pse_082.001 dieser großen Schau, auch das ein Zeichen, daß Dichtung pse_082.002 immer nur in geschichtlicher Wirklichkeit Ereignis wird.
pse_082.003 Das wirkt sich auch insofern aus, als ja jeder Dichter in pse_082.004 einer bestimmt geschichteten und gearteten Gemeinschaft pse_082.005 leben muß, er ist stark gesellschaftlich bedingt. Da er in der pse_082.006 Dichtung verwesentlicht, die Gesellschaft aber geschichtliche pse_082.007 Realität ist, steht er als Schöpfer immer auch der Gesellschaft pse_082.008 gegenüber. Er steht immer kritisch zu ihr, will an ihr pse_082.009 heilen, bessern, tadeln, spotten. Besonders in der heutigen pse_082.010 Zeit, die eine so ungeheure Verästelung der menschlichen pse_082.011 Gruppen zeigt, gerät er oft in schwere Lagen, wenn er sich die pse_082.012 Freiheit des Menschen als Schaffender wahren will. Aber pse_082.013 schon Goethe hat im "Tasso" die Tragik der Gegensätzlichkeit pse_082.014 zwischen der Gesellschaft und dem Genie gestaltet, das pse_082.015 zugleich immer in einer Gemeinschaft steht. So überkommen pse_082.016 auch ihn alle menschlichen Schicksale, vor allem in der engsten pse_082.017 Form der Gemeinschaft, und doch der innigsten, der pse_082.018 Liebe. Fügt er sich ein, kann es Glück, aber auch Beugen und pse_082.019 Einschlafen bedeuten. Widersetzt er sich, so sind Armut, pse_082.020 Leiden und Schuld sein Schicksal. Und all das formt auch mit pse_082.021 an den Kunstwerken, die er als solch erdgebundener Mensch pse_082.022 schafft.
pse_082.023 Das dichterische Schaffen
pse_082.024 Die Psychologie des dichterischen Schaffens ist nicht unsere pse_082.025 Aufgabe, sie dient auch nicht vor allem dem Verstehen des pse_082.026 dichterischen Kunstwerks. Das Werk in seiner vollendeten pse_082.027 Prägung ist unser Hauptgegenstand. Aber in der geschlossenen pse_082.028 Gestalt der Dichtung bleiben vielfach Spuren des Weges pse_082.029 zu ihr zurück. Auch hier ergeben sich viele Fragen. Nur die pse_082.030 für uns wichtigsten seien kurz gestreift.
pse_082.031 Der allgemeine Weg zu einer Dichtung kann durchaus verschieden pse_082.032 sein. Das eine Mal führen immer neue Stöße in immer pse_082.033 neue Richtungen aus jedesmal anderen Situationen zum vollendeten pse_082.034 Werk, wobei nur der weiteste Rahmen oder eine pse_082.035 ungefähr umschriebene Gestalt die Einheit für alle diese pse_082.036 Schaffensstöße bildet; so sehen wir heute das Werden von pse_082.037 Goethes "Faust". Ein anderes Mal erleben wir die intensive, in
pse_082.001 dieser großen Schau, auch das ein Zeichen, daß Dichtung pse_082.002 immer nur in geschichtlicher Wirklichkeit Ereignis wird.
pse_082.003 Das wirkt sich auch insofern aus, als ja jeder Dichter in pse_082.004 einer bestimmt geschichteten und gearteten Gemeinschaft pse_082.005 leben muß, er ist stark gesellschaftlich bedingt. Da er in der pse_082.006 Dichtung verwesentlicht, die Gesellschaft aber geschichtliche pse_082.007 Realität ist, steht er als Schöpfer immer auch der Gesellschaft pse_082.008 gegenüber. Er steht immer kritisch zu ihr, will an ihr pse_082.009 heilen, bessern, tadeln, spotten. Besonders in der heutigen pse_082.010 Zeit, die eine so ungeheure Verästelung der menschlichen pse_082.011 Gruppen zeigt, gerät er oft in schwere Lagen, wenn er sich die pse_082.012 Freiheit des Menschen als Schaffender wahren will. Aber pse_082.013 schon Goethe hat im »Tasso« die Tragik der Gegensätzlichkeit pse_082.014 zwischen der Gesellschaft und dem Genie gestaltet, das pse_082.015 zugleich immer in einer Gemeinschaft steht. So überkommen pse_082.016 auch ihn alle menschlichen Schicksale, vor allem in der engsten pse_082.017 Form der Gemeinschaft, und doch der innigsten, der pse_082.018 Liebe. Fügt er sich ein, kann es Glück, aber auch Beugen und pse_082.019 Einschlafen bedeuten. Widersetzt er sich, so sind Armut, pse_082.020 Leiden und Schuld sein Schicksal. Und all das formt auch mit pse_082.021 an den Kunstwerken, die er als solch erdgebundener Mensch pse_082.022 schafft.
pse_082.023 Das dichterische Schaffen
pse_082.024 Die Psychologie des dichterischen Schaffens ist nicht unsere pse_082.025 Aufgabe, sie dient auch nicht vor allem dem Verstehen des pse_082.026 dichterischen Kunstwerks. Das Werk in seiner vollendeten pse_082.027 Prägung ist unser Hauptgegenstand. Aber in der geschlossenen pse_082.028 Gestalt der Dichtung bleiben vielfach Spuren des Weges pse_082.029 zu ihr zurück. Auch hier ergeben sich viele Fragen. Nur die pse_082.030 für uns wichtigsten seien kurz gestreift.
pse_082.031 Der allgemeine Weg zu einer Dichtung kann durchaus verschieden pse_082.032 sein. Das eine Mal führen immer neue Stöße in immer pse_082.033 neue Richtungen aus jedesmal anderen Situationen zum vollendeten pse_082.034 Werk, wobei nur der weiteste Rahmen oder eine pse_082.035 ungefähr umschriebene Gestalt die Einheit für alle diese pse_082.036 Schaffensstöße bildet; so sehen wir heute das Werden von pse_082.037 Goethes »Faust«. Ein anderes Mal erleben wir die intensive, in
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heilen, bessern, tadeln, spotten. Besonders in der heutigen pse_082.010
Zeit, die eine so ungeheure Verästelung der menschlichen pse_082.011
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Freiheit des Menschen als Schaffender wahren will. Aber pse_082.013
schon Goethe hat im »Tasso« die Tragik der Gegensätzlichkeit pse_082.014
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Einschlafen bedeuten. Widersetzt er sich, so sind Armut, pse_082.020
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Das dichterische Schaffen pse_082.024
Die Psychologie des dichterischen Schaffens ist nicht unsere pse_082.025
Aufgabe, sie dient auch nicht vor allem dem Verstehen des pse_082.026
dichterischen Kunstwerks. Das Werk in seiner vollendeten pse_082.027
Prägung ist unser Hauptgegenstand. Aber in der geschlossenen pse_082.028
Gestalt der Dichtung bleiben vielfach Spuren des Weges pse_082.029
zu ihr zurück. Auch hier ergeben sich viele Fragen. Nur die pse_082.030
für uns wichtigsten seien kurz gestreift.
pse_082.031
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sein. Das eine Mal führen immer neue Stöße in immer pse_082.033
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Goethes »Faust«. Ein anderes Mal erleben wir die intensive, in
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/98>, abgerufen am 22.11.2024.
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