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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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Grundfalsch. Kiwisch verpflegte 102 Wöchnerinnen, folg-
lich hatte er 26 % Sterblichkeit, im Wiener Gebärhause wur-
den im Jahre 1842 verpflegt 6024 Wöchnerinnen, folglich
starben 12 % Wöchnerinnen, die Sterblichkeit war daher im
Wiener Gebärhause bei 730 Todten um 14 % günstiger als bei
Kiwisch mit 27 Todten.

Im März 1849 wurden verpflegt 406 Wöchnerinnen, da-
von starben 20, d. i. 4,92 %. Die wahre exacte Wissenschaft
fordert, dass nicht 1 Wöchnerin von 100 Wöchnerinnen am Kind-
bettfieber sterbe, wenn daher von 406 Wöchnerinnen 20 am
Kindbettfieber gestorben sind, so sind wenigstens 17 Wöch-
nerinnen gestorben, welche hätten gerettet werden können.
Wenn wir diese Forderung der wahren Wissenschaft über die
Entstehung des Kindbettfiebers an die Leistungen Lumpe's
stellen, so zeigt sich, dass nur einmal, im Mai 1841, nicht eine
Wöchnerin von 100 Wöchnerinnen starb, dass in den übrigen
Monaten mehr weniger in dem Grade inficirt wurde, dass
durchschnittlich beinahe täglich eine Wöchnerin starb, welche
hätte gerettet werden können. Der Leser weiss, dass an der
I. Gebärklinik von Zeit zu Zeit massenhafte Transferirungen
erkrankter Wöchnerinnen vorgenommen wurden.

Die Einsichtsnahme der Acten über diese Transferirungen
wurde verweigert; wenn es mir gestattet gewesen wäre, von
diesen Acten Kenntniss zu nehmen, so könnte ich vielleicht
der unerbittlichen Lumpe'schen Logik und der Lumpe'schen
exacten Wissenschaft sagen, gerade in den Monaten, wo sich das
Leichengift so milde wie Mandelmilch verhalten, wurden so
und so viele hundert erkrankte Wöchnerinnen ins Kranken-
haus transferirt. Dass während Lumpe's Dienstzeit massen-
hafte Transferirungen vorgenommen wurden, ist Thatsache;
eine Sterblichkeit, wo beinahe eine Wöchnerin täglich stirbt,
die hätte gerettet werden können, ist zu entsetzlich, als dass
selbe nicht zu Massregeln hätte Veranlassung geben sollen,
nur weiss ich nicht die Monate, in welchen die Transferirungen
geschahen; die Acten exsistiren noch, und der Leser kann

Grundfalsch. Kiwisch verpflegte 102 Wöchnerinnen, folg-
lich hatte er 26 % Sterblichkeit, im Wiener Gebärhause wur-
den im Jahre 1842 verpflegt 6024 Wöchnerinnen, folglich
starben 12 % Wöchnerinnen, die Sterblichkeit war daher im
Wiener Gebärhause bei 730 Todten um 14 % günstiger als bei
Kiwisch mit 27 Todten.

Im März 1849 wurden verpflegt 406 Wöchnerinnen, da-
von starben 20, d. i. 4,92 %. Die wahre exacte Wissenschaft
fordert, dass nicht 1 Wöchnerin von 100 Wöchnerinnen am Kind-
bettfieber sterbe, wenn daher von 406 Wöchnerinnen 20 am
Kindbettfieber gestorben sind, so sind wenigstens 17 Wöch-
nerinnen gestorben, welche hätten gerettet werden können.
Wenn wir diese Forderung der wahren Wissenschaft über die
Entstehung des Kindbettfiebers an die Leistungen Lumpe’s
stellen, so zeigt sich, dass nur einmal, im Mai 1841, nicht eine
Wöchnerin von 100 Wöchnerinnen starb, dass in den übrigen
Monaten mehr weniger in dem Grade inficirt wurde, dass
durchschnittlich beinahe täglich eine Wöchnerin starb, welche
hätte gerettet werden können. Der Leser weiss, dass an der
I. Gebärklinik von Zeit zu Zeit massenhafte Transferirungen
erkrankter Wöchnerinnen vorgenommen wurden.

Die Einsichtsnahme der Acten über diese Transferirungen
wurde verweigert; wenn es mir gestattet gewesen wäre, von
diesen Acten Kenntniss zu nehmen, so könnte ich vielleicht
der unerbittlichen Lumpe’schen Logik und der Lumpe’schen
exacten Wissenschaft sagen, gerade in den Monaten, wo sich das
Leichengift so milde wie Mandelmilch verhalten, wurden so
und so viele hundert erkrankte Wöchnerinnen ins Kranken-
haus transferirt. Dass während Lumpe’s Dienstzeit massen-
hafte Transferirungen vorgenommen wurden, ist Thatsache;
eine Sterblichkeit, wo beinahe eine Wöchnerin täglich stirbt,
die hätte gerettet werden können, ist zu entsetzlich, als dass
selbe nicht zu Massregeln hätte Veranlassung geben sollen,
nur weiss ich nicht die Monate, in welchen die Transferirungen
geschahen; die Acten exsistiren noch, und der Leser kann

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[447/0459] Grundfalsch. Kiwisch verpflegte 102 Wöchnerinnen, folg- lich hatte er 26 % Sterblichkeit, im Wiener Gebärhause wur- den im Jahre 1842 verpflegt 6024 Wöchnerinnen, folglich starben 12 % Wöchnerinnen, die Sterblichkeit war daher im Wiener Gebärhause bei 730 Todten um 14 % günstiger als bei Kiwisch mit 27 Todten. Im März 1849 wurden verpflegt 406 Wöchnerinnen, da- von starben 20, d. i. 4,92 %. Die wahre exacte Wissenschaft fordert, dass nicht 1 Wöchnerin von 100 Wöchnerinnen am Kind- bettfieber sterbe, wenn daher von 406 Wöchnerinnen 20 am Kindbettfieber gestorben sind, so sind wenigstens 17 Wöch- nerinnen gestorben, welche hätten gerettet werden können. Wenn wir diese Forderung der wahren Wissenschaft über die Entstehung des Kindbettfiebers an die Leistungen Lumpe’s stellen, so zeigt sich, dass nur einmal, im Mai 1841, nicht eine Wöchnerin von 100 Wöchnerinnen starb, dass in den übrigen Monaten mehr weniger in dem Grade inficirt wurde, dass durchschnittlich beinahe täglich eine Wöchnerin starb, welche hätte gerettet werden können. Der Leser weiss, dass an der I. Gebärklinik von Zeit zu Zeit massenhafte Transferirungen erkrankter Wöchnerinnen vorgenommen wurden. Die Einsichtsnahme der Acten über diese Transferirungen wurde verweigert; wenn es mir gestattet gewesen wäre, von diesen Acten Kenntniss zu nehmen, so könnte ich vielleicht der unerbittlichen Lumpe’schen Logik und der Lumpe’schen exacten Wissenschaft sagen, gerade in den Monaten, wo sich das Leichengift so milde wie Mandelmilch verhalten, wurden so und so viele hundert erkrankte Wöchnerinnen ins Kranken- haus transferirt. Dass während Lumpe’s Dienstzeit massen- hafte Transferirungen vorgenommen wurden, ist Thatsache; eine Sterblichkeit, wo beinahe eine Wöchnerin täglich stirbt, die hätte gerettet werden können, ist zu entsetzlich, als dass selbe nicht zu Massregeln hätte Veranlassung geben sollen, nur weiss ich nicht die Monate, in welchen die Transferirungen geschahen; die Acten exsistiren noch, und der Leser kann

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/459>, abgerufen am 22.11.2024.