ein Thermometer von 26° R. im Schatten -- und wer eine ge- nug lebendige Phantasie hat, denke sich endlich unter solchen Umständen die Mühen des operirenden Professors, oder die zehnfache Qual der Operirten. Auch hier, wie bei der Camin- wand, war kürzlich jedem Optimisten reiche Gelegenheit zu einem eindringlichen Argumentum ad hominem geboten. Es lag wirklich ein bedauernswürdiges Geschöpf auf dem Quer- bette; Lehrer, Assistent und ein dichter Knäuel von Hebam- men und Studirenden umstanden dasselbe; bis in das dritte Zimmer hinein war Kopf an Kopf dicht gedrängt, und doch eigentlich nur um schreien zu hören, da vom Sehen keine Rede war, eine Hitze, die eher geeignet ist, Jemanden aus der Welt, als in dieselbe zu locken; dem Professor perlte der Schweiss von der Stirne, als die Wendung vollendet war, und eben im Begriffe, das erste Zangenblatt einzuführen, kommt er einer förmlichen Ohnmacht so nahe, dass er genöthigt ist, das sei- ner Hand entsinkende Instrument dem Assistenten zu überge- ben und sich schleunigst aus der irrespirabeln Luft der Kli- nik zu flüchten. Es ist wirklich zum Verwundern und spricht auf alle Fälle rühmend für die rationelle und sorgfältige Be- handlung der Wöchnerinnen, dass puerperale Erkrankungen in den letzten Jahren trotz alledem und alledem eher ab- als zu- genommen haben. Wo wollte man aber auch mit den Kran- ken hin, wenn dem nicht so wäre, denn da ausser den drei Kreissebetten im Ganzen nur noch 23 Betten vorhanden sind, nämlich im einfenstrigen drei, im zweifenstrigen mit dem künstlichen Tropenklima acht und im Eckzimmer zwölf. Wer sich etwa wieder einfallen liesse, nicht zu glauben, dass der Verlauf des Wochenbettes in Afrika ein günstigerer ist, den können wir auf gelindere Weise, nämlich mit einem einfachen Rechenexempel, davon überzeugen. Es werden nämlich im Zeitraume eines Schuljahres an 600 Geburten beobachtet, was nur dadurch möglich wird, dass die Wöchnerin mit dem Kinde am neunten Tage die Anstalt in der Regel verlässt; herrschte der Puerperalprocess hier in ähnlicher Art wie im Wiener
ein Thermometer von 26° R. im Schatten — und wer eine ge- nug lebendige Phantasie hat, denke sich endlich unter solchen Umständen die Mühen des operirenden Professors, oder die zehnfache Qual der Operirten. Auch hier, wie bei der Camin- wand, war kürzlich jedem Optimisten reiche Gelegenheit zu einem eindringlichen Argumentum ad hominem geboten. Es lag wirklich ein bedauernswürdiges Geschöpf auf dem Quer- bette; Lehrer, Assistent und ein dichter Knäuel von Hebam- men und Studirenden umstanden dasselbe; bis in das dritte Zimmer hinein war Kopf an Kopf dicht gedrängt, und doch eigentlich nur um schreien zu hören, da vom Sehen keine Rede war, eine Hitze, die eher geeignet ist, Jemanden aus der Welt, als in dieselbe zu locken; dem Professor perlte der Schweiss von der Stirne, als die Wendung vollendet war, und eben im Begriffe, das erste Zangenblatt einzuführen, kommt er einer förmlichen Ohnmacht so nahe, dass er genöthigt ist, das sei- ner Hand entsinkende Instrument dem Assistenten zu überge- ben und sich schleunigst aus der irrespirabeln Luft der Kli- nik zu flüchten. Es ist wirklich zum Verwundern und spricht auf alle Fälle rühmend für die rationelle und sorgfältige Be- handlung der Wöchnerinnen, dass puerperale Erkrankungen in den letzten Jahren trotz alledem und alledem eher ab- als zu- genommen haben. Wo wollte man aber auch mit den Kran- ken hin, wenn dem nicht so wäre, denn da ausser den drei Kreissebetten im Ganzen nur noch 23 Betten vorhanden sind, nämlich im einfenstrigen drei, im zweifenstrigen mit dem künstlichen Tropenklima acht und im Eckzimmer zwölf. Wer sich etwa wieder einfallen liesse, nicht zu glauben, dass der Verlauf des Wochenbettes in Afrika ein günstigerer ist, den können wir auf gelindere Weise, nämlich mit einem einfachen Rechenexempel, davon überzeugen. Es werden nämlich im Zeitraume eines Schuljahres an 600 Geburten beobachtet, was nur dadurch möglich wird, dass die Wöchnerin mit dem Kinde am neunten Tage die Anstalt in der Regel verlässt; herrschte der Puerperalprocess hier in ähnlicher Art wie im Wiener
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ein Thermometer von 26° R. im Schatten — und wer eine ge-
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Umständen die Mühen des operirenden Professors, oder die
zehnfache Qual der Operirten. Auch hier, wie bei der Camin-
wand, war kürzlich jedem Optimisten reiche Gelegenheit zu
einem eindringlichen Argumentum ad hominem geboten. Es
lag wirklich ein bedauernswürdiges Geschöpf auf dem Quer-
bette; Lehrer, Assistent und ein dichter Knäuel von Hebam-
men und Studirenden umstanden dasselbe; bis in das dritte
Zimmer hinein war Kopf an Kopf dicht gedrängt, und doch
eigentlich nur um schreien zu hören, da vom Sehen keine Rede
war, eine Hitze, die eher geeignet ist, Jemanden aus der Welt,
als in dieselbe zu locken; dem Professor perlte der Schweiss
von der Stirne, als die Wendung vollendet war, und eben im
Begriffe, das erste Zangenblatt einzuführen, kommt er einer
förmlichen Ohnmacht so nahe, dass er genöthigt ist, das sei-
ner Hand entsinkende Instrument dem Assistenten zu überge-
ben und sich schleunigst aus der irrespirabeln Luft der Kli-
nik zu flüchten. Es ist wirklich zum Verwundern und spricht
auf alle Fälle rühmend für die rationelle und sorgfältige Be-
handlung der Wöchnerinnen, dass puerperale Erkrankungen in
den letzten Jahren trotz alledem und alledem eher ab- als zu-
genommen haben. Wo wollte man aber auch mit den Kran-
ken hin, wenn dem nicht so wäre, denn da ausser den drei
Kreissebetten im Ganzen nur noch 23 Betten vorhanden sind,
nämlich im einfenstrigen drei, im zweifenstrigen mit dem
künstlichen Tropenklima acht und im Eckzimmer zwölf. Wer
sich etwa wieder einfallen liesse, nicht zu glauben, dass der
Verlauf des Wochenbettes in Afrika ein günstigerer ist, den
können wir auf gelindere Weise, nämlich mit einem einfachen
Rechenexempel, davon überzeugen. Es werden nämlich im
Zeitraume eines Schuljahres an 600 Geburten beobachtet, was
nur dadurch möglich wird, dass die Wöchnerin mit dem Kinde
am neunten Tage die Anstalt in der Regel verlässt; herrschte
der Puerperalprocess hier in ähnlicher Art wie im Wiener
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/104>, abgerufen am 24.11.2024.
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