welchem ihm die Disharmonie der Lehre mit den Daten, klar wird. Derjenige, der trotz dieser Daten noch an das epidemi- sche Kindbettfieber zu glauben vorgibt, der hat nicht den Muth, die Wahrheit zu gestehen, weil er fühlt, dass mit der Anerkennung dieser Wahrheit das Bekenntniss einer grossen Schuld abgelegt wird. Nachdem nun einmal der Thatbestand nicht geändert werden kann, so wird durch Verläugnung der Wahrheit die Schuld noch vergrössert. Derjenige, welcher trotz dieser Daten noch an das epidemische Kindbettfieber wirklich glaubt, der hat keine Ueberzeugung, der hat keine Begriffe, der trägt nur eingelernte Worte in seinem Gedächtnisse herum.
Die Lehre des epidemischen Kindbettfiebers erklärt das Unbekannte wieder mit etwas Unbekanntem. Es starben Viele, man wusste nicht warum, man erklärte es wieder mit unbe- kannten atmosphärischen Einflüssen, man konnte keine be- stimmten atmosphärischen Einflüsse angeben, weil das Kind- bettfieber zu jeder Jahreszeit und in jedem Klima vorkommt und nicht vorkommt.
Das sind meine Gründe, ich wünsche es im Interesse der Menschheit, dass alle Betheiligten aus denselben die Ueber- zeugung schöpfen mögen, welche ich daraus geschöpft.
Die Gründe, welche von meinen Gegnern zur Begrün- dung der atmosphärischen Einflüsse angeführt wurden, und welche hiermit ihre Widerlegung noch nicht gefunden, werden, um Wiederholungen zu vermeiden, ihre Würdigung finden bei Beurtheilung dieser Gegner.
welchem ihm die Disharmonie der Lehre mit den Daten, klar wird. Derjenige, der trotz dieser Daten noch an das epidemi- sche Kindbettfieber zu glauben vorgibt, der hat nicht den Muth, die Wahrheit zu gestehen, weil er fühlt, dass mit der Anerkennung dieser Wahrheit das Bekenntniss einer grossen Schuld abgelegt wird. Nachdem nun einmal der Thatbestand nicht geändert werden kann, so wird durch Verläugnung der Wahrheit die Schuld noch vergrössert. Derjenige, welcher trotz dieser Daten noch an das epidemische Kindbettfieber wirklich glaubt, der hat keine Ueberzeugung, der hat keine Begriffe, der trägt nur eingelernte Worte in seinem Gedächtnisse herum.
Die Lehre des epidemischen Kindbettfiebers erklärt das Unbekannte wieder mit etwas Unbekanntem. Es starben Viele, man wusste nicht warum, man erklärte es wieder mit unbe- kannten atmosphärischen Einflüssen, man konnte keine be- stimmten atmosphärischen Einflüsse angeben, weil das Kind- bettfieber zu jeder Jahreszeit und in jedem Klima vorkommt und nicht vorkommt.
Das sind meine Gründe, ich wünsche es im Interesse der Menschheit, dass alle Betheiligten aus denselben die Ueber- zeugung schöpfen mögen, welche ich daraus geschöpft.
Die Gründe, welche von meinen Gegnern zur Begrün- dung der atmosphärischen Einflüsse angeführt wurden, und welche hiermit ihre Widerlegung noch nicht gefunden, werden, um Wiederholungen zu vermeiden, ihre Würdigung finden bei Beurtheilung dieser Gegner.
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welchem ihm die Disharmonie der Lehre mit den Daten, klar
wird. Derjenige, der trotz dieser Daten noch an das epidemi-
sche Kindbettfieber zu glauben vorgibt, der hat nicht den
Muth, die Wahrheit zu gestehen, weil er fühlt, dass mit der
Anerkennung dieser Wahrheit das Bekenntniss einer grossen
Schuld abgelegt wird. Nachdem nun einmal der Thatbestand
nicht geändert werden kann, so wird durch Verläugnung der
Wahrheit die Schuld noch vergrössert. Derjenige, welcher trotz
dieser Daten noch an das epidemische Kindbettfieber wirklich
glaubt, der hat keine Ueberzeugung, der hat keine Begriffe,
der trägt nur eingelernte Worte in seinem Gedächtnisse herum.
Die Lehre des epidemischen Kindbettfiebers erklärt das
Unbekannte wieder mit etwas Unbekanntem. Es starben Viele,
man wusste nicht warum, man erklärte es wieder mit unbe-
kannten atmosphärischen Einflüssen, man konnte keine be-
stimmten atmosphärischen Einflüsse angeben, weil das Kind-
bettfieber zu jeder Jahreszeit und in jedem Klima vorkommt
und nicht vorkommt.
Das sind meine Gründe, ich wünsche es im Interesse
der Menschheit, dass alle Betheiligten aus denselben die Ueber-
zeugung schöpfen mögen, welche ich daraus geschöpft.
Die Gründe, welche von meinen Gegnern zur Begrün-
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/224>, abgerufen am 21.11.2024.
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