und 518 Todten schwankte, im Jahre 1848 auf 45 Todte her- abgedrückt, als Beweis, dass der zersetzte Stoff nicht nur an der Hand anwesend, sondern auch die Ursache des Puerperal- fiebers gewesen sei. Denn wäre die Sterblichkeit innerhalb dieser sechs Jahre durch epidemische Einflüsse bedingt ge- wesen, so hätten wir den an der Hand klebenden zersetzten Stoff wohl durch Chlorwaschungen zerstören, aber dadurch die Sterblichkeit nicht vermindern können.
In seiner Opposition gegen die Versuche an Thieren sagt Scanzoni: Die deletaeren Stoffe, wenn sie ja an den Fingern der Untersuchenden haften, werden nie in so grosser Menge eingeführt, als es bei den Experimenten geschah; das ist wohl wahr, aber auf die Menge kommt es gewiss nicht an; wenn auch viel eingebracht wird, so wird von dem Vieleingebrach- ten gewiss nur wenig resorbirt, und die Thiere pflegten, wenn selbe nach gemachter Einspritzung wieder freigelassen wur- den, das eingespritzte wieder auszupressen, so dass gewiss nur einzelne Atome zurückblieben; uns ist keine Methode bekannt, durch welche es gelingen würde, eine so geringe Menge deletaerer Stoffe, welche gar nicht sichtbar, sondern nur durch den Geruchssinn erkennbar ist, so kleinen Thieren, wie Kaninchen, beizubringen.
Wenn Scanzoni sagt, dass deletaere Stoffe den Individuen nicht so oft eingebracht werden, als es bei den Experimenten geschah, so ist das ein Irrthum.
Der Leser erinnert sich, dass wir uns das Factum, dass Kreissende mit verzögerter Eröffnungsperiode beinahe aus- nahmslos sämmtlich an Puerperalfieber starben, nicht erklä- ren konnten, so lange wir nicht die wahre Ursache des Puer- peralfiebers kannten. Dass aber die Erklärung dieses Factums keinen Schwierigkeiten unterlag, sobald wir wussten, dass das Puerperalfieber auch durch die Resorption des zersetzten Stoffes entstehe, welcher an den Händen der Untersuchen- den klebt.
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und 518 Todten schwankte, im Jahre 1848 auf 45 Todte her- abgedrückt, als Beweis, dass der zersetzte Stoff nicht nur an der Hand anwesend, sondern auch die Ursache des Puerperal- fiebers gewesen sei. Denn wäre die Sterblichkeit innerhalb dieser sechs Jahre durch epidemische Einflüsse bedingt ge- wesen, so hätten wir den an der Hand klebenden zersetzten Stoff wohl durch Chlorwaschungen zerstören, aber dadurch die Sterblichkeit nicht vermindern können.
In seiner Opposition gegen die Versuche an Thieren sagt Scanzoni: Die deletaeren Stoffe, wenn sie ja an den Fingern der Untersuchenden haften, werden nie in so grosser Menge eingeführt, als es bei den Experimenten geschah; das ist wohl wahr, aber auf die Menge kommt es gewiss nicht an; wenn auch viel eingebracht wird, so wird von dem Vieleingebrach- ten gewiss nur wenig resorbirt, und die Thiere pflegten, wenn selbe nach gemachter Einspritzung wieder freigelassen wur- den, das eingespritzte wieder auszupressen, so dass gewiss nur einzelne Atome zurückblieben; uns ist keine Methode bekannt, durch welche es gelingen würde, eine so geringe Menge deletaerer Stoffe, welche gar nicht sichtbar, sondern nur durch den Geruchssinn erkennbar ist, so kleinen Thieren, wie Kaninchen, beizubringen.
Wenn Scanzoni sagt, dass deletaere Stoffe den Individuen nicht so oft eingebracht werden, als es bei den Experimenten geschah, so ist das ein Irrthum.
Der Leser erinnert sich, dass wir uns das Factum, dass Kreissende mit verzögerter Eröffnungsperiode beinahe aus- nahmslos sämmtlich an Puerperalfieber starben, nicht erklä- ren konnten, so lange wir nicht die wahre Ursache des Puer- peralfiebers kannten. Dass aber die Erklärung dieses Factums keinen Schwierigkeiten unterlag, sobald wir wussten, dass das Puerperalfieber auch durch die Resorption des zersetzten Stoffes entstehe, welcher an den Händen der Untersuchen- den klebt.
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und 518 Todten schwankte, im Jahre 1848 auf 45 Todte her-
abgedrückt, als Beweis, dass der zersetzte Stoff nicht nur an
der Hand anwesend, sondern auch die Ursache des Puerperal-
fiebers gewesen sei. Denn wäre die Sterblichkeit innerhalb
dieser sechs Jahre durch epidemische Einflüsse bedingt ge-
wesen, so hätten wir den an der Hand klebenden zersetzten
Stoff wohl durch Chlorwaschungen zerstören, aber dadurch
die Sterblichkeit nicht vermindern können.
In seiner Opposition gegen die Versuche an Thieren sagt
Scanzoni: Die deletaeren Stoffe, wenn sie ja an den Fingern
der Untersuchenden haften, werden nie in so grosser Menge
eingeführt, als es bei den Experimenten geschah; das ist wohl
wahr, aber auf die Menge kommt es gewiss nicht an; wenn
auch viel eingebracht wird, so wird von dem Vieleingebrach-
ten gewiss nur wenig resorbirt, und die Thiere pflegten, wenn
selbe nach gemachter Einspritzung wieder freigelassen wur-
den, das eingespritzte wieder auszupressen, so dass gewiss
nur einzelne Atome zurückblieben; uns ist keine Methode
bekannt, durch welche es gelingen würde, eine so geringe
Menge deletaerer Stoffe, welche gar nicht sichtbar, sondern
nur durch den Geruchssinn erkennbar ist, so kleinen Thieren,
wie Kaninchen, beizubringen.
Wenn Scanzoni sagt, dass deletaere Stoffe den Individuen
nicht so oft eingebracht werden, als es bei den Experimenten
geschah, so ist das ein Irrthum.
Der Leser erinnert sich, dass wir uns das Factum, dass
Kreissende mit verzögerter Eröffnungsperiode beinahe aus-
nahmslos sämmtlich an Puerperalfieber starben, nicht erklä-
ren konnten, so lange wir nicht die wahre Ursache des Puer-
peralfiebers kannten. Dass aber die Erklärung dieses Factums
keinen Schwierigkeiten unterlag, sobald wir wussten, dass
das Puerperalfieber auch durch die Resorption des zersetzten
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/351>, abgerufen am 22.11.2024.
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