sichtskreis gewonnen hat, indem allerlei ichoröse Secrete noch lebender Organismen darunter einzurechnen sein werden. Läugnen lässt sich's aber nicht, dass die in dieser Hinsicht citirten Erfahrungen allzu flüchtig skizzirt sind, als dass die Kritik einen Schluss aus ihnen gestatten möchte. Namentlich müsste es von Wichtigkeit sein zu wissen, ob die Wöchne- rinnen mit Markschwamm der Gebärmutter, den ichorösen Geschwüren des Schienbeins zur selben Zeit vielleicht am Puerperalfieber erkrankt waren, da in solchem Falle die Puer- peral-Contagionisten das specifische Contagium der präsu- mirten ichorösen Infection entgegen stellen würden. Im entge- gengesetzten Falle würde die erstgenannte Patientin der Infectionsansicht offenbar sehr zuwider sein, während es die zweite betreffend unerklärlich bleibt, in welchem näheren Verhältnisse die ichorösen Geschwüre mit der Vaginalexplo- ration der andern Gebärenden als mit der Exploration der Pa- tientin selbst gestanden haben möchte.
Hinzufügen kann ich, dass wir im hiesigen Gebärhause so häufig genug chronisch ichoröse Fussgeschwüre bei Gebä- renden angetroffen haben, ohne irgend eine inficirende Wir- kung davon bemerkt zu haben, weder auf die Patientinnen selbst, noch auf andere Wöchnerinnen. Und wenn Dr. Sem- melweis grosses Gewicht auf den seiner Meinung nach viel günstigeren Gesundheitszustand der Gebäranstalten legt, die ausschliesslich für den Hebammenunterricht, als derjenigen, die für den ärztlichen Unterricht bestimmt sind, so möchte er doch bedenken, dass ichoröse Secrete lebender Organismen in gleichem Masse in beiderlei Anstalten vorkommen, und dass, wenn die Infection so leicht geschähe, wie er es anzu- nehmen scheint, sich in einer so grossen Anstalt wie die Hebammenabtheilung in Wien, sehr oft, ob nicht zu jeder Zeit, eine oder andere Kranke finden würde, die als Infections- quelle hinreichen würde, um den übrigens sehr merklichen Unterschied der sanitären Verhältnisse beider Abtheilungen der Wiener Anstalt zu verringern oder ganz auszugleichen."
sichtskreis gewonnen hat, indem allerlei ichoröse Secrete noch lebender Organismen darunter einzurechnen sein werden. Läugnen lässt sich’s aber nicht, dass die in dieser Hinsicht citirten Erfahrungen allzu flüchtig skizzirt sind, als dass die Kritik einen Schluss aus ihnen gestatten möchte. Namentlich müsste es von Wichtigkeit sein zu wissen, ob die Wöchne- rinnen mit Markschwamm der Gebärmutter, den ichorösen Geschwüren des Schienbeins zur selben Zeit vielleicht am Puerperalfieber erkrankt waren, da in solchem Falle die Puer- peral-Contagionisten das specifische Contagium der präsu- mirten ichorösen Infection entgegen stellen würden. Im entge- gengesetzten Falle würde die erstgenannte Patientin der Infectionsansicht offenbar sehr zuwider sein, während es die zweite betreffend unerklärlich bleibt, in welchem näheren Verhältnisse die ichorösen Geschwüre mit der Vaginalexplo- ration der andern Gebärenden als mit der Exploration der Pa- tientin selbst gestanden haben möchte.
Hinzufügen kann ich, dass wir im hiesigen Gebärhause so häufig genug chronisch ichoröse Fussgeschwüre bei Gebä- renden angetroffen haben, ohne irgend eine inficirende Wir- kung davon bemerkt zu haben, weder auf die Patientinnen selbst, noch auf andere Wöchnerinnen. Und wenn Dr. Sem- melweis grosses Gewicht auf den seiner Meinung nach viel günstigeren Gesundheitszustand der Gebäranstalten legt, die ausschliesslich für den Hebammenunterricht, als derjenigen, die für den ärztlichen Unterricht bestimmt sind, so möchte er doch bedenken, dass ichoröse Secrete lebender Organismen in gleichem Masse in beiderlei Anstalten vorkommen, und dass, wenn die Infection so leicht geschähe, wie er es anzu- nehmen scheint, sich in einer so grossen Anstalt wie die Hebammenabtheilung in Wien, sehr oft, ob nicht zu jeder Zeit, eine oder andere Kranke finden würde, die als Infections- quelle hinreichen würde, um den übrigens sehr merklichen Unterschied der sanitären Verhältnisse beider Abtheilungen der Wiener Anstalt zu verringern oder ganz auszugleichen.«
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[302/0314]
sichtskreis gewonnen hat, indem allerlei ichoröse Secrete
noch lebender Organismen darunter einzurechnen sein werden.
Läugnen lässt sich’s aber nicht, dass die in dieser Hinsicht
citirten Erfahrungen allzu flüchtig skizzirt sind, als dass die
Kritik einen Schluss aus ihnen gestatten möchte. Namentlich
müsste es von Wichtigkeit sein zu wissen, ob die Wöchne-
rinnen mit Markschwamm der Gebärmutter, den ichorösen
Geschwüren des Schienbeins zur selben Zeit vielleicht am
Puerperalfieber erkrankt waren, da in solchem Falle die Puer-
peral-Contagionisten das specifische Contagium der präsu-
mirten ichorösen Infection entgegen stellen würden. Im entge-
gengesetzten Falle würde die erstgenannte Patientin der
Infectionsansicht offenbar sehr zuwider sein, während es
die zweite betreffend unerklärlich bleibt, in welchem näheren
Verhältnisse die ichorösen Geschwüre mit der Vaginalexplo-
ration der andern Gebärenden als mit der Exploration der Pa-
tientin selbst gestanden haben möchte.
Hinzufügen kann ich, dass wir im hiesigen Gebärhause
so häufig genug chronisch ichoröse Fussgeschwüre bei Gebä-
renden angetroffen haben, ohne irgend eine inficirende Wir-
kung davon bemerkt zu haben, weder auf die Patientinnen
selbst, noch auf andere Wöchnerinnen. Und wenn Dr. Sem-
melweis grosses Gewicht auf den seiner Meinung nach viel
günstigeren Gesundheitszustand der Gebäranstalten legt, die
ausschliesslich für den Hebammenunterricht, als derjenigen,
die für den ärztlichen Unterricht bestimmt sind, so möchte er
doch bedenken, dass ichoröse Secrete lebender Organismen
in gleichem Masse in beiderlei Anstalten vorkommen, und
dass, wenn die Infection so leicht geschähe, wie er es anzu-
nehmen scheint, sich in einer so grossen Anstalt wie die
Hebammenabtheilung in Wien, sehr oft, ob nicht zu jeder Zeit,
eine oder andere Kranke finden würde, die als Infections-
quelle hinreichen würde, um den übrigens sehr merklichen
Unterschied der sanitären Verhältnisse beider Abtheilungen
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/314>, abgerufen am 22.11.2024.
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