lehrten nur ein solcher beobachtender Arzt geworden, wie viel würde die Menschheit und die Animalität überhaupt da- bei gewonnen haben.
"Das "Buch von den Krankheiten der Weiber" enthält vom 60. bis fast zum Paragraph 90 eine historische Beschrei- bung nach allen jenen Formen, unter welchen meistens Puer- peralfieber in sporadischen Fällen vorzukommen pflegt; und im "Buche von herrschenden Volkskrankheiten" sind einige Beobachtungen darüber, wie es epidemisch vorkömmt, so ge- nau und meisterhaft aufgezeichnet, wie sie es nicht richtiger sein könnten, wären sie erst gestern am Krankenbette und Oeffnungstische aufgenommen worden etc. etc."
Meine aus dem Erfolge der Chlorwaschungen geschöpfte Ueberzeugung, dass es nie ein durch atmosphärische Einflüsse bedingtes Kindbettfieber gegeben, dass folgerecht die endlose Reihe der Puerperal-Epidemien, wie solche in der medici- nischen Literatur aufgezählt wird, lauter verhütbare Infec- tionsfälle von aussen waren, wurde durch die Lectüre der Ge- schichte des Kindbettfiebers vollkommen bestätiget.
Wir wollen nun alle Gründe in Kürze recapituliren, welche mir die Ueberzeugung aufgedrungen haben, dass es keine atmosphärisch-cosmisch-tellurischen Einflüsse gebe, welche geeignet wären, das Kindbettfieber hervorzubringen, und dass es deren nie gegeben. Wir wollen in Kürze die Gründe recapituliren, welche mir die Ueberzeugung aufge- drungen haben, dass die grosse Sterblichkeit, welche man epidemischen Einflüssen zuschrieb, bedingt sei und war durch die Aufnahme eines zersetzten Stoffes in den Kreislauf der Individuen, und dass, die Fälle von Selbstinfection ausgenom- men, dieser zersetzte Stoff den Individuen von aussen einge- bracht werde. Dass demnach die endlose Reihe der sogenann- ten Epidemien, wie solche in der medicinischen Literatur an- geführt werden, lauter verhütbare Infectionsfälle von aussen waren.
Der wichtigste Grund ist, dass es mir an drei Anstalten
lehrten nur ein solcher beobachtender Arzt geworden, wie viel würde die Menschheit und die Animalität überhaupt da- bei gewonnen haben.
»Das »Buch von den Krankheiten der Weiber« enthält vom 60. bis fast zum Paragraph 90 eine historische Beschrei- bung nach allen jenen Formen, unter welchen meistens Puer- peralfieber in sporadischen Fällen vorzukommen pflegt; und im »Buche von herrschenden Volkskrankheiten« sind einige Beobachtungen darüber, wie es epidemisch vorkömmt, so ge- nau und meisterhaft aufgezeichnet, wie sie es nicht richtiger sein könnten, wären sie erst gestern am Krankenbette und Oeffnungstische aufgenommen worden etc. etc.«
Meine aus dem Erfolge der Chlorwaschungen geschöpfte Ueberzeugung, dass es nie ein durch atmosphärische Einflüsse bedingtes Kindbettfieber gegeben, dass folgerecht die endlose Reihe der Puerperal-Epidemien, wie solche in der medici- nischen Literatur aufgezählt wird, lauter verhütbare Infec- tionsfälle von aussen waren, wurde durch die Lectüre der Ge- schichte des Kindbettfiebers vollkommen bestätiget.
Wir wollen nun alle Gründe in Kürze recapituliren, welche mir die Ueberzeugung aufgedrungen haben, dass es keine atmosphärisch-cosmisch-tellurischen Einflüsse gebe, welche geeignet wären, das Kindbettfieber hervorzubringen, und dass es deren nie gegeben. Wir wollen in Kürze die Gründe recapituliren, welche mir die Ueberzeugung aufge- drungen haben, dass die grosse Sterblichkeit, welche man epidemischen Einflüssen zuschrieb, bedingt sei und war durch die Aufnahme eines zersetzten Stoffes in den Kreislauf der Individuen, und dass, die Fälle von Selbstinfection ausgenom- men, dieser zersetzte Stoff den Individuen von aussen einge- bracht werde. Dass demnach die endlose Reihe der sogenann- ten Epidemien, wie solche in der medicinischen Literatur an- geführt werden, lauter verhütbare Infectionsfälle von aussen waren.
Der wichtigste Grund ist, dass es mir an drei Anstalten
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[207/0219]
lehrten nur ein solcher beobachtender Arzt geworden, wie
viel würde die Menschheit und die Animalität überhaupt da-
bei gewonnen haben.
»Das »Buch von den Krankheiten der Weiber« enthält
vom 60. bis fast zum Paragraph 90 eine historische Beschrei-
bung nach allen jenen Formen, unter welchen meistens Puer-
peralfieber in sporadischen Fällen vorzukommen pflegt; und
im »Buche von herrschenden Volkskrankheiten« sind einige
Beobachtungen darüber, wie es epidemisch vorkömmt, so ge-
nau und meisterhaft aufgezeichnet, wie sie es nicht richtiger
sein könnten, wären sie erst gestern am Krankenbette und
Oeffnungstische aufgenommen worden etc. etc.«
Meine aus dem Erfolge der Chlorwaschungen geschöpfte
Ueberzeugung, dass es nie ein durch atmosphärische Einflüsse
bedingtes Kindbettfieber gegeben, dass folgerecht die endlose
Reihe der Puerperal-Epidemien, wie solche in der medici-
nischen Literatur aufgezählt wird, lauter verhütbare Infec-
tionsfälle von aussen waren, wurde durch die Lectüre der Ge-
schichte des Kindbettfiebers vollkommen bestätiget.
Wir wollen nun alle Gründe in Kürze recapituliren,
welche mir die Ueberzeugung aufgedrungen haben, dass es
keine atmosphärisch-cosmisch-tellurischen Einflüsse gebe,
welche geeignet wären, das Kindbettfieber hervorzubringen,
und dass es deren nie gegeben. Wir wollen in Kürze die
Gründe recapituliren, welche mir die Ueberzeugung aufge-
drungen haben, dass die grosse Sterblichkeit, welche man
epidemischen Einflüssen zuschrieb, bedingt sei und war durch
die Aufnahme eines zersetzten Stoffes in den Kreislauf der
Individuen, und dass, die Fälle von Selbstinfection ausgenom-
men, dieser zersetzte Stoff den Individuen von aussen einge-
bracht werde. Dass demnach die endlose Reihe der sogenann-
ten Epidemien, wie solche in der medicinischen Literatur an-
geführt werden, lauter verhütbare Infectionsfälle von aussen
waren.
Der wichtigste Grund ist, dass es mir an drei Anstalten
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/219>, abgerufen am 24.11.2024.
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