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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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Wir haben uns früher dahin ausgesprochen, dass der Ge-
brauch der Engländer, nach dem Besuche einer kranken
Wöchnerin die Kleider vor dem Besuche einer gesunden
Wöchnerin zu wechseln, eine zwar unschädliche, aber über-
flüssige Vorsicht sei, weil die Kleider, welche mit einem zer-
setzten Stoffe verunreiniget sind, nicht dorthin kommen, wo
die Resorbtion im normalen Zustande geschieht, nämlich in die
Uterushöhle, die Kleider könnten nur dadurch das Kindbett-
fieber hervorbringen, dass deren Exhalationen mit der atmo-
sphärischen Luft in die Gebärmutterhöhle dringen; in dem
Grade dürften aber die Kleider nicht leicht verunreinigt sein,
um das besorgen zu müssen; wir haben in Wien nie die Klei-
der gewechselt, und ich thue es auch jetzt nicht. Die Kleider
könnten auch dadurch zur Entstehung des Kindbettfiebers
Veranlassung geben, dass z. B. der Aermel des Rockes, wenn
er mit zersetzten Stoffen verunreiniget ist, bei der inneren
Untersuchung einer Wöchnerin mit den durch die Geburt ver-
letzten Genitalien in Berührung kommt; ein Ereigniss, wel-
ches gewiss nicht täglich geschieht.

In diesem Sinne können allerdings auch die Kleider
schädlich werden, aber gewiss nicht in dem Sinne der Eng-
länder, welche glauben, das Puerperal-Contagium könne, so
wie das Blattern-Contagium, mit den Kleidern zu einer ge-
sunden Wöchnerin getragen werden, welche es dann, wie das
Blattern-Contagium, durch die äussere Oberfläche ihres Kör-
pers in sich aufnimmt, und dadurch ebenfalls vom Kindbett-
fieber befallen werden.

Im normalen Zustande ist nur die innere Fläche des Ute-
rus das Atrium für das Puerperalfieber, durch Wundwerden
kann jede Stelle des Körpers zum Atrium werden.

Wenn englische Aerzte das Unglück haben, mehrere
Wöchnerinnen am Kindbettfieber zu verlieren, so begnügen
sich selbe mit den Chlorwaschungen nicht, sondern sie setzen
ihre geburtshilfliche Praxis für einige Wochen aus, oder un-

Wir haben uns früher dahin ausgesprochen, dass der Ge-
brauch der Engländer, nach dem Besuche einer kranken
Wöchnerin die Kleider vor dem Besuche einer gesunden
Wöchnerin zu wechseln, eine zwar unschädliche, aber über-
flüssige Vorsicht sei, weil die Kleider, welche mit einem zer-
setzten Stoffe verunreiniget sind, nicht dorthin kommen, wo
die Resorbtion im normalen Zustande geschieht, nämlich in die
Uterushöhle, die Kleider könnten nur dadurch das Kindbett-
fieber hervorbringen, dass deren Exhalationen mit der atmo-
sphärischen Luft in die Gebärmutterhöhle dringen; in dem
Grade dürften aber die Kleider nicht leicht verunreinigt sein,
um das besorgen zu müssen; wir haben in Wien nie die Klei-
der gewechselt, und ich thue es auch jetzt nicht. Die Kleider
könnten auch dadurch zur Entstehung des Kindbettfiebers
Veranlassung geben, dass z. B. der Aermel des Rockes, wenn
er mit zersetzten Stoffen verunreiniget ist, bei der inneren
Untersuchung einer Wöchnerin mit den durch die Geburt ver-
letzten Genitalien in Berührung kommt; ein Ereigniss, wel-
ches gewiss nicht täglich geschieht.

In diesem Sinne können allerdings auch die Kleider
schädlich werden, aber gewiss nicht in dem Sinne der Eng-
länder, welche glauben, das Puerperal-Contagium könne, so
wie das Blattern-Contagium, mit den Kleidern zu einer ge-
sunden Wöchnerin getragen werden, welche es dann, wie das
Blattern-Contagium, durch die äussere Oberfläche ihres Kör-
pers in sich aufnimmt, und dadurch ebenfalls vom Kindbett-
fieber befallen werden.

Im normalen Zustande ist nur die innere Fläche des Ute-
rus das Atrium für das Puerperalfieber, durch Wundwerden
kann jede Stelle des Körpers zum Atrium werden.

Wenn englische Aerzte das Unglück haben, mehrere
Wöchnerinnen am Kindbettfieber zu verlieren, so begnügen
sich selbe mit den Chlorwaschungen nicht, sondern sie setzen
ihre geburtshilfliche Praxis für einige Wochen aus, oder un-

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[198/0210] Wir haben uns früher dahin ausgesprochen, dass der Ge- brauch der Engländer, nach dem Besuche einer kranken Wöchnerin die Kleider vor dem Besuche einer gesunden Wöchnerin zu wechseln, eine zwar unschädliche, aber über- flüssige Vorsicht sei, weil die Kleider, welche mit einem zer- setzten Stoffe verunreiniget sind, nicht dorthin kommen, wo die Resorbtion im normalen Zustande geschieht, nämlich in die Uterushöhle, die Kleider könnten nur dadurch das Kindbett- fieber hervorbringen, dass deren Exhalationen mit der atmo- sphärischen Luft in die Gebärmutterhöhle dringen; in dem Grade dürften aber die Kleider nicht leicht verunreinigt sein, um das besorgen zu müssen; wir haben in Wien nie die Klei- der gewechselt, und ich thue es auch jetzt nicht. Die Kleider könnten auch dadurch zur Entstehung des Kindbettfiebers Veranlassung geben, dass z. B. der Aermel des Rockes, wenn er mit zersetzten Stoffen verunreiniget ist, bei der inneren Untersuchung einer Wöchnerin mit den durch die Geburt ver- letzten Genitalien in Berührung kommt; ein Ereigniss, wel- ches gewiss nicht täglich geschieht. In diesem Sinne können allerdings auch die Kleider schädlich werden, aber gewiss nicht in dem Sinne der Eng- länder, welche glauben, das Puerperal-Contagium könne, so wie das Blattern-Contagium, mit den Kleidern zu einer ge- sunden Wöchnerin getragen werden, welche es dann, wie das Blattern-Contagium, durch die äussere Oberfläche ihres Kör- pers in sich aufnimmt, und dadurch ebenfalls vom Kindbett- fieber befallen werden. Im normalen Zustande ist nur die innere Fläche des Ute- rus das Atrium für das Puerperalfieber, durch Wundwerden kann jede Stelle des Körpers zum Atrium werden. Wenn englische Aerzte das Unglück haben, mehrere Wöchnerinnen am Kindbettfieber zu verlieren, so begnügen sich selbe mit den Chlorwaschungen nicht, sondern sie setzen ihre geburtshilfliche Praxis für einige Wochen aus, oder un-

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/210>, abgerufen am 21.11.2024.