Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Tabelle Nr. I. zeigt, dass die Wöchnerinnen der ersten
Gebärklinik zu Wien durch sechs Jahre constant in dreimal
grösserer Anzahl gestorben sind, als die Wöchnerinnen der
zweiten Gebärklinik derselben Anstalt.

Diese Beobachtung war es, welche in mir die ersten
Zweifel gegen die Lehre vom epidemischen Kindbettfieber
erregte.

Dieselbe Ungleichheit der Sterblichkeit zweier Abthei-
lungen einer und derselben Anstalt finden wir auch in Strass-
burg. Dr. F. H. Arneth sagt in seinem Werke "Ueber die
Geburtshilfe und Gynaekologie in Frankreich, Grossbritan-
nien und Irland," Wien 1853, vom Strassburger-Gebärhause
Folgendes: "Das Gebärhaus besteht aus zwei Abtheilungen;
der Klinik für Aerzte (la Clinique) und der Abtheilung, auf
welcher Hebammen gebildet werden (le service). Bis Ende
1845 bestanden die genannten beiden Abtheilungen unter zwei
Vorständen neben einander, nur durch eine dünne Wand ge-
trennt, wobei die Aufnahme so geregelt war, dass regelmäs-
sig eine Schwangere in den Service, die andere in die Clini-
que gebracht wurde, während zur Ferienzeit alle auf die Cli-
nique kamen. Nun versieht nach Ehrmann's Abgang Stoltz
beide Anstalten.

"Es war nicht möglich ganz Genaues über die Sterblich-
keit herauszubringen, doch kamen beide Professoren darin
überein, dass auf der Klinik für Schüler constant mehr Ster-
befälle vorgekommen seien."

Um nähere Aufschlüsse über diese Stelle in Arneth's
Buch zu erhalten, wendete ich mich brieflich an Dr. Wieger
und Professor Stoltz in Strassburg, und erhielt durch deren
Bereitwilligkeit folgende Antworten. Dr. Wieger schreibt:

"Ihr werther Brief vom 15. vorigen Monates wäre weit
früher beantwortet worden, hätte ich mir eher eine Disserta-
tion von Gustav Levy "Relation de l'Epidemie de Fievre Puer-
perale observe aux Cliniques d'accouchement de Strassbourg,
pendant le I. Semester de l'annee scolaire 1856 -- 1857.

9 *

Tabelle Nr. I. zeigt, dass die Wöchnerinnen der ersten
Gebärklinik zu Wien durch sechs Jahre constant in dreimal
grösserer Anzahl gestorben sind, als die Wöchnerinnen der
zweiten Gebärklinik derselben Anstalt.

Diese Beobachtung war es, welche in mir die ersten
Zweifel gegen die Lehre vom epidemischen Kindbettfieber
erregte.

Dieselbe Ungleichheit der Sterblichkeit zweier Abthei-
lungen einer und derselben Anstalt finden wir auch in Strass-
burg. Dr. F. H. Arneth sagt in seinem Werke „Ueber die
Geburtshilfe und Gynaekologie in Frankreich, Grossbritan-
nien und Irland,« Wien 1853, vom Strassburger-Gebärhause
Folgendes: »Das Gebärhaus besteht aus zwei Abtheilungen;
der Klinik für Aerzte (la Clinique) und der Abtheilung, auf
welcher Hebammen gebildet werden (le service). Bis Ende
1845 bestanden die genannten beiden Abtheilungen unter zwei
Vorständen neben einander, nur durch eine dünne Wand ge-
trennt, wobei die Aufnahme so geregelt war, dass regelmäs-
sig eine Schwangere in den Service, die andere in die Clini-
que gebracht wurde, während zur Ferienzeit alle auf die Cli-
nique kamen. Nun versieht nach Ehrmann’s Abgang Stoltz
beide Anstalten.

»Es war nicht möglich ganz Genaues über die Sterblich-
keit herauszubringen, doch kamen beide Professoren darin
überein, dass auf der Klinik für Schüler constant mehr Ster-
befälle vorgekommen seien.«

Um nähere Aufschlüsse über diese Stelle in Arneth’s
Buch zu erhalten, wendete ich mich brieflich an Dr. Wieger
und Professor Stoltz in Strassburg, und erhielt durch deren
Bereitwilligkeit folgende Antworten. Dr. Wieger schreibt:

»Ihr werther Brief vom 15. vorigen Monates wäre weit
früher beantwortet worden, hätte ich mir eher eine Disserta-
tion von Gustav Levy »Relation de l’Épidémie de Fièvre Puer-
pérale observé aux Cliniques d’accouchement de Strassbourg,
pendant le I. Semester de l’année scolaire 1856 — 1857.

9 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0143" n="131"/>
        <p>Tabelle Nr. I. zeigt, dass die Wöchnerinnen der ersten<lb/>
Gebärklinik zu Wien durch sechs Jahre constant in dreimal<lb/>
grösserer Anzahl gestorben sind, als die Wöchnerinnen der<lb/>
zweiten Gebärklinik derselben Anstalt.</p><lb/>
        <p>Diese Beobachtung war es, welche in mir die ersten<lb/>
Zweifel gegen die Lehre vom epidemischen Kindbettfieber<lb/>
erregte.</p><lb/>
        <p>Dieselbe Ungleichheit der Sterblichkeit zweier Abthei-<lb/>
lungen einer und derselben Anstalt finden wir auch in Strass-<lb/>
burg. Dr. F. H. <hi rendition="#g">Arneth</hi> sagt in seinem Werke &#x201E;Ueber die<lb/>
Geburtshilfe und Gynaekologie in Frankreich, Grossbritan-<lb/>
nien und Irland,« Wien 1853, vom Strassburger-Gebärhause<lb/>
Folgendes: »Das Gebärhaus besteht aus zwei Abtheilungen;<lb/>
der Klinik für Aerzte <hi rendition="#i">(la Clinique)</hi> und der Abtheilung, auf<lb/>
welcher Hebammen gebildet werden <hi rendition="#i">(le service)</hi>. Bis Ende<lb/>
1845 bestanden die genannten beiden Abtheilungen unter zwei<lb/>
Vorständen neben einander, nur durch eine dünne Wand ge-<lb/>
trennt, wobei die Aufnahme so geregelt war, dass regelmäs-<lb/>
sig eine Schwangere in den Service, die andere in die Clini-<lb/>
que gebracht wurde, während zur Ferienzeit alle auf die Cli-<lb/>
nique kamen. Nun versieht nach <hi rendition="#g">Ehrmann</hi>&#x2019;s Abgang <hi rendition="#g">Stoltz</hi><lb/>
beide Anstalten.</p><lb/>
        <p>»Es war nicht möglich ganz Genaues über die Sterblich-<lb/>
keit herauszubringen, doch kamen beide Professoren darin<lb/>
überein, dass auf der Klinik für Schüler constant mehr Ster-<lb/>
befälle vorgekommen seien.«</p><lb/>
        <p>Um nähere Aufschlüsse über diese Stelle in <hi rendition="#g">Arneth</hi>&#x2019;s<lb/>
Buch zu erhalten, wendete ich mich brieflich an Dr. <hi rendition="#g">Wieger</hi><lb/>
und Professor <hi rendition="#g">Stoltz</hi> in Strassburg, und erhielt durch deren<lb/>
Bereitwilligkeit folgende Antworten. Dr. <hi rendition="#g">Wieger</hi> schreibt:</p><lb/>
        <p>»Ihr werther Brief vom 15. vorigen Monates wäre weit<lb/>
früher beantwortet worden, hätte ich mir eher eine Disserta-<lb/>
tion von Gustav <hi rendition="#g">Levy</hi> »<hi rendition="#i">Relation de l&#x2019;Épidémie de Fièvre Puer-<lb/>
pérale observé aux Cliniques d&#x2019;accouchement de Strassbourg,<lb/>
pendant le I. Semester de l&#x2019;année scolaire 1856 &#x2014; 1857.</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">9 *</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0143] Tabelle Nr. I. zeigt, dass die Wöchnerinnen der ersten Gebärklinik zu Wien durch sechs Jahre constant in dreimal grösserer Anzahl gestorben sind, als die Wöchnerinnen der zweiten Gebärklinik derselben Anstalt. Diese Beobachtung war es, welche in mir die ersten Zweifel gegen die Lehre vom epidemischen Kindbettfieber erregte. Dieselbe Ungleichheit der Sterblichkeit zweier Abthei- lungen einer und derselben Anstalt finden wir auch in Strass- burg. Dr. F. H. Arneth sagt in seinem Werke „Ueber die Geburtshilfe und Gynaekologie in Frankreich, Grossbritan- nien und Irland,« Wien 1853, vom Strassburger-Gebärhause Folgendes: »Das Gebärhaus besteht aus zwei Abtheilungen; der Klinik für Aerzte (la Clinique) und der Abtheilung, auf welcher Hebammen gebildet werden (le service). Bis Ende 1845 bestanden die genannten beiden Abtheilungen unter zwei Vorständen neben einander, nur durch eine dünne Wand ge- trennt, wobei die Aufnahme so geregelt war, dass regelmäs- sig eine Schwangere in den Service, die andere in die Clini- que gebracht wurde, während zur Ferienzeit alle auf die Cli- nique kamen. Nun versieht nach Ehrmann’s Abgang Stoltz beide Anstalten. »Es war nicht möglich ganz Genaues über die Sterblich- keit herauszubringen, doch kamen beide Professoren darin überein, dass auf der Klinik für Schüler constant mehr Ster- befälle vorgekommen seien.« Um nähere Aufschlüsse über diese Stelle in Arneth’s Buch zu erhalten, wendete ich mich brieflich an Dr. Wieger und Professor Stoltz in Strassburg, und erhielt durch deren Bereitwilligkeit folgende Antworten. Dr. Wieger schreibt: »Ihr werther Brief vom 15. vorigen Monates wäre weit früher beantwortet worden, hätte ich mir eher eine Disserta- tion von Gustav Levy »Relation de l’Épidémie de Fièvre Puer- pérale observé aux Cliniques d’accouchement de Strassbourg, pendant le I. Semester de l’année scolaire 1856 — 1857. 9 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/143
Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/143>, abgerufen am 21.11.2024.