terricht, welcher so beschaffen ist, dass Virchow die Beobach- tung machen könnte, obwohl wir ihn beim Puerperalfieber als schlechten Beobachter kennen lernten, dass die grösste Menge der Epidemien in den Wintermonaten vorkomme, dass mit erysipelatösen, eroupösen, jauchigen und eitrigen Entzün- dungen gleichzeitig Puerperalfieber-Epidemien vorkommen; ein geburtshilflicher Unterricht, welcher so beschaffen ist, das Virchow im Jahre 1858 einen Vortrag halten konnte in der Ge- sellschaft für Geburtshilfe in Berlin über Puerperalfieber-Epi- demien, ohne dass sich auch nur eine einzige Stimme dagegen erhoben hätte, ein solcher geburtshilflicher Unterricht ist so grundschlecht, dass er unterdrückt werden muss, wenn er da- durch geläutert werden kann.
Wie soll denn der geburtshilfliche Unterricht nicht schlecht sein in Berlin, wenn Professor Schmidt an Nosoco- mialluft glaubt?
Professor Crede*) ist Epidemiker, und zur Bestätigung seiner Lehre schickte er im Wintersemester 1854--55 von 336 Wöchnerinnen 58 in andere Stationen, um dort zu sterben; seine Uebersiedelung nach Leipzig hat in seinen Ansichten nichts geändert, in Leipzig starben in drei Jahren von 594 Wöchnerinnen 20.
Busch's Nachfolger, Professor E. Martin,**) hat mir durch seinen Vortrag, gehalten am 9. November 1858 in der Ge- sellschaft für Geburtshilfe in Berlin "über Mutterröhrenent- zündung und Erguss des eiterigen Secretes in die Bauchhöhle als eine Ursache der Bauchfellentzündung bei Wöchnerinnen", die Ueberzeugung verschafft, dass die puerperale Sonne, welche in Wien im Jahre 1847 aufgegangen, seinen Geist noch nicht erleuchtet hat.
Die puerperalen Thrombosen (Seite 597).
Die puerperale Thrombose existirt im physiologischen Zu- stande nur in den Speculationen Virchow's, aber nicht im
*) Annalen des Charite-Krankenhauses, 8. Jahrgang, I. Heft, 1857.
**) Monatschrift für Geburtskunde, 1. Band, 1. Heft, 1859.
terricht, welcher so beschaffen ist, dass Virchow die Beobach- tung machen könnte, obwohl wir ihn beim Puerperalfieber als schlechten Beobachter kennen lernten, dass die grösste Menge der Epidemien in den Wintermonaten vorkomme, dass mit erysipelatösen, eroupösen, jauchigen und eitrigen Entzün- dungen gleichzeitig Puerperalfieber-Epidemien vorkommen; ein geburtshilflicher Unterricht, welcher so beschaffen ist, das Virchow im Jahre 1858 einen Vortrag halten konnte in der Ge- sellschaft für Geburtshilfe in Berlin über Puerperalfieber-Epi- demien, ohne dass sich auch nur eine einzige Stimme dagegen erhoben hätte, ein solcher geburtshilflicher Unterricht ist so grundschlecht, dass er unterdrückt werden muss, wenn er da- durch geläutert werden kann.
Wie soll denn der geburtshilfliche Unterricht nicht schlecht sein in Berlin, wenn Professor Schmidt an Nosoco- mialluft glaubt?
Professor Credé*) ist Epidemiker, und zur Bestätigung seiner Lehre schickte er im Wintersemester 1854—55 von 336 Wöchnerinnen 58 in andere Stationen, um dort zu sterben; seine Uebersiedelung nach Leipzig hat in seinen Ansichten nichts geändert, in Leipzig starben in drei Jahren von 594 Wöchnerinnen 20.
Busch’s Nachfolger, Professor E. Martin,**) hat mir durch seinen Vortrag, gehalten am 9. November 1858 in der Ge- sellschaft für Geburtshilfe in Berlin »über Mutterröhrenent- zündung und Erguss des eiterigen Secretes in die Bauchhöhle als eine Ursache der Bauchfellentzündung bei Wöchnerinnen«, die Ueberzeugung verschafft, dass die puerperale Sonne, welche in Wien im Jahre 1847 aufgegangen, seinen Geist noch nicht erleuchtet hat.
Die puerperalen Thrombosen (Seite 597).
Die puerperale Thrombose existirt im physiologischen Zu- stande nur in den Speculationen Virchow’s, aber nicht im
*) Annalen des Charité-Krankenhauses, 8. Jahrgang, I. Heft, 1857.
**) Monatschrift für Geburtskunde, 1. Band, 1. Heft, 1859.
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terricht, welcher so beschaffen ist, dass Virchow die Beobach-
tung machen könnte, obwohl wir ihn beim Puerperalfieber
als schlechten Beobachter kennen lernten, dass die grösste
Menge der Epidemien in den Wintermonaten vorkomme, dass
mit erysipelatösen, eroupösen, jauchigen und eitrigen Entzün-
dungen gleichzeitig Puerperalfieber-Epidemien vorkommen;
ein geburtshilflicher Unterricht, welcher so beschaffen ist, das
Virchow im Jahre 1858 einen Vortrag halten konnte in der Ge-
sellschaft für Geburtshilfe in Berlin über Puerperalfieber-Epi-
demien, ohne dass sich auch nur eine einzige Stimme dagegen
erhoben hätte, ein solcher geburtshilflicher Unterricht ist so
grundschlecht, dass er unterdrückt werden muss, wenn er da-
durch geläutert werden kann.
Wie soll denn der geburtshilfliche Unterricht nicht
schlecht sein in Berlin, wenn Professor Schmidt an Nosoco-
mialluft glaubt?
Professor Credé *) ist Epidemiker, und zur Bestätigung
seiner Lehre schickte er im Wintersemester 1854—55 von 336
Wöchnerinnen 58 in andere Stationen, um dort zu sterben;
seine Uebersiedelung nach Leipzig hat in seinen Ansichten
nichts geändert, in Leipzig starben in drei Jahren von 594
Wöchnerinnen 20.
Busch’s Nachfolger, Professor E. Martin, **) hat mir durch
seinen Vortrag, gehalten am 9. November 1858 in der Ge-
sellschaft für Geburtshilfe in Berlin »über Mutterröhrenent-
zündung und Erguss des eiterigen Secretes in die Bauchhöhle
als eine Ursache der Bauchfellentzündung bei Wöchnerinnen«,
die Ueberzeugung verschafft, dass die puerperale Sonne,
welche in Wien im Jahre 1847 aufgegangen, seinen Geist noch
nicht erleuchtet hat.
Die puerperalen Thrombosen (Seite 597).
Die puerperale Thrombose existirt im physiologischen Zu-
stande nur in den Speculationen Virchow’s, aber nicht im
*) Annalen des Charité-Krankenhauses, 8. Jahrgang, I. Heft, 1857.
**) Monatschrift für Geburtskunde, 1. Band, 1. Heft, 1859.
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/483>, abgerufen am 22.11.2024.
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