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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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unter Pyaemie verstehe. Ich verstehe unter Pyaemie das durch
den zersetzten thierisch-organischen Stoff entmischte Blut.

Eine Varietät der Pyaemie nenne ich das Kindbettfieber
deshalb, weil bei der Pyaemie der Schwangern, Kreissenden
und Wöchnerinnen Formen in der Genitalsphäre vorkommen,
welche bei Nichtschwangeren, Nichtkreissenden, Nichtwöch-
nerinnen nicht vorkommen; der Anatom, der Chirurg, wel-
cher an Pyaemie stirbt, kann keine Endometritis bekom-
men etc. etc.

Das Kindbettfieber ist keine contagiöse Krankheit. Un-
ter einer contagiösen Krankheit versteht man diejenige, die
das Contagium, durch welches es fortgepflanzt wird, selbst er-
zeugt, und dieses Contagium bringt in einem anderen Indivi-
duum nur wieder dieselbe Krankheit hervor. Blattern sind
eine contagiöse Krankheit, weil Blattern das Contagium er-
zeugen, durch welches in einem anderen Individuum wieder
Blattern erzeugt werden. Blattern bringen bei einem anderen
Individuum nur wieder Blattern und keine andere Krankheit
hervor. Scharlach kann man z. B. von einem Blatternkranken
nicht bekommen; so wie umgekehrt eine andere Krankheit nie
Blattern hervorbringen kann; z. B. ein Scharlachkranker kann
bei anderen Individuen keine Blattern hervorbringen.

Nicht so verhält sich die Sache beim Kindbettfieber; die-
ses Fieber kann bei einer gesunden Wöchnerin hervorge-
rufen werden durch Krankheiten, welche nicht Kindbettfieber
sind; so sahen wir dieses Fieber an der ersten Gebärkli-
nik zu Wien entstehen durch einen verjauchenden Medullar-
krebs der Gebärmutter, eben so durch die Exhalationen eines
cadaverösen Kniegelenkes; wir sahen das Kindbettfieber an
der ersten Gebärklinik entstehen durch Cadavertheile, welche
von den heterogensten Leichen herrührten. Wir sahen das
Kindbettfieber in der Gebärabtheilung des St. Rochus-Spitals
entstehen durch zersetzte Stoffe, welche von einer chirurgi-
schen Abtheilung herrührten etc. etc.

Das Kindbettfieber kann aber von einer am Kindbettfie-

unter Pyaemie verstehe. Ich verstehe unter Pyaemie das durch
den zersetzten thierisch-organischen Stoff entmischte Blut.

Eine Varietät der Pyaemie nenne ich das Kindbettfieber
deshalb, weil bei der Pyaemie der Schwangern, Kreissenden
und Wöchnerinnen Formen in der Genitalsphäre vorkommen,
welche bei Nichtschwangeren, Nichtkreissenden, Nichtwöch-
nerinnen nicht vorkommen; der Anatom, der Chirurg, wel-
cher an Pyaemie stirbt, kann keine Endometritis bekom-
men etc. etc.

Das Kindbettfieber ist keine contagiöse Krankheit. Un-
ter einer contagiösen Krankheit versteht man diejenige, die
das Contagium, durch welches es fortgepflanzt wird, selbst er-
zeugt, und dieses Contagium bringt in einem anderen Indivi-
duum nur wieder dieselbe Krankheit hervor. Blattern sind
eine contagiöse Krankheit, weil Blattern das Contagium er-
zeugen, durch welches in einem anderen Individuum wieder
Blattern erzeugt werden. Blattern bringen bei einem anderen
Individuum nur wieder Blattern und keine andere Krankheit
hervor. Scharlach kann man z. B. von einem Blatternkranken
nicht bekommen; so wie umgekehrt eine andere Krankheit nie
Blattern hervorbringen kann; z. B. ein Scharlachkranker kann
bei anderen Individuen keine Blattern hervorbringen.

Nicht so verhält sich die Sache beim Kindbettfieber; die-
ses Fieber kann bei einer gesunden Wöchnerin hervorge-
rufen werden durch Krankheiten, welche nicht Kindbettfieber
sind; so sahen wir dieses Fieber an der ersten Gebärkli-
nik zu Wien entstehen durch einen verjauchenden Medullar-
krebs der Gebärmutter, eben so durch die Exhalationen eines
cadaverösen Kniegelenkes; wir sahen das Kindbettfieber an
der ersten Gebärklinik entstehen durch Cadavertheile, welche
von den heterogensten Leichen herrührten. Wir sahen das
Kindbettfieber in der Gebärabtheilung des St. Rochus-Spitals
entstehen durch zersetzte Stoffe, welche von einer chirurgi-
schen Abtheilung herrührten etc. etc.

Das Kindbettfieber kann aber von einer am Kindbettfie-

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[107/0119] unter Pyaemie verstehe. Ich verstehe unter Pyaemie das durch den zersetzten thierisch-organischen Stoff entmischte Blut. Eine Varietät der Pyaemie nenne ich das Kindbettfieber deshalb, weil bei der Pyaemie der Schwangern, Kreissenden und Wöchnerinnen Formen in der Genitalsphäre vorkommen, welche bei Nichtschwangeren, Nichtkreissenden, Nichtwöch- nerinnen nicht vorkommen; der Anatom, der Chirurg, wel- cher an Pyaemie stirbt, kann keine Endometritis bekom- men etc. etc. Das Kindbettfieber ist keine contagiöse Krankheit. Un- ter einer contagiösen Krankheit versteht man diejenige, die das Contagium, durch welches es fortgepflanzt wird, selbst er- zeugt, und dieses Contagium bringt in einem anderen Indivi- duum nur wieder dieselbe Krankheit hervor. Blattern sind eine contagiöse Krankheit, weil Blattern das Contagium er- zeugen, durch welches in einem anderen Individuum wieder Blattern erzeugt werden. Blattern bringen bei einem anderen Individuum nur wieder Blattern und keine andere Krankheit hervor. Scharlach kann man z. B. von einem Blatternkranken nicht bekommen; so wie umgekehrt eine andere Krankheit nie Blattern hervorbringen kann; z. B. ein Scharlachkranker kann bei anderen Individuen keine Blattern hervorbringen. Nicht so verhält sich die Sache beim Kindbettfieber; die- ses Fieber kann bei einer gesunden Wöchnerin hervorge- rufen werden durch Krankheiten, welche nicht Kindbettfieber sind; so sahen wir dieses Fieber an der ersten Gebärkli- nik zu Wien entstehen durch einen verjauchenden Medullar- krebs der Gebärmutter, eben so durch die Exhalationen eines cadaverösen Kniegelenkes; wir sahen das Kindbettfieber an der ersten Gebärklinik entstehen durch Cadavertheile, welche von den heterogensten Leichen herrührten. Wir sahen das Kindbettfieber in der Gebärabtheilung des St. Rochus-Spitals entstehen durch zersetzte Stoffe, welche von einer chirurgi- schen Abtheilung herrührten etc. etc. Das Kindbettfieber kann aber von einer am Kindbettfie-

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/119>, abgerufen am 21.11.2024.