wären die Chlorwaschungen nicht eingeführt worden, so hätte sich die Sterblichkeit der Klinik der Aerzte in der Ausdehnung fortgesetzt, in welcher Ausdehnung die Sterblichkeit sich an dieser Klinik ereignete während der 6 Jahre ohne Chlorwa- schungen, es wären mithin 2450 Individuen gestorben; da aber 613 Individuen starben, so wurden in Folge meiner Lehren über die Entstehung und Verhütung des Kindbettfiebers 837 Individuen in diesen 6 Jahren gerettet. In dieser Zahl fehlen die Kinder, welche von diesen 837 geretteten Individuen das Puerperalfieber mitgetheilt bekommen hätten.
Zur besseren Orientirung theile ich dem Leser mit, dass Carl Braun die Chlorwaschungen längst aufgegeben und dafür seinen Schülern den Rath ertheilt, nicht zu untersuchen, so lange die Hände cadaverösen Geruch verbreiten. Ist das nicht böser Wille, wenn Carl Braun meine Lehre verleumdet, welche ihm in 6 Jahren 837 Mütter gerettet hat? ungerechnet die ge- retteten Kinder. Freilich hat meine Lehre innerhalb dieser 6 Jahre nicht das geleistet, was sie zu leisten berufen ist. Oder mit andern Worten: in diesen 6 Jahren sind nicht blos Fälle von Kindbettfieber in Folge von Selbstinfection vorgekommen, sondern es sind, da von 24,692 Wöchnerinnen 613 gestorben sind, 367 Fälle von verhütbarer Infection von aussen vorgekommen, und wenn wir jährlich 10 Infectionsfälle von aussen den un- günstigen Verhältnissen der I. Gebärklinik zuschreiben, weil ja auch wir im Jahre 1848 zehn Infectionsfälle von aussen nicht verhüten konnten, so bleiben noch immer für 6 Jahre 317 Individuen und die Kinder, welche von diesen 317 Müttern inficirt wurden, welche dem bösen Willen Carl Braun's dadurch zum Opfer fielen, dass er, gegen seine bessere Ueberzeugung, nicht nur gegen meine Lehre über die Verhütung des Kind- bettfiebers geschrieben, sondern auch seinen Schülern gegen diese Lehre Vorträge gehalten hat und dadurch seine Schüler zu einem gefährlichen Leichtsinn verleitet hat. Und was wer- den diese so schlecht belehrten Schüler Carl Braun's für Unheil stiften in ihrer selbstständigen Thätigkeit. Die Entsetzen er-
wären die Chlorwaschungen nicht eingeführt worden, so hätte sich die Sterblichkeit der Klinik der Aerzte in der Ausdehnung fortgesetzt, in welcher Ausdehnung die Sterblichkeit sich an dieser Klinik ereignete während der 6 Jahre ohne Chlorwa- schungen, es wären mithin 2450 Individuen gestorben; da aber 613 Individuen starben, so wurden in Folge meiner Lehren über die Entstehung und Verhütung des Kindbettfiebers 837 Individuen in diesen 6 Jahren gerettet. In dieser Zahl fehlen die Kinder, welche von diesen 837 geretteten Individuen das Puerperalfieber mitgetheilt bekommen hätten.
Zur besseren Orientirung theile ich dem Leser mit, dass Carl Braun die Chlorwaschungen längst aufgegeben und dafür seinen Schülern den Rath ertheilt, nicht zu untersuchen, so lange die Hände cadaverösen Geruch verbreiten. Ist das nicht böser Wille, wenn Carl Braun meine Lehre verleumdet, welche ihm in 6 Jahren 837 Mütter gerettet hat? ungerechnet die ge- retteten Kinder. Freilich hat meine Lehre innerhalb dieser 6 Jahre nicht das geleistet, was sie zu leisten berufen ist. Oder mit andern Worten: in diesen 6 Jahren sind nicht blos Fälle von Kindbettfieber in Folge von Selbstinfection vorgekommen, sondern es sind, da von 24,692 Wöchnerinnen 613 gestorben sind, 367 Fälle von verhütbarer Infection von aussen vorgekommen, und wenn wir jährlich 10 Infectionsfälle von aussen den un- günstigen Verhältnissen der I. Gebärklinik zuschreiben, weil ja auch wir im Jahre 1848 zehn Infectionsfälle von aussen nicht verhüten konnten, so bleiben noch immer für 6 Jahre 317 Individuen und die Kinder, welche von diesen 317 Müttern inficirt wurden, welche dem bösen Willen Carl Braun’s dadurch zum Opfer fielen, dass er, gegen seine bessere Ueberzeugung, nicht nur gegen meine Lehre über die Verhütung des Kind- bettfiebers geschrieben, sondern auch seinen Schülern gegen diese Lehre Vorträge gehalten hat und dadurch seine Schüler zu einem gefährlichen Leichtsinn verleitet hat. Und was wer- den diese so schlecht belehrten Schüler Carl Braun’s für Unheil stiften in ihrer selbstständigen Thätigkeit. Die Entsetzen er-
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wären die Chlorwaschungen nicht eingeführt worden, so hätte
sich die Sterblichkeit der Klinik der Aerzte in der Ausdehnung
fortgesetzt, in welcher Ausdehnung die Sterblichkeit sich an
dieser Klinik ereignete während der 6 Jahre ohne Chlorwa-
schungen, es wären mithin 2450 Individuen gestorben; da aber
613 Individuen starben, so wurden in Folge meiner Lehren
über die Entstehung und Verhütung des Kindbettfiebers 837
Individuen in diesen 6 Jahren gerettet. In dieser Zahl fehlen
die Kinder, welche von diesen 837 geretteten Individuen das
Puerperalfieber mitgetheilt bekommen hätten.
Zur besseren Orientirung theile ich dem Leser mit, dass
Carl Braun die Chlorwaschungen längst aufgegeben und dafür
seinen Schülern den Rath ertheilt, nicht zu untersuchen, so
lange die Hände cadaverösen Geruch verbreiten. Ist das nicht
böser Wille, wenn Carl Braun meine Lehre verleumdet, welche
ihm in 6 Jahren 837 Mütter gerettet hat? ungerechnet die ge-
retteten Kinder. Freilich hat meine Lehre innerhalb dieser 6
Jahre nicht das geleistet, was sie zu leisten berufen ist. Oder
mit andern Worten: in diesen 6 Jahren sind nicht blos Fälle
von Kindbettfieber in Folge von Selbstinfection vorgekommen,
sondern es sind, da von 24,692 Wöchnerinnen 613 gestorben sind,
367 Fälle von verhütbarer Infection von aussen vorgekommen,
und wenn wir jährlich 10 Infectionsfälle von aussen den un-
günstigen Verhältnissen der I. Gebärklinik zuschreiben, weil
ja auch wir im Jahre 1848 zehn Infectionsfälle von aussen
nicht verhüten konnten, so bleiben noch immer für 6 Jahre
317 Individuen und die Kinder, welche von diesen 317 Müttern
inficirt wurden, welche dem bösen Willen Carl Braun’s dadurch
zum Opfer fielen, dass er, gegen seine bessere Ueberzeugung,
nicht nur gegen meine Lehre über die Verhütung des Kind-
bettfiebers geschrieben, sondern auch seinen Schülern gegen
diese Lehre Vorträge gehalten hat und dadurch seine Schüler
zu einem gefährlichen Leichtsinn verleitet hat. Und was wer-
den diese so schlecht belehrten Schüler Carl Braun’s für Unheil
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/499>, abgerufen am 22.11.2024.
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