Kindbettfiebers hingereicht haben, diesen Candidaten der Chi- rurgie in dem Grade aufzuklären, dass er gleich eine vollkom- men gelungene Anwendung des eben Gelernten machen konnte, und für Sie, Herr Hofrath, der Sie für den ersten Geburtshel- fer Deutschlands gelten, waren beinahe 13 Jahre nicht hin- reichend, Sie von den einmal einstudirten Irrthümern zu befreien.
Freilich ist der gewaltige Unterschied, welcher zwischen Ihnen, Herr Hofrath, und zwischen diesem Candidaten der Chi- rurgie besteht, nicht zu übersehen, dieser Candidat der Chi- rurgie kommt in die Schule mit dem Bewusstsein, dass er über die Aetiologie und die Prophylaxis des Kindbettfiebers nichts weiss, Ihnen, Herr Hofrath, fehlt wie natürlich dieses Bewusstsein, und deshalb sind Sie so schwer zu belehren.
Und wenn ich mir in meiner Phantasie vergegenwärtige, was denn geschehen wäre, wenn das Schicksal diesen Candi- daten der Chirurgie in Ihre Stellung, Herr Hofrath, gebracht hätte, so glaube ich, dass die Gauen Deutschlands weniger wiederhallen würden vom Stöhnen der an Kindbettfieber ster- benden Wöchnerinnen, erzeugt durch Ihre Schüler und Schü- lerinnen, die Sie aus der Prager und Würzburger geburtshilf- lichen Lehranstalt als so kolossale Ignoranten über die Ent- stehung und Verhütung des Kindbettfiebers in's praktische Leben gesendet haben. Als Schriftsteller würde er den über- lieferten Unsinn, den man bisher die Aetiologie des Puerpe- ralfiebers nannte, nicht so gläubig nachgeschrieben haben, er würde daher Aerzte, welche in seinen Schriften Belehrung über Puerperalfieber suchen, nicht in ihrem gefährlichen Irr- thume zum Verderben ihrer Pflegebefohlenen bestärkt haben, er würde als Schriftsteller so hartnäckig an meiner Seite ge- kämpft haben, als Sie es gegen mich thun, als Mitglied der medicinischen Facultät zu Würzburg hätte er die Krönung der Dr. Silberschmidt'schen Schrift verhindert, und was Sie, Herr Hofrath, als praktischer Arzt an der Menschheit gefre- velt, darüber kann ich nichts berichten, denn das schweigt
Kindbettfiebers hingereicht haben, diesen Candidaten der Chi- rurgie in dem Grade aufzuklären, dass er gleich eine vollkom- men gelungene Anwendung des eben Gelernten machen konnte, und für Sie, Herr Hofrath, der Sie für den ersten Geburtshel- fer Deutschlands gelten, waren beinahe 13 Jahre nicht hin- reichend, Sie von den einmal einstudirten Irrthümern zu befreien.
Freilich ist der gewaltige Unterschied, welcher zwischen Ihnen, Herr Hofrath, und zwischen diesem Candidaten der Chi- rurgie besteht, nicht zu übersehen, dieser Candidat der Chi- rurgie kommt in die Schule mit dem Bewusstsein, dass er über die Aetiologie und die Prophylaxis des Kindbettfiebers nichts weiss, Ihnen, Herr Hofrath, fehlt wie natürlich dieses Bewusstsein, und deshalb sind Sie so schwer zu belehren.
Und wenn ich mir in meiner Phantasie vergegenwärtige, was denn geschehen wäre, wenn das Schicksal diesen Candi- daten der Chirurgie in Ihre Stellung, Herr Hofrath, gebracht hätte, so glaube ich, dass die Gauen Deutschlands weniger wiederhallen würden vom Stöhnen der an Kindbettfieber ster- benden Wöchnerinnen, erzeugt durch Ihre Schüler und Schü- lerinnen, die Sie aus der Prager und Würzburger geburtshilf- lichen Lehranstalt als so kolossale Ignoranten über die Ent- stehung und Verhütung des Kindbettfiebers in’s praktische Leben gesendet haben. Als Schriftsteller würde er den über- lieferten Unsinn, den man bisher die Aetiologie des Puerpe- ralfiebers nannte, nicht so gläubig nachgeschrieben haben, er würde daher Aerzte, welche in seinen Schriften Belehrung über Puerperalfieber suchen, nicht in ihrem gefährlichen Irr- thume zum Verderben ihrer Pflegebefohlenen bestärkt haben, er würde als Schriftsteller so hartnäckig an meiner Seite ge- kämpft haben, als Sie es gegen mich thun, als Mitglied der medicinischen Facultät zu Würzburg hätte er die Krönung der Dr. Silberschmidt’schen Schrift verhindert, und was Sie, Herr Hofrath, als praktischer Arzt an der Menschheit gefre- velt, darüber kann ich nichts berichten, denn das schweigt
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Kindbettfiebers hingereicht haben, diesen Candidaten der Chi-
rurgie in dem Grade aufzuklären, dass er gleich eine vollkom-
men gelungene Anwendung des eben Gelernten machen konnte,
und für Sie, Herr Hofrath, der Sie für den ersten Geburtshel-
fer Deutschlands gelten, waren beinahe 13 Jahre nicht hin-
reichend, Sie von den einmal einstudirten Irrthümern zu
befreien.
Freilich ist der gewaltige Unterschied, welcher zwischen
Ihnen, Herr Hofrath, und zwischen diesem Candidaten der Chi-
rurgie besteht, nicht zu übersehen, dieser Candidat der Chi-
rurgie kommt in die Schule mit dem Bewusstsein, dass er
über die Aetiologie und die Prophylaxis des Kindbettfiebers
nichts weiss, Ihnen, Herr Hofrath, fehlt wie natürlich dieses
Bewusstsein, und deshalb sind Sie so schwer zu belehren.
Und wenn ich mir in meiner Phantasie vergegenwärtige,
was denn geschehen wäre, wenn das Schicksal diesen Candi-
daten der Chirurgie in Ihre Stellung, Herr Hofrath, gebracht
hätte, so glaube ich, dass die Gauen Deutschlands weniger
wiederhallen würden vom Stöhnen der an Kindbettfieber ster-
benden Wöchnerinnen, erzeugt durch Ihre Schüler und Schü-
lerinnen, die Sie aus der Prager und Würzburger geburtshilf-
lichen Lehranstalt als so kolossale Ignoranten über die Ent-
stehung und Verhütung des Kindbettfiebers in’s praktische
Leben gesendet haben. Als Schriftsteller würde er den über-
lieferten Unsinn, den man bisher die Aetiologie des Puerpe-
ralfiebers nannte, nicht so gläubig nachgeschrieben haben, er
würde daher Aerzte, welche in seinen Schriften Belehrung
über Puerperalfieber suchen, nicht in ihrem gefährlichen Irr-
thume zum Verderben ihrer Pflegebefohlenen bestärkt haben,
er würde als Schriftsteller so hartnäckig an meiner Seite ge-
kämpft haben, als Sie es gegen mich thun, als Mitglied der
medicinischen Facultät zu Würzburg hätte er die Krönung
der Dr. Silberschmidt’schen Schrift verhindert, und was Sie,
Herr Hofrath, als praktischer Arzt an der Menschheit gefre-
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/425>, abgerufen am 24.11.2024.
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