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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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C. B. Tilanus', in Amsterdam, Brief lautet folgender-
massen:

"Ich rechne es mir zur Pflicht, im Interesse der Wissen-
schaft Ihnen meine Ansichten, auf Erfahrung gegründet, über
die Ursachen des epidemischen Verhaltens der Puerperalfieber
in Gebäranstalten nicht vorzuenthalten, während ich Ihre,
durch Dr. Stendrichs an mich gerichtete Frage beantworte.

Ich habe zwanzig Jahre lang, welche ich Vorstand von
der hiesigen Anstalt war, diese Sache aufs genaueste geprüft,
und keinen Anlass gefunden, von der Meinung abzuweichen,
welche hier schon lange vor mir gehegt wurde, dass die Ver-
breitung und Andauer dieser Krankheit unter den Wöchne-
rinnen, wenn solche einmal aus epidemischen atmosphärischen
Verhältnissen, wozu vorzüglich die Constitutio annua im Winter
und Frühjahre bei häufig abwechselnder Witterung gehört,
hat angefangen, auf Rechnung der entschiedenen Contagiosität
zu stellen ist.

Einestheils ist meine Ueberzeugung gegründet auf den
öfters deutlich nachweisbaren Ursprung der Krankheit von
einem schon während der Geburt kranken Individuum, bis-
weilen schon krank in der Anstalt aufgenommen, das in
kurzem unterlag, und ihre Uebertragung auf gesunde, welche
zugleich oder bald nachher entbunden waren, und sich in der
Atmosphäre der ersten Kranken befunden hatten, noch ehe die
ominöse Krankheit diagnosticirt war. Anderntheils zeigte
öfters das baldige Ende der Epidemie, wenn die Geburten
einige Tage an Anzahl abnahmen oder gänzlich ausblieben,
und die Kranken konnten isolirt werden, so dass ihre Pflege
Personen überlassen wurde, welche sich von folgenden Ge-
burten und von neuen Wöchnerinnen aufs genaueste enthielten.

Es versteht sich, dass für solche Erfahrungen eine relativ
kleine Anstalt (in der unseren kommen im Durchschnitte
400 Geburten im Jahre vor) allem geeignet ist, und das erklärt
auch, wenn ich nicht irre, warum die entgegengesetzte Ansicht
sich so lange in grossen Anstalten aufrecht erhalten hat, ob-

C. B. Tilanus’, in Amsterdam, Brief lautet folgender-
massen:

»Ich rechne es mir zur Pflicht, im Interesse der Wissen-
schaft Ihnen meine Ansichten, auf Erfahrung gegründet, über
die Ursachen des epidemischen Verhaltens der Puerperalfieber
in Gebäranstalten nicht vorzuenthalten, während ich Ihre,
durch Dr. Stendrichs an mich gerichtete Frage beantworte.

Ich habe zwanzig Jahre lang, welche ich Vorstand von
der hiesigen Anstalt war, diese Sache aufs genaueste geprüft,
und keinen Anlass gefunden, von der Meinung abzuweichen,
welche hier schon lange vor mir gehegt wurde, dass die Ver-
breitung und Andauer dieser Krankheit unter den Wöchne-
rinnen, wenn solche einmal aus epidemischen atmosphärischen
Verhältnissen, wozu vorzüglich die Constitutio annua im Winter
und Frühjahre bei häufig abwechselnder Witterung gehört,
hat angefangen, auf Rechnung der entschiedenen Contagiosität
zu stellen ist.

Einestheils ist meine Ueberzeugung gegründet auf den
öfters deutlich nachweisbaren Ursprung der Krankheit von
einem schon während der Geburt kranken Individuum, bis-
weilen schon krank in der Anstalt aufgenommen, das in
kurzem unterlag, und ihre Uebertragung auf gesunde, welche
zugleich oder bald nachher entbunden waren, und sich in der
Atmosphäre der ersten Kranken befunden hatten, noch ehe die
ominöse Krankheit diagnosticirt war. Anderntheils zeigte
öfters das baldige Ende der Epidemie, wenn die Geburten
einige Tage an Anzahl abnahmen oder gänzlich ausblieben,
und die Kranken konnten isolirt werden, so dass ihre Pflege
Personen überlassen wurde, welche sich von folgenden Ge-
burten und von neuen Wöchnerinnen aufs genaueste enthielten.

Es versteht sich, dass für solche Erfahrungen eine relativ
kleine Anstalt (in der unseren kommen im Durchschnitte
400 Geburten im Jahre vor) allem geeignet ist, und das erklärt
auch, wenn ich nicht irre, warum die entgegengesetzte Ansicht
sich so lange in grossen Anstalten aufrecht erhalten hat, ob-

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[310/0322] C. B. Tilanus’, in Amsterdam, Brief lautet folgender- massen: »Ich rechne es mir zur Pflicht, im Interesse der Wissen- schaft Ihnen meine Ansichten, auf Erfahrung gegründet, über die Ursachen des epidemischen Verhaltens der Puerperalfieber in Gebäranstalten nicht vorzuenthalten, während ich Ihre, durch Dr. Stendrichs an mich gerichtete Frage beantworte. Ich habe zwanzig Jahre lang, welche ich Vorstand von der hiesigen Anstalt war, diese Sache aufs genaueste geprüft, und keinen Anlass gefunden, von der Meinung abzuweichen, welche hier schon lange vor mir gehegt wurde, dass die Ver- breitung und Andauer dieser Krankheit unter den Wöchne- rinnen, wenn solche einmal aus epidemischen atmosphärischen Verhältnissen, wozu vorzüglich die Constitutio annua im Winter und Frühjahre bei häufig abwechselnder Witterung gehört, hat angefangen, auf Rechnung der entschiedenen Contagiosität zu stellen ist. Einestheils ist meine Ueberzeugung gegründet auf den öfters deutlich nachweisbaren Ursprung der Krankheit von einem schon während der Geburt kranken Individuum, bis- weilen schon krank in der Anstalt aufgenommen, das in kurzem unterlag, und ihre Uebertragung auf gesunde, welche zugleich oder bald nachher entbunden waren, und sich in der Atmosphäre der ersten Kranken befunden hatten, noch ehe die ominöse Krankheit diagnosticirt war. Anderntheils zeigte öfters das baldige Ende der Epidemie, wenn die Geburten einige Tage an Anzahl abnahmen oder gänzlich ausblieben, und die Kranken konnten isolirt werden, so dass ihre Pflege Personen überlassen wurde, welche sich von folgenden Ge- burten und von neuen Wöchnerinnen aufs genaueste enthielten. Es versteht sich, dass für solche Erfahrungen eine relativ kleine Anstalt (in der unseren kommen im Durchschnitte 400 Geburten im Jahre vor) allem geeignet ist, und das erklärt auch, wenn ich nicht irre, warum die entgegengesetzte Ansicht sich so lange in grossen Anstalten aufrecht erhalten hat, ob-

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/322>, abgerufen am 22.11.2024.