neren Geschlechtstheilen der Wöchnerinnen derart, als sie nur zwischen zwei Zimmern sein kann, die eine gemeinschaftliche Thüre haben, und wahrhaftig die Wöchnerinnen würden im Secirsaale keiner solchen Gefahr ausgesetzt sein, als sie es im Gebärhause selbst sind, denn der Untersuchende würde sich gewiss scheuen eine Gebärende mit jener Hand zu unter- suchen, welche früher nasse, blutige Muskelschichten geord- net hat, er würde sich daher gewiss die Hände früher reini- gen; da aber die Wöchnerinnen unglücklicher Weise im Ge- bärhause sein müssen, und nicht im Sectionssaale, daher ein solcher Rigorosant sich vom Sectionssaal entfernen muss, um seine Inspection fortzusetzen, so trocknet die Hand an der Luft, oder sie wird dadurch trocken, dass er sie einige Mal in die Tasche gesteckt hat, bis er in's Gebärhaus kommt, und unter- sucht dann ebenfalls mit jener Nachlässigkeit, wie mein Bru- der. Daher es mir auch jetzt nicht mehr räthselhaft ist, warum bei einer stattgehabten Untersuchung der Herr Stadtphysicus von Gratz ausrief: Die Gebärhäuser sind wahre Mordanstal- ten. Ich fragte hierauf den Schuldiener, was das zu bedeuten habe. Er antwortete mir, als handelte es sich um die geringste Sache von der Welt: "No jo, es liegen halt wieder a paar Wöchnerinnen auf der Pritschen drin, wie die Löwen." Es sind zwar nur Muthmassungen, die ich hier angeführt, aus welchen aber hervorgeht, dass man vollkommen berechtiget ist zu sagen, das Puerperalfieber ist die Folge einer Re- sorption.
"Und nun erlauben Sie mir, Euer Hochwohlgeboren Herr Professor, die Bitte hinzufügen zu dürfen, es zu entschuldi- gen, dass ich so frei war, Sie mit diesem meinem Schreiben belästiget zu haben, aber die Wahrheit Ihrer Vorträge weck- ten diese Muthmassungen in mir, und ich konnte nicht umhin, Sie, werthester Herr Professor, davon zu benachrichtigen.
"Ich verbleibe mit Achtung Ihr stets dankbarer Schüler."
Sie sehen, Herr Hofrath, dass einige Wochen dauernde theoretische Vorträge über die Entstehung und Verhütung des
neren Geschlechtstheilen der Wöchnerinnen derart, als sie nur zwischen zwei Zimmern sein kann, die eine gemeinschaftliche Thüre haben, und wahrhaftig die Wöchnerinnen würden im Secirsaale keiner solchen Gefahr ausgesetzt sein, als sie es im Gebärhause selbst sind, denn der Untersuchende würde sich gewiss scheuen eine Gebärende mit jener Hand zu unter- suchen, welche früher nasse, blutige Muskelschichten geord- net hat, er würde sich daher gewiss die Hände früher reini- gen; da aber die Wöchnerinnen unglücklicher Weise im Ge- bärhause sein müssen, und nicht im Sectionssaale, daher ein solcher Rigorosant sich vom Sectionssaal entfernen muss, um seine Inspection fortzusetzen, so trocknet die Hand an der Luft, oder sie wird dadurch trocken, dass er sie einige Mal in die Tasche gesteckt hat, bis er in’s Gebärhaus kommt, und unter- sucht dann ebenfalls mit jener Nachlässigkeit, wie mein Bru- der. Daher es mir auch jetzt nicht mehr räthselhaft ist, warum bei einer stattgehabten Untersuchung der Herr Stadtphysicus von Gratz ausrief: Die Gebärhäuser sind wahre Mordanstal- ten. Ich fragte hierauf den Schuldiener, was das zu bedeuten habe. Er antwortete mir, als handelte es sich um die geringste Sache von der Welt: »No jo, es liegen halt wieder a paar Wöchnerinnen auf der Pritschen drin, wie die Löwen.« Es sind zwar nur Muthmassungen, die ich hier angeführt, aus welchen aber hervorgeht, dass man vollkommen berechtiget ist zu sagen, das Puerperalfieber ist die Folge einer Re- sorption.
»Und nun erlauben Sie mir, Euer Hochwohlgeboren Herr Professor, die Bitte hinzufügen zu dürfen, es zu entschuldi- gen, dass ich so frei war, Sie mit diesem meinem Schreiben belästiget zu haben, aber die Wahrheit Ihrer Vorträge weck- ten diese Muthmassungen in mir, und ich konnte nicht umhin, Sie, werthester Herr Professor, davon zu benachrichtigen.
»Ich verbleibe mit Achtung Ihr stets dankbarer Schüler.«
Sie sehen, Herr Hofrath, dass einige Wochen dauernde theoretische Vorträge über die Entstehung und Verhütung des
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neren Geschlechtstheilen der Wöchnerinnen derart, als sie nur
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Thüre haben, und wahrhaftig die Wöchnerinnen würden im
Secirsaale keiner solchen Gefahr ausgesetzt sein, als sie es
im Gebärhause selbst sind, denn der Untersuchende würde
sich gewiss scheuen eine Gebärende mit jener Hand zu unter-
suchen, welche früher nasse, blutige Muskelschichten geord-
net hat, er würde sich daher gewiss die Hände früher reini-
gen; da aber die Wöchnerinnen unglücklicher Weise im Ge-
bärhause sein müssen, und nicht im Sectionssaale, daher ein
solcher Rigorosant sich vom Sectionssaal entfernen muss, um
seine Inspection fortzusetzen, so trocknet die Hand an der Luft,
oder sie wird dadurch trocken, dass er sie einige Mal in die
Tasche gesteckt hat, bis er in’s Gebärhaus kommt, und unter-
sucht dann ebenfalls mit jener Nachlässigkeit, wie mein Bru-
der. Daher es mir auch jetzt nicht mehr räthselhaft ist, warum
bei einer stattgehabten Untersuchung der Herr Stadtphysicus
von Gratz ausrief: Die Gebärhäuser sind wahre Mordanstal-
ten. Ich fragte hierauf den Schuldiener, was das zu bedeuten
habe. Er antwortete mir, als handelte es sich um die geringste
Sache von der Welt: »No jo, es liegen halt wieder a paar
Wöchnerinnen auf der Pritschen drin, wie die Löwen.« Es
sind zwar nur Muthmassungen, die ich hier angeführt, aus
welchen aber hervorgeht, dass man vollkommen berechtiget
ist zu sagen, das Puerperalfieber ist die Folge einer Re-
sorption.
»Und nun erlauben Sie mir, Euer Hochwohlgeboren Herr
Professor, die Bitte hinzufügen zu dürfen, es zu entschuldi-
gen, dass ich so frei war, Sie mit diesem meinem Schreiben
belästiget zu haben, aber die Wahrheit Ihrer Vorträge weck-
ten diese Muthmassungen in mir, und ich konnte nicht umhin,
Sie, werthester Herr Professor, davon zu benachrichtigen.
»Ich verbleibe mit Achtung Ihr stets dankbarer Schüler.«
Sie sehen, Herr Hofrath, dass einige Wochen dauernde
theoretische Vorträge über die Entstehung und Verhütung des
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/424>, abgerufen am 24.11.2024.
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