Die eigentliche prädisponirende Ursache des Kindbettfie- bers ist alles das, was eine resorbirende Fläche für den zu re- sorbirenden deletaeren Stoff schafft.
Sicher gehört die Schwangerschaft, aber nicht wegen der eigenthümlichen Blutmischung der Schwangeren, sondern deshalb, weil durch die Schwangerschaft die innere Fläche der Gebärmutter der Schleimhaut verlustig wird, und dadurch eine resorbirende Fläche für den zu resorbirenden deletaeren Stoff geschaffen wird; hieher gehört das schlechte Unterstü- tzen des Mittelfleisches, wodurch in Folge des Mittelfleisch- risses eine resorbirende Fläche geschaffen wird, hieher gehört der Stich bei Anatomen und Chirurgen, hieher gehört die durch eine Operation gebildete Wundfläche etc. etc. etc.
Scanzoni geht nun zur Aetiologie des Kindbettfiebers über und sagt, vor allem Andern komme das epidemische Auftreten des Kindbettfiebers in Betracht, und um zu bewei- sen, dass das Puerperalfieber auch epidemischen Ursprungs sein könne, beruft er sich auf die Geschichte des Puerperal- fiebers, welche lehre, dass das Puerperalfieber zu gewissen Zeiten in grösserer oder geringerer geographischer Ausbrei- tung vorkomme. Wenn Scanzoni sich auf die Geschichte des Puerperalfiebers beruft, um zu beweisen, dass das Puerperal- fieber epidemischen Ursprungs sei, so entnehmen wir daraus, dass Scanzoni entweder nie eine Geschichte des Puerperalfie- bers gelesen, oder wenn er eine gelesen, so hat er selbe mit demselben Verständnisse gelesen, mit welchem er alles das, was zu Gunsten unserer Lehre bis zum Jahre 1853 erschien, gelesen oder nicht gelesen hat.
Die Geschichte des Puerperalfiebers stellt im Gegen- theile fest, dass das Puerperalfieber vorzüglich an Gebärhäu- ser gebunden sei, und dass es nie in solcher Ausdehnung ausserhalb der Gebärhäuser vorkomme, wie innerhalb der Ge- bärhäuser; das Puerperalfieber kommt ausserhalb des Gebär- hauses wohl nicht in dieser Ausdehnung vor, wie innerhalb der Gebärhäuser, aber das Kindbettfieber kommt auch aus-
Die eigentliche prädisponirende Ursache des Kindbettfie- bers ist alles das, was eine resorbirende Fläche für den zu re- sorbirenden deletaeren Stoff schafft.
Sicher gehört die Schwangerschaft, aber nicht wegen der eigenthümlichen Blutmischung der Schwangeren, sondern deshalb, weil durch die Schwangerschaft die innere Fläche der Gebärmutter der Schleimhaut verlustig wird, und dadurch eine resorbirende Fläche für den zu resorbirenden deletaeren Stoff geschaffen wird; hieher gehört das schlechte Unterstü- tzen des Mittelfleisches, wodurch in Folge des Mittelfleisch- risses eine resorbirende Fläche geschaffen wird, hieher gehört der Stich bei Anatomen und Chirurgen, hieher gehört die durch eine Operation gebildete Wundfläche etc. etc. etc.
Scanzoni geht nun zur Aetiologie des Kindbettfiebers über und sagt, vor allem Andern komme das epidemische Auftreten des Kindbettfiebers in Betracht, und um zu bewei- sen, dass das Puerperalfieber auch epidemischen Ursprungs sein könne, beruft er sich auf die Geschichte des Puerperal- fiebers, welche lehre, dass das Puerperalfieber zu gewissen Zeiten in grösserer oder geringerer geographischer Ausbrei- tung vorkomme. Wenn Scanzoni sich auf die Geschichte des Puerperalfiebers beruft, um zu beweisen, dass das Puerperal- fieber epidemischen Ursprungs sei, so entnehmen wir daraus, dass Scanzoni entweder nie eine Geschichte des Puerperalfie- bers gelesen, oder wenn er eine gelesen, so hat er selbe mit demselben Verständnisse gelesen, mit welchem er alles das, was zu Gunsten unserer Lehre bis zum Jahre 1853 erschien, gelesen oder nicht gelesen hat.
Die Geschichte des Puerperalfiebers stellt im Gegen- theile fest, dass das Puerperalfieber vorzüglich an Gebärhäu- ser gebunden sei, und dass es nie in solcher Ausdehnung ausserhalb der Gebärhäuser vorkomme, wie innerhalb der Ge- bärhäuser; das Puerperalfieber kommt ausserhalb des Gebär- hauses wohl nicht in dieser Ausdehnung vor, wie innerhalb der Gebärhäuser, aber das Kindbettfieber kommt auch aus-
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Die eigentliche prädisponirende Ursache des Kindbettfie-
bers ist alles das, was eine resorbirende Fläche für den zu re-
sorbirenden deletaeren Stoff schafft.
Sicher gehört die Schwangerschaft, aber nicht wegen der
eigenthümlichen Blutmischung der Schwangeren, sondern
deshalb, weil durch die Schwangerschaft die innere Fläche
der Gebärmutter der Schleimhaut verlustig wird, und dadurch
eine resorbirende Fläche für den zu resorbirenden deletaeren
Stoff geschaffen wird; hieher gehört das schlechte Unterstü-
tzen des Mittelfleisches, wodurch in Folge des Mittelfleisch-
risses eine resorbirende Fläche geschaffen wird, hieher gehört
der Stich bei Anatomen und Chirurgen, hieher gehört die
durch eine Operation gebildete Wundfläche etc. etc. etc.
Scanzoni geht nun zur Aetiologie des Kindbettfiebers
über und sagt, vor allem Andern komme das epidemische
Auftreten des Kindbettfiebers in Betracht, und um zu bewei-
sen, dass das Puerperalfieber auch epidemischen Ursprungs
sein könne, beruft er sich auf die Geschichte des Puerperal-
fiebers, welche lehre, dass das Puerperalfieber zu gewissen
Zeiten in grösserer oder geringerer geographischer Ausbrei-
tung vorkomme. Wenn Scanzoni sich auf die Geschichte des
Puerperalfiebers beruft, um zu beweisen, dass das Puerperal-
fieber epidemischen Ursprungs sei, so entnehmen wir daraus,
dass Scanzoni entweder nie eine Geschichte des Puerperalfie-
bers gelesen, oder wenn er eine gelesen, so hat er selbe mit
demselben Verständnisse gelesen, mit welchem er alles das,
was zu Gunsten unserer Lehre bis zum Jahre 1853 erschien,
gelesen oder nicht gelesen hat.
Die Geschichte des Puerperalfiebers stellt im Gegen-
theile fest, dass das Puerperalfieber vorzüglich an Gebärhäu-
ser gebunden sei, und dass es nie in solcher Ausdehnung
ausserhalb der Gebärhäuser vorkomme, wie innerhalb der Ge-
bärhäuser; das Puerperalfieber kommt ausserhalb des Gebär-
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/372>, abgerufen am 22.11.2024.
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