Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

überzeugt sein, dass, falls die Acten gegen mich sprechen
sollten, deren Veröffentlichung nicht auf sich warten lassen
wird, unterbleibt die Veröffentlichung, so kann der Leser sicher
sein, dass selbe für mich zeugen.

Dr. Lumpe sagt: "Suchen wir noch die weiteren Con-
sequenzen, die sich aus dem Anpassen der angeregten Erklä-
rungsart auf festgestellte, unläugbare und -- ich brauche wohl
nicht hinzuzufügen -- mit gewissenhafter Treue zum Beweise
benützte Thatsachen ergeben."

Dr. Lumpe gibt nun eine Tabelle, aus welcher hervorgeht,
dass, je seltener die Gelegenheit war, die Hände zu verunrei-
nigen, desto grösser war die Sterblichkeit, und je häufiger die
Gelegenheit war, die Hände zu verunreinigen, desto geringer
war die Sterblichkeit; und sagt: "Wir wären somit in der Be-
weisführung ad absurdum gekommen."

Die festgestellte, unläugbare, mit gewissenhafter Treue
zum Beweise benützte Thatsache, welche bei dieser Tabelle
als Basis dient, ist die Annahme, dass die Schüler nur bei den
geburtshilflichen Cursen mit Uebungen an Leichen Gelegenheit
haben, sich die Hände zu verunreinigen; wie gänzlich falsch
diese Annahme sei, ist ja selbst Lumpe bekannt, denn er sagt
in demselben Aufsatze, dass die Candidaten zur Morgenvisite
directe aus der Leichenkammer von den Sectionen kommen.
Lumpe's Curse bestanden in sechswöchentlichen theoretischen
Vorträgen, welche durch je einstündige Uebungen am Ca-
daver in den letzten 3 Tagen geschlossen wurden.

Lumpe sagt, die grösste Sterblichkeit war im October
1840, es starben von 215 Wöchnerinnen 63, und er habe in
diesem Monate keinen Curs mit Uebungen an Leichen gehabt,
während der acht Monate aber, binnen welchen nicht 20 Wöch-
nerinnen starben, habe er ein bis zwei Uebungen am Cadaver
gehabt, ja im Mai 1842 habe er 4 Curse gehabt und doch nur
10 Wöchnerinnen verloren, während im Jänner 1842 in einem
Curse 64 Wöchnerinnen starben.

Wenn Lumpe auch im October 1840 keinen Curs mit

überzeugt sein, dass, falls die Acten gegen mich sprechen
sollten, deren Veröffentlichung nicht auf sich warten lassen
wird, unterbleibt die Veröffentlichung, so kann der Leser sicher
sein, dass selbe für mich zeugen.

Dr. Lumpe sagt: »Suchen wir noch die weiteren Con-
sequenzen, die sich aus dem Anpassen der angeregten Erklä-
rungsart auf festgestellte, unläugbare und — ich brauche wohl
nicht hinzuzufügen — mit gewissenhafter Treue zum Beweise
benützte Thatsachen ergeben.«

Dr. Lumpe gibt nun eine Tabelle, aus welcher hervorgeht,
dass, je seltener die Gelegenheit war, die Hände zu verunrei-
nigen, desto grösser war die Sterblichkeit, und je häufiger die
Gelegenheit war, die Hände zu verunreinigen, desto geringer
war die Sterblichkeit; und sagt: »Wir wären somit in der Be-
weisführung ad absurdum gekommen.«

Die festgestellte, unläugbare, mit gewissenhafter Treue
zum Beweise benützte Thatsache, welche bei dieser Tabelle
als Basis dient, ist die Annahme, dass die Schüler nur bei den
geburtshilflichen Cursen mit Uebungen an Leichen Gelegenheit
haben, sich die Hände zu verunreinigen; wie gänzlich falsch
diese Annahme sei, ist ja selbst Lumpe bekannt, denn er sagt
in demselben Aufsatze, dass die Candidaten zur Morgenvisite
directe aus der Leichenkammer von den Sectionen kommen.
Lumpe’s Curse bestanden in sechswöchentlichen theoretischen
Vorträgen, welche durch je einstündige Uebungen am Ca-
daver in den letzten 3 Tagen geschlossen wurden.

Lumpe sagt, die grösste Sterblichkeit war im October
1840, es starben von 215 Wöchnerinnen 63, und er habe in
diesem Monate keinen Curs mit Uebungen an Leichen gehabt,
während der acht Monate aber, binnen welchen nicht 20 Wöch-
nerinnen starben, habe er ein bis zwei Uebungen am Cadaver
gehabt, ja im Mai 1842 habe er 4 Curse gehabt und doch nur
10 Wöchnerinnen verloren, während im Jänner 1842 in einem
Curse 64 Wöchnerinnen starben.

Wenn Lumpe auch im October 1840 keinen Curs mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0460" n="448"/>
überzeugt sein, dass, falls die Acten gegen mich sprechen<lb/>
sollten, deren Veröffentlichung nicht auf sich warten lassen<lb/>
wird, unterbleibt die Veröffentlichung, so kann der Leser sicher<lb/>
sein, dass selbe für mich zeugen.</p><lb/>
        <p>Dr. Lumpe sagt: »Suchen wir noch die weiteren Con-<lb/>
sequenzen, die sich aus dem Anpassen der angeregten Erklä-<lb/>
rungsart auf festgestellte, unläugbare und &#x2014; ich brauche wohl<lb/>
nicht hinzuzufügen &#x2014; mit gewissenhafter Treue zum Beweise<lb/>
benützte Thatsachen ergeben.«</p><lb/>
        <p>Dr. Lumpe gibt nun eine Tabelle, aus welcher hervorgeht,<lb/>
dass, je seltener die Gelegenheit war, die Hände zu verunrei-<lb/>
nigen, desto grösser war die Sterblichkeit, und je häufiger die<lb/>
Gelegenheit war, die Hände zu verunreinigen, desto geringer<lb/>
war die Sterblichkeit; und sagt: »Wir wären somit in der Be-<lb/>
weisführung ad absurdum gekommen.«</p><lb/>
        <p>Die festgestellte, unläugbare, mit gewissenhafter Treue<lb/>
zum Beweise benützte Thatsache, welche bei dieser Tabelle<lb/>
als Basis dient, ist die Annahme, dass die Schüler nur bei den<lb/>
geburtshilflichen Cursen mit Uebungen an Leichen Gelegenheit<lb/>
haben, sich die Hände zu verunreinigen; wie gänzlich falsch<lb/>
diese Annahme sei, ist ja selbst Lumpe bekannt, denn er sagt<lb/>
in demselben Aufsatze, dass die Candidaten zur Morgenvisite<lb/>
directe aus der Leichenkammer von den Sectionen kommen.<lb/>
Lumpe&#x2019;s Curse bestanden in sechswöchentlichen theoretischen<lb/>
Vorträgen, welche durch je einstündige Uebungen am Ca-<lb/>
daver in den letzten 3 Tagen geschlossen wurden.</p><lb/>
        <p>Lumpe sagt, die grösste Sterblichkeit war im October<lb/>
1840, es starben von 215 Wöchnerinnen 63, und er habe in<lb/>
diesem Monate keinen Curs mit Uebungen an Leichen gehabt,<lb/>
während der acht Monate aber, binnen welchen nicht 20 Wöch-<lb/>
nerinnen starben, habe er ein bis zwei Uebungen am Cadaver<lb/>
gehabt, ja im Mai 1842 habe er 4 Curse gehabt und doch nur<lb/>
10 Wöchnerinnen verloren, während im Jänner 1842 in einem<lb/>
Curse 64 Wöchnerinnen starben.</p><lb/>
        <p>Wenn Lumpe auch im October 1840 keinen Curs mit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[448/0460] überzeugt sein, dass, falls die Acten gegen mich sprechen sollten, deren Veröffentlichung nicht auf sich warten lassen wird, unterbleibt die Veröffentlichung, so kann der Leser sicher sein, dass selbe für mich zeugen. Dr. Lumpe sagt: »Suchen wir noch die weiteren Con- sequenzen, die sich aus dem Anpassen der angeregten Erklä- rungsart auf festgestellte, unläugbare und — ich brauche wohl nicht hinzuzufügen — mit gewissenhafter Treue zum Beweise benützte Thatsachen ergeben.« Dr. Lumpe gibt nun eine Tabelle, aus welcher hervorgeht, dass, je seltener die Gelegenheit war, die Hände zu verunrei- nigen, desto grösser war die Sterblichkeit, und je häufiger die Gelegenheit war, die Hände zu verunreinigen, desto geringer war die Sterblichkeit; und sagt: »Wir wären somit in der Be- weisführung ad absurdum gekommen.« Die festgestellte, unläugbare, mit gewissenhafter Treue zum Beweise benützte Thatsache, welche bei dieser Tabelle als Basis dient, ist die Annahme, dass die Schüler nur bei den geburtshilflichen Cursen mit Uebungen an Leichen Gelegenheit haben, sich die Hände zu verunreinigen; wie gänzlich falsch diese Annahme sei, ist ja selbst Lumpe bekannt, denn er sagt in demselben Aufsatze, dass die Candidaten zur Morgenvisite directe aus der Leichenkammer von den Sectionen kommen. Lumpe’s Curse bestanden in sechswöchentlichen theoretischen Vorträgen, welche durch je einstündige Uebungen am Ca- daver in den letzten 3 Tagen geschlossen wurden. Lumpe sagt, die grösste Sterblichkeit war im October 1840, es starben von 215 Wöchnerinnen 63, und er habe in diesem Monate keinen Curs mit Uebungen an Leichen gehabt, während der acht Monate aber, binnen welchen nicht 20 Wöch- nerinnen starben, habe er ein bis zwei Uebungen am Cadaver gehabt, ja im Mai 1842 habe er 4 Curse gehabt und doch nur 10 Wöchnerinnen verloren, während im Jänner 1842 in einem Curse 64 Wöchnerinnen starben. Wenn Lumpe auch im October 1840 keinen Curs mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/460
Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/460>, abgerufen am 22.11.2024.