Erfassen solchen Erfahrungsstrom nach Ursachen pse_069.025
und Wirkungen. Und nun das Entscheidende: Unser pse_069.026
menschliches Erfassen von irgendwelcher Wirklichkeit ist pse_069.027
unbedingt auf diese Gesetzlichkeiten der zeitlichen, räumlichen, pse_069.028
ursächlichen usw. Erfassung angewiesen. Diese Gesetzlichkeit pse_069.029
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großen Erkenntnislehre ausgebaut hat, gilt also für jede pse_069.031
Wirklichkeit, die wir erfassen, auch für die dichterische. Sie pse_069.032
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das ja in irgendeiner Weise immer Erfassen voraussetzt. pse_069.034
Nur so ist es möglich, daß dichterische Wirklichkeit pse_069.035
auf uns wirkt. Auch sie ist ein nach bestimmten Kategorien pse_069.036
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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/85>, abgerufen am 24.11.2024.