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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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ternehmen eine mehrwöchentliche Reise, um vom Puerperal-
Contagium gänzlich gereinigt zu werden. Wir zerstören den
zersetzten Stoff durch Chlorwaschungen und halten diese Des-
infection für hinreichend.

Wir hatten in Wien im Monat April 1847 57 Wöch-
nerinnen von 312, also 18.27 Percent am Kindbettfieber ver-
loren, im Mai 1847 36 Wöchnerinnen von 294, also 12.24 Per-
cent; wir haben Mitte Mai die Chlorwaschungen eingeführt,
mit welchem Erfolge ist dem Leser bekannt, ohne unsere oder
der Schüler Verwendung im Gebärhause unterbrochen zu
haben.

Ich glaube hiemit den Unterschied zwischen meiner An-
sicht vom Kindbettfieber und der Ansicht englischer Aerzte,
und über die Weiterverbreitung der Krankheit hinreichend
deutlich gegeben zu haben.

Um Wiederholungen zu vermeiden, habe ich zur Erörte-
rung dieser Gegenstände diese Stelle der Schrift gewählt, ob-
wohl hier von andern Dingen die Rede ist.

Wenn es früher räthselhaft war, wie eine epidemische
Krankheit auch auf traumatischem Wege hervorgebracht wer-
den könne, so ist es jetzt, nachdem wir wissen, dass das
Puerperalfieber durch Resorbtion eines zersetzten Stoffes ent-
stehe, kein Räthsel mehr.

In Folge einer schweren Zangenoperation werden durch
Quetschung Stellen der Genitalien necrotisch, diese necroti-
schen Theile, wenn resorbirt, erzeugen das Kindbettfieber
durch Selbstinfection.

Dass die grosse Sterblichkeit der Wöchnerinnen am
Kindbettfieber nicht durch atmosphärische Einflüsse, sondern
durch Einbringung eines zersetzten Stoffes von aussen bedingt
sei, beweiset die geographische Verbreitung des Kindbettfie-
bers. Litzmann*) sagte Seite 129 von der geographischen

*) Das Kindbettfieber in necrologischer, geschichtlicher und therapeuti-
scher Beziehung von Dr. C. F. Carl Litzmann. Halle 1844.

ternehmen eine mehrwöchentliche Reise, um vom Puerperal-
Contagium gänzlich gereinigt zu werden. Wir zerstören den
zersetzten Stoff durch Chlorwaschungen und halten diese Des-
infection für hinreichend.

Wir hatten in Wien im Monat April 1847 57 Wöch-
nerinnen von 312, also 18.27 Percent am Kindbettfieber ver-
loren, im Mai 1847 36 Wöchnerinnen von 294, also 12.24 Per-
cent; wir haben Mitte Mai die Chlorwaschungen eingeführt,
mit welchem Erfolge ist dem Leser bekannt, ohne unsere oder
der Schüler Verwendung im Gebärhause unterbrochen zu
haben.

Ich glaube hiemit den Unterschied zwischen meiner An-
sicht vom Kindbettfieber und der Ansicht englischer Aerzte,
und über die Weiterverbreitung der Krankheit hinreichend
deutlich gegeben zu haben.

Um Wiederholungen zu vermeiden, habe ich zur Erörte-
rung dieser Gegenstände diese Stelle der Schrift gewählt, ob-
wohl hier von andern Dingen die Rede ist.

Wenn es früher räthselhaft war, wie eine epidemische
Krankheit auch auf traumatischem Wege hervorgebracht wer-
den könne, so ist es jetzt, nachdem wir wissen, dass das
Puerperalfieber durch Resorbtion eines zersetzten Stoffes ent-
stehe, kein Räthsel mehr.

In Folge einer schweren Zangenoperation werden durch
Quetschung Stellen der Genitalien necrotisch, diese necroti-
schen Theile, wenn resorbirt, erzeugen das Kindbettfieber
durch Selbstinfection.

Dass die grosse Sterblichkeit der Wöchnerinnen am
Kindbettfieber nicht durch atmosphärische Einflüsse, sondern
durch Einbringung eines zersetzten Stoffes von aussen bedingt
sei, beweiset die geographische Verbreitung des Kindbettfie-
bers. Litzmann*) sagte Seite 129 von der geographischen

*) Das Kindbettfieber in necrologischer, geschichtlicher und therapeuti-
scher Beziehung von Dr. C. F. Carl Litzmann. Halle 1844.
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[199/0211] ternehmen eine mehrwöchentliche Reise, um vom Puerperal- Contagium gänzlich gereinigt zu werden. Wir zerstören den zersetzten Stoff durch Chlorwaschungen und halten diese Des- infection für hinreichend. Wir hatten in Wien im Monat April 1847 57 Wöch- nerinnen von 312, also 18.27 Percent am Kindbettfieber ver- loren, im Mai 1847 36 Wöchnerinnen von 294, also 12.24 Per- cent; wir haben Mitte Mai die Chlorwaschungen eingeführt, mit welchem Erfolge ist dem Leser bekannt, ohne unsere oder der Schüler Verwendung im Gebärhause unterbrochen zu haben. Ich glaube hiemit den Unterschied zwischen meiner An- sicht vom Kindbettfieber und der Ansicht englischer Aerzte, und über die Weiterverbreitung der Krankheit hinreichend deutlich gegeben zu haben. Um Wiederholungen zu vermeiden, habe ich zur Erörte- rung dieser Gegenstände diese Stelle der Schrift gewählt, ob- wohl hier von andern Dingen die Rede ist. Wenn es früher räthselhaft war, wie eine epidemische Krankheit auch auf traumatischem Wege hervorgebracht wer- den könne, so ist es jetzt, nachdem wir wissen, dass das Puerperalfieber durch Resorbtion eines zersetzten Stoffes ent- stehe, kein Räthsel mehr. In Folge einer schweren Zangenoperation werden durch Quetschung Stellen der Genitalien necrotisch, diese necroti- schen Theile, wenn resorbirt, erzeugen das Kindbettfieber durch Selbstinfection. Dass die grosse Sterblichkeit der Wöchnerinnen am Kindbettfieber nicht durch atmosphärische Einflüsse, sondern durch Einbringung eines zersetzten Stoffes von aussen bedingt sei, beweiset die geographische Verbreitung des Kindbettfie- bers. Litzmann *) sagte Seite 129 von der geographischen *) Das Kindbettfieber in necrologischer, geschichtlicher und therapeuti- scher Beziehung von Dr. C. F. Carl Litzmann. Halle 1844.

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/211>, abgerufen am 24.11.2024.