habe zwar nirgends mit Bestimmtheit die Mortalität unter den Wöchnerinnen während dieser beiden Jahre erfahren können, und die vorsichtigen Verfasser der Abhandlung über die Ma- ternite (Memoire sur l'hospice de la Maternite. Paris 1808. Die drei Verfasser dieser Schrift sind sämmtlich bei den Bu- reaux des Hospitals angestellt, und werden von der Admini- stration wegen bewiesener Vorsicht in den Angaben gelobt.) sprechen nicht mit Bestimmtheit davon, es erhellt aber aus Allem, dass sie sehr gross gewesen sein muss; namentlich dar- aus, dass in den fünf angeführten Jahren (wegen der zwei Jahre, in welchen die Unterleibsentzündung herrschte) die Mortalität wie 1 zu 23 sich verhielt, da sie zu anderen Zeiten nur wie 1 zu 23 sich verhalten soll. Es starben in diesen fünf Jahren von 9645 Frauen 414 grösstentheils an Unterleibsentzündung."
Seite 259 sagt Osiander: "Der Brand an den Geburts- theilen kam, so lange ich die Maternite besuchte, verschie- dene Male unter den Wöchnerinnen vor, gerade zu derselben Zeit, wo Unterleibsentzündungen besonders häufig waren. Für mich war diese Krankheit in der furchtbaren Gestalt, unter der sie sich äusserte, ganz neu; in der Maternite erregte sie aber kein besonderes Aufsehen, indem sie hier nicht zu den Seltenheiten gehört."
Der Leser kann aus diesen Citaten die Ausdehnung ent- nehmen, in welcher die Hebammen in der Maternite sich ihre Hände mit zersetzten Stoffen verunreinigen.
So wie es nicht geschehen könnte, dass von mehreren in demselben Klima befindlichen Gebärhäusern einige vom soge- nannten epidemischen Kindbettfieber heimgesucht, und wieder andere von demselben verschont bleiben könnten, wenn das Kindbettfieber durch atmosphärisch-cosmisch-tellurische Ein- flüsse erzeugt werden könnte; noch viel weniger könnte es ge- schehen, dass sich atmosphärisch-cosmisch-tellurische Ein- flüsse an zwei Abtheilungen einer und derselben Anstalt durch eine lange Reihe von Jahren durch ihre Verheerungen in ver- schiedenem Grade kund geben sollten.
habe zwar nirgends mit Bestimmtheit die Mortalität unter den Wöchnerinnen während dieser beiden Jahre erfahren können, und die vorsichtigen Verfasser der Abhandlung über die Ma- ternité (Mémoire sur l’hospice de la Maternité. Paris 1808. Die drei Verfasser dieser Schrift sind sämmtlich bei den Bu- reaux des Hospitals angestellt, und werden von der Admini- stration wegen bewiesener Vorsicht in den Angaben gelobt.) sprechen nicht mit Bestimmtheit davon, es erhellt aber aus Allem, dass sie sehr gross gewesen sein muss; namentlich dar- aus, dass in den fünf angeführten Jahren (wegen der zwei Jahre, in welchen die Unterleibsentzündung herrschte) die Mortalität wie 1 zu 23 sich verhielt, da sie zu anderen Zeiten nur wie 1 zu 23 sich verhalten soll. Es starben in diesen fünf Jahren von 9645 Frauen 414 grösstentheils an Unterleibsentzündung.«
Seite 259 sagt Osiander: »Der Brand an den Geburts- theilen kam, so lange ich die Maternité besuchte, verschie- dene Male unter den Wöchnerinnen vor, gerade zu derselben Zeit, wo Unterleibsentzündungen besonders häufig waren. Für mich war diese Krankheit in der furchtbaren Gestalt, unter der sie sich äusserte, ganz neu; in der Maternité erregte sie aber kein besonderes Aufsehen, indem sie hier nicht zu den Seltenheiten gehört.«
Der Leser kann aus diesen Citaten die Ausdehnung ent- nehmen, in welcher die Hebammen in der Maternité sich ihre Hände mit zersetzten Stoffen verunreinigen.
So wie es nicht geschehen könnte, dass von mehreren in demselben Klima befindlichen Gebärhäusern einige vom soge- nannten epidemischen Kindbettfieber heimgesucht, und wieder andere von demselben verschont bleiben könnten, wenn das Kindbettfieber durch atmosphärisch-cosmisch-tellurische Ein- flüsse erzeugt werden könnte; noch viel weniger könnte es ge- schehen, dass sich atmosphärisch-cosmisch-tellurische Ein- flüsse an zwei Abtheilungen einer und derselben Anstalt durch eine lange Reihe von Jahren durch ihre Verheerungen in ver- schiedenem Grade kund geben sollten.
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habe zwar nirgends mit Bestimmtheit die Mortalität unter den
Wöchnerinnen während dieser beiden Jahre erfahren können,
und die vorsichtigen Verfasser der Abhandlung über die Ma-
ternité (Mémoire sur l’hospice de la Maternité. Paris 1808.
Die drei Verfasser dieser Schrift sind sämmtlich bei den Bu-
reaux des Hospitals angestellt, und werden von der Admini-
stration wegen bewiesener Vorsicht in den Angaben gelobt.)
sprechen nicht mit Bestimmtheit davon, es erhellt aber aus
Allem, dass sie sehr gross gewesen sein muss; namentlich dar-
aus, dass in den fünf angeführten Jahren (wegen der zwei Jahre,
in welchen die Unterleibsentzündung herrschte) die Mortalität
wie 1 zu 23 sich verhielt, da sie zu anderen Zeiten nur wie 1
zu 23 sich verhalten soll. Es starben in diesen fünf Jahren von
9645 Frauen 414 grösstentheils an Unterleibsentzündung.«
Seite 259 sagt Osiander: »Der Brand an den Geburts-
theilen kam, so lange ich die Maternité besuchte, verschie-
dene Male unter den Wöchnerinnen vor, gerade zu derselben
Zeit, wo Unterleibsentzündungen besonders häufig waren. Für
mich war diese Krankheit in der furchtbaren Gestalt, unter
der sie sich äusserte, ganz neu; in der Maternité erregte sie
aber kein besonderes Aufsehen, indem sie hier nicht zu den
Seltenheiten gehört.«
Der Leser kann aus diesen Citaten die Ausdehnung ent-
nehmen, in welcher die Hebammen in der Maternité sich ihre
Hände mit zersetzten Stoffen verunreinigen.
So wie es nicht geschehen könnte, dass von mehreren in
demselben Klima befindlichen Gebärhäusern einige vom soge-
nannten epidemischen Kindbettfieber heimgesucht, und wieder
andere von demselben verschont bleiben könnten, wenn das
Kindbettfieber durch atmosphärisch-cosmisch-tellurische Ein-
flüsse erzeugt werden könnte; noch viel weniger könnte es ge-
schehen, dass sich atmosphärisch-cosmisch-tellurische Ein-
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/142>, abgerufen am 21.11.2024.
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