Wenn Scanzoni uns erzählen kann, "dass im Verlaufe einer Epidemie einzelne stürmische, kaltfeuchte Tage einen das häufigere und intensivere Auftreten von Krankheiten un- verkennbar begünstigenden Einfluss ausüben, so dass nicht selten alle in einer Gebäranstalt an einem bestimmten Tage Entbundenen puerperal erkranken, wie wir dies im Monat October 1846 in der Prager Gebäranstalt beobachteten, wo wir an einem Tage 13 Erkrankungen zählten" (I. Auflage, Band III., Seite 462, II. Auflage, Band II., Seite 1009) --
Wenn Scanzoni so grossartige Erfahrungen machen konnte, so entnimmt daraus der trauernde Menschenfreund, welch eine entsetzliche Verschwendung an Menschenleben auch im Prager Gebärhause stattgefunden, und das sind nur die Mütter, und wo ist erst die Legion der Kinder, die durch ihre Mütter in- ficirt, kaum geboren, an derselben Blutentmischung sterben mussten.
Einen geringen Trost findet der Menschenfreund in dem Umstande, dass, obwohl die kleinst mögliche Sterblichkeit nicht erreicht wurde, es doch in den 15 Monaten, deren Rapporte uns Scanzoni mittheilt, besser ging, als vor dieser Zeit, denn selbst bei einer Sterblichkeit, wie sie Scanzoni während die- ser 15 Monate ausweiset, sind so grossartige Erfahrungen nicht zu machen, abgesehen davon, dass Scanzoni während der 7 Jahre seiner Dienstleistung in den Prager Krankenanstalten immer nur einen Theil der vorgenommenen Puerperalfieber- fälle beobachten konnte; so lange er Assistent war, sind seiner Beobachtung alle jene Fälle entgangen, welche er auf andere Abtheilungen transferirt, und während er Vorstand der gynae- cologischen Abtheilung war, konnte er nur die Fälle beobach- ten, welche auf diese Abtheilung transferirt wurden.
Und wie denn nicht, es führte ja zufällig viele Aerzte ihr Weg von Wien nach Prag, welche dort die von Dr. Semmel- weis empfohlenen Massregeln zur Verhütung des Puerperal- fiebers erzählten, und dadurch die das Prager Gebärhaus Be- suchenden vorsichtiger machten.
Wenn Scanzoni uns erzählen kann, »dass im Verlaufe einer Epidemie einzelne stürmische, kaltfeuchte Tage einen das häufigere und intensivere Auftreten von Krankheiten un- verkennbar begünstigenden Einfluss ausüben, so dass nicht selten alle in einer Gebäranstalt an einem bestimmten Tage Entbundenen puerperal erkranken, wie wir dies im Monat October 1846 in der Prager Gebäranstalt beobachteten, wo wir an einem Tage 13 Erkrankungen zählten« (I. Auflage, Band III., Seite 462, II. Auflage, Band II., Seite 1009) —
Wenn Scanzoni so grossartige Erfahrungen machen konnte, so entnimmt daraus der trauernde Menschenfreund, welch eine entsetzliche Verschwendung an Menschenleben auch im Prager Gebärhause stattgefunden, und das sind nur die Mütter, und wo ist erst die Legion der Kinder, die durch ihre Mütter in- ficirt, kaum geboren, an derselben Blutentmischung sterben mussten.
Einen geringen Trost findet der Menschenfreund in dem Umstande, dass, obwohl die kleinst mögliche Sterblichkeit nicht erreicht wurde, es doch in den 15 Monaten, deren Rapporte uns Scanzoni mittheilt, besser ging, als vor dieser Zeit, denn selbst bei einer Sterblichkeit, wie sie Scanzoni während die- ser 15 Monate ausweiset, sind so grossartige Erfahrungen nicht zu machen, abgesehen davon, dass Scanzoni während der 7 Jahre seiner Dienstleistung in den Prager Krankenanstalten immer nur einen Theil der vorgenommenen Puerperalfieber- fälle beobachten konnte; so lange er Assistent war, sind seiner Beobachtung alle jene Fälle entgangen, welche er auf andere Abtheilungen transferirt, und während er Vorstand der gynae- cologischen Abtheilung war, konnte er nur die Fälle beobach- ten, welche auf diese Abtheilung transferirt wurden.
Und wie denn nicht, es führte ja zufällig viele Aerzte ihr Weg von Wien nach Prag, welche dort die von Dr. Semmel- weis empfohlenen Massregeln zur Verhütung des Puerperal- fiebers erzählten, und dadurch die das Prager Gebärhaus Be- suchenden vorsichtiger machten.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0339"n="327"/><p>Wenn Scanzoni uns erzählen kann, »dass im Verlaufe<lb/>
einer Epidemie einzelne stürmische, kaltfeuchte Tage einen<lb/>
das häufigere und intensivere Auftreten von Krankheiten un-<lb/>
verkennbar begünstigenden Einfluss ausüben, so dass nicht<lb/>
selten alle in einer Gebäranstalt an einem bestimmten Tage<lb/>
Entbundenen puerperal erkranken, wie wir dies im Monat<lb/>
October 1846 in der Prager Gebäranstalt beobachteten, wo<lb/>
wir an einem Tage 13 Erkrankungen zählten« (I. Auflage,<lb/>
Band III., Seite 462, II. Auflage, Band II., Seite 1009) —</p><lb/><p>Wenn Scanzoni so grossartige Erfahrungen machen konnte,<lb/>
so entnimmt daraus der trauernde Menschenfreund, welch eine<lb/>
entsetzliche Verschwendung an Menschenleben auch im Prager<lb/>
Gebärhause stattgefunden, und das sind nur die Mütter, und<lb/>
wo ist erst die Legion der Kinder, die durch ihre Mütter in-<lb/>
ficirt, kaum geboren, an derselben Blutentmischung sterben<lb/>
mussten.</p><lb/><p>Einen geringen Trost findet der Menschenfreund in dem<lb/>
Umstande, dass, obwohl die kleinst mögliche Sterblichkeit<lb/>
nicht erreicht wurde, es doch in den 15 Monaten, deren Rapporte<lb/>
uns Scanzoni mittheilt, besser ging, als vor dieser Zeit, denn<lb/>
selbst bei einer Sterblichkeit, wie sie Scanzoni während die-<lb/>
ser 15 Monate ausweiset, sind so grossartige Erfahrungen<lb/>
nicht zu machen, abgesehen davon, dass Scanzoni während der<lb/>
7 Jahre seiner Dienstleistung in den Prager Krankenanstalten<lb/>
immer nur einen Theil der vorgenommenen Puerperalfieber-<lb/>
fälle beobachten konnte; so lange er Assistent war, sind seiner<lb/>
Beobachtung alle jene Fälle entgangen, welche er auf andere<lb/>
Abtheilungen transferirt, und während er Vorstand der gynae-<lb/>
cologischen Abtheilung war, konnte er nur die Fälle beobach-<lb/>
ten, welche auf diese Abtheilung transferirt wurden.</p><lb/><p>Und wie denn nicht, es führte ja zufällig viele Aerzte ihr<lb/>
Weg von Wien nach Prag, welche dort die von Dr. Semmel-<lb/>
weis empfohlenen Massregeln zur Verhütung des Puerperal-<lb/>
fiebers erzählten, und dadurch die das Prager Gebärhaus Be-<lb/>
suchenden vorsichtiger machten.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[327/0339]
Wenn Scanzoni uns erzählen kann, »dass im Verlaufe
einer Epidemie einzelne stürmische, kaltfeuchte Tage einen
das häufigere und intensivere Auftreten von Krankheiten un-
verkennbar begünstigenden Einfluss ausüben, so dass nicht
selten alle in einer Gebäranstalt an einem bestimmten Tage
Entbundenen puerperal erkranken, wie wir dies im Monat
October 1846 in der Prager Gebäranstalt beobachteten, wo
wir an einem Tage 13 Erkrankungen zählten« (I. Auflage,
Band III., Seite 462, II. Auflage, Band II., Seite 1009) —
Wenn Scanzoni so grossartige Erfahrungen machen konnte,
so entnimmt daraus der trauernde Menschenfreund, welch eine
entsetzliche Verschwendung an Menschenleben auch im Prager
Gebärhause stattgefunden, und das sind nur die Mütter, und
wo ist erst die Legion der Kinder, die durch ihre Mütter in-
ficirt, kaum geboren, an derselben Blutentmischung sterben
mussten.
Einen geringen Trost findet der Menschenfreund in dem
Umstande, dass, obwohl die kleinst mögliche Sterblichkeit
nicht erreicht wurde, es doch in den 15 Monaten, deren Rapporte
uns Scanzoni mittheilt, besser ging, als vor dieser Zeit, denn
selbst bei einer Sterblichkeit, wie sie Scanzoni während die-
ser 15 Monate ausweiset, sind so grossartige Erfahrungen
nicht zu machen, abgesehen davon, dass Scanzoni während der
7 Jahre seiner Dienstleistung in den Prager Krankenanstalten
immer nur einen Theil der vorgenommenen Puerperalfieber-
fälle beobachten konnte; so lange er Assistent war, sind seiner
Beobachtung alle jene Fälle entgangen, welche er auf andere
Abtheilungen transferirt, und während er Vorstand der gynae-
cologischen Abtheilung war, konnte er nur die Fälle beobach-
ten, welche auf diese Abtheilung transferirt wurden.
Und wie denn nicht, es führte ja zufällig viele Aerzte ihr
Weg von Wien nach Prag, welche dort die von Dr. Semmel-
weis empfohlenen Massregeln zur Verhütung des Puerperal-
fiebers erzählten, und dadurch die das Prager Gebärhaus Be-
suchenden vorsichtiger machten.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/339>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.