Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Die beiden kranken Kreissenden litten nicht am Kind-
bettfieber, die mit dem verjauchenden Medullarkrebse der
Gebärmutter starb an den Folgen des Krebses, die mit dem
cariösen Geschwüre wurde nach überstandenem Wochenbette
entlassen.

Zur Lösung der übrigen Zweifel in Bezug auf diese beiden
Fälle wolle der Leser Seite 58, 59 und 60 dieser Schrift nach-
lesen, Seite 58, Zeile 32 beginnend.

Der Leser erinnert sich, dass wir drei Quellen angenom-
men haben, aus welchen der zersetzte Stoff kommt, welcher
das Puerperalfieber erzeugt. Nämlich jede Leiche, jeder
Kranke, welcher einen zersetzten Stoff erzeugt, und alle
thierisch-organischen physiologischen Gebilde, wenn selbe in
Fäulniss übergegangen sind.

In Gebärhäusern, welche dem Unterrichte für Aerzte
bestimmt sind, wird der zersetzte Stoff von den Leichen her-
genommen, von den Kranken, welche sich im Gebärhause
befinden, und wenn die Reinlichkeit nicht beobachtet wird,
können sich physiologische Producte, wie Blut, in den Lein-
tüchern zersetzen, und dadurch das Puerperalfieber hervor-
rufen.

In Gebärhäusern, welche dem Unterrichte für Hebammen
bestimmt sind, fällt die erste Infectionsquelle weg, und das ist
die Ursache des günstigeren Gesundheitszustandes in Hebam-
men-Abtheilungen, denn wenn auch in Hebammenschulen
ichoröse Secrete vorkommen, so können doch die ichorösen
Secrete der Hebammen-Abtheilung nicht so viele Individuen
inficiren, wie auf der Aerzte-Abtheilung die ichorösen Secrete
unter Beihilfe der zersetzten Stoffe, hergenommen von den
Leichen, und wenn daher an der Hebammenschule zu Wien
vielleicht zu jeder Zeit eine Kranke zu finden war, welche als
Infectionsquelle diente, so war diese Quelle doch nicht geeignet,
den merklichen Unterschied der sanitären Verhältnisse beider
Abtheilungen zu verringern, oder ganz auszugleichen, weil ja
solche Individuen sich auch auf der Aerzte-Abtheilung befan-

Die beiden kranken Kreissenden litten nicht am Kind-
bettfieber, die mit dem verjauchenden Medullarkrebse der
Gebärmutter starb an den Folgen des Krebses, die mit dem
cariösen Geschwüre wurde nach überstandenem Wochenbette
entlassen.

Zur Lösung der übrigen Zweifel in Bezug auf diese beiden
Fälle wolle der Leser Seite 58, 59 und 60 dieser Schrift nach-
lesen, Seite 58, Zeile 32 beginnend.

Der Leser erinnert sich, dass wir drei Quellen angenom-
men haben, aus welchen der zersetzte Stoff kommt, welcher
das Puerperalfieber erzeugt. Nämlich jede Leiche, jeder
Kranke, welcher einen zersetzten Stoff erzeugt, und alle
thierisch-organischen physiologischen Gebilde, wenn selbe in
Fäulniss übergegangen sind.

In Gebärhäusern, welche dem Unterrichte für Aerzte
bestimmt sind, wird der zersetzte Stoff von den Leichen her-
genommen, von den Kranken, welche sich im Gebärhause
befinden, und wenn die Reinlichkeit nicht beobachtet wird,
können sich physiologische Producte, wie Blut, in den Lein-
tüchern zersetzen, und dadurch das Puerperalfieber hervor-
rufen.

In Gebärhäusern, welche dem Unterrichte für Hebammen
bestimmt sind, fällt die erste Infectionsquelle weg, und das ist
die Ursache des günstigeren Gesundheitszustandes in Hebam-
men-Abtheilungen, denn wenn auch in Hebammenschulen
ichoröse Secrete vorkommen, so können doch die ichorösen
Secrete der Hebammen-Abtheilung nicht so viele Individuen
inficiren, wie auf der Aerzte-Abtheilung die ichorösen Secrete
unter Beihilfe der zersetzten Stoffe, hergenommen von den
Leichen, und wenn daher an der Hebammenschule zu Wien
vielleicht zu jeder Zeit eine Kranke zu finden war, welche als
Infectionsquelle diente, so war diese Quelle doch nicht geeignet,
den merklichen Unterschied der sanitären Verhältnisse beider
Abtheilungen zu verringern, oder ganz auszugleichen, weil ja
solche Individuen sich auch auf der Aerzte-Abtheilung befan-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0315" n="303"/>
        <p>Die beiden kranken Kreissenden litten nicht am Kind-<lb/>
bettfieber, die mit dem verjauchenden Medullarkrebse der<lb/>
Gebärmutter starb an den Folgen des Krebses, die mit dem<lb/>
cariösen Geschwüre wurde nach überstandenem Wochenbette<lb/>
entlassen.</p><lb/>
        <p>Zur Lösung der übrigen Zweifel in Bezug auf diese beiden<lb/>
Fälle wolle der Leser Seite 58, 59 und 60 dieser Schrift nach-<lb/>
lesen, Seite 58, Zeile 32 beginnend.</p><lb/>
        <p>Der Leser erinnert sich, dass wir drei Quellen angenom-<lb/>
men haben, aus welchen der zersetzte Stoff kommt, welcher<lb/>
das Puerperalfieber erzeugt. Nämlich jede Leiche, jeder<lb/>
Kranke, welcher einen zersetzten Stoff erzeugt, und alle<lb/>
thierisch-organischen physiologischen Gebilde, wenn selbe in<lb/>
Fäulniss übergegangen sind.</p><lb/>
        <p>In Gebärhäusern, welche dem Unterrichte für Aerzte<lb/>
bestimmt sind, wird der zersetzte Stoff von den Leichen her-<lb/>
genommen, von den Kranken, welche sich im Gebärhause<lb/>
befinden, und wenn die Reinlichkeit nicht beobachtet wird,<lb/>
können sich physiologische Producte, wie Blut, in den Lein-<lb/>
tüchern zersetzen, und dadurch das Puerperalfieber hervor-<lb/>
rufen.</p><lb/>
        <p>In Gebärhäusern, welche dem Unterrichte für Hebammen<lb/>
bestimmt sind, fällt die erste Infectionsquelle weg, und das ist<lb/>
die Ursache des günstigeren Gesundheitszustandes in Hebam-<lb/>
men-Abtheilungen, denn wenn auch in Hebammenschulen<lb/>
ichoröse Secrete vorkommen, so können doch die ichorösen<lb/>
Secrete der Hebammen-Abtheilung nicht so viele Individuen<lb/>
inficiren, wie auf der Aerzte-Abtheilung die ichorösen Secrete<lb/>
unter Beihilfe der zersetzten Stoffe, hergenommen von den<lb/>
Leichen, und wenn daher an der Hebammenschule zu Wien<lb/>
vielleicht zu jeder Zeit eine Kranke zu finden war, welche als<lb/>
Infectionsquelle diente, so war diese Quelle doch nicht geeignet,<lb/>
den merklichen Unterschied der sanitären Verhältnisse beider<lb/>
Abtheilungen zu verringern, oder ganz auszugleichen, weil ja<lb/>
solche Individuen sich auch auf der Aerzte-Abtheilung befan-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[303/0315] Die beiden kranken Kreissenden litten nicht am Kind- bettfieber, die mit dem verjauchenden Medullarkrebse der Gebärmutter starb an den Folgen des Krebses, die mit dem cariösen Geschwüre wurde nach überstandenem Wochenbette entlassen. Zur Lösung der übrigen Zweifel in Bezug auf diese beiden Fälle wolle der Leser Seite 58, 59 und 60 dieser Schrift nach- lesen, Seite 58, Zeile 32 beginnend. Der Leser erinnert sich, dass wir drei Quellen angenom- men haben, aus welchen der zersetzte Stoff kommt, welcher das Puerperalfieber erzeugt. Nämlich jede Leiche, jeder Kranke, welcher einen zersetzten Stoff erzeugt, und alle thierisch-organischen physiologischen Gebilde, wenn selbe in Fäulniss übergegangen sind. In Gebärhäusern, welche dem Unterrichte für Aerzte bestimmt sind, wird der zersetzte Stoff von den Leichen her- genommen, von den Kranken, welche sich im Gebärhause befinden, und wenn die Reinlichkeit nicht beobachtet wird, können sich physiologische Producte, wie Blut, in den Lein- tüchern zersetzen, und dadurch das Puerperalfieber hervor- rufen. In Gebärhäusern, welche dem Unterrichte für Hebammen bestimmt sind, fällt die erste Infectionsquelle weg, und das ist die Ursache des günstigeren Gesundheitszustandes in Hebam- men-Abtheilungen, denn wenn auch in Hebammenschulen ichoröse Secrete vorkommen, so können doch die ichorösen Secrete der Hebammen-Abtheilung nicht so viele Individuen inficiren, wie auf der Aerzte-Abtheilung die ichorösen Secrete unter Beihilfe der zersetzten Stoffe, hergenommen von den Leichen, und wenn daher an der Hebammenschule zu Wien vielleicht zu jeder Zeit eine Kranke zu finden war, welche als Infectionsquelle diente, so war diese Quelle doch nicht geeignet, den merklichen Unterschied der sanitären Verhältnisse beider Abtheilungen zu verringern, oder ganz auszugleichen, weil ja solche Individuen sich auch auf der Aerzte-Abtheilung befan-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/315
Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/315>, abgerufen am 22.11.2024.