ses zuschreibt, und damit bin ich, die nöthigen Ausnahmen, von welchen wir später sprechen werden, abgerechnet, ein- verstanden: sie sind aber nicht geeignet, die grössere Sterb- lichkeit an der ersten geburtshilflichen Klinik im Vergleich zur zweiten zu erklären. Wir haben ja gezeigt, dass diese endemischen Schädlichkeiten auf beiden Abtheilungen entwe- der in gleichem Masse vorhanden waren, folglich hätte an bei- den Abtheilungen eine gleiche Sterblichkeit statthaben müs- sen, oder wenn diese endemischen Schädlichkeiten ungleich waren, so waren sie in höherem Masse an der zweiten Abthei- lung vorhanden, und in geringerem Masse auf der ersten Ab- theilung. Es hätte daher in Folge dieser Schädlichkeiten die grössere Sterblichkeit an der zweiten geburtshilflichen Kli- nik und die geringere an der ersten geburtshilflichen Klinik herrschen müssen; in der Wirklichkeit ereignete sich aber gerade das Entgegengesetzte, indem, wie Tabelle 1. annähe- rungsweise zeigt, die Sterblichkeit an der ersten geburtshilf- lichen Klinik, seit selbe ausschliesslich dem Unterrichte für Geburtshelfer gewidmet ist, constant bedeutend grösser war, als an der zweiten.
Nachdem weder die epidemischen noch die bisher gilti- gen endemischen Einflüsse das Plus der Sterblichkeit an der ersten geburtshilflichen Klinik erklären, wollen wir versu- chen, die übrigen Ursachen, wie sie als Kindbettfieber erzeu- gend angeführt werden, einer Prüfung zu unterziehen.
Neuere Forscher haben als die entfernteste Veranlassung zu den Puerperal-Processen schon die Conception beschuldigt, indem die Einwirkung des Sperma virile eine Reihe von Me- tamorphosen bedinge, und vielfache, noch zum Theile un- bekannte Veränderungen des Blutes hervorrufe. Ich glaube in keiner Täuschung befangen zu sein, wenn ich die Behaup- tung aufstelle, dass bei denjenigen, welche auf der zweiten geburtshilflichen Klinik geboren haben, auch eine Conception vorausging. Woher also die Differenz der Sterblichkeit an beiden Abtheilungen?
ses zuschreibt, und damit bin ich, die nöthigen Ausnahmen, von welchen wir später sprechen werden, abgerechnet, ein- verstanden: sie sind aber nicht geeignet, die grössere Sterb- lichkeit an der ersten geburtshilflichen Klinik im Vergleich zur zweiten zu erklären. Wir haben ja gezeigt, dass diese endemischen Schädlichkeiten auf beiden Abtheilungen entwe- der in gleichem Masse vorhanden waren, folglich hätte an bei- den Abtheilungen eine gleiche Sterblichkeit statthaben müs- sen, oder wenn diese endemischen Schädlichkeiten ungleich waren, so waren sie in höherem Masse an der zweiten Abthei- lung vorhanden, und in geringerem Masse auf der ersten Ab- theilung. Es hätte daher in Folge dieser Schädlichkeiten die grössere Sterblichkeit an der zweiten geburtshilflichen Kli- nik und die geringere an der ersten geburtshilflichen Klinik herrschen müssen; in der Wirklichkeit ereignete sich aber gerade das Entgegengesetzte, indem, wie Tabelle 1. annähe- rungsweise zeigt, die Sterblichkeit an der ersten geburtshilf- lichen Klinik, seit selbe ausschliesslich dem Unterrichte für Geburtshelfer gewidmet ist, constant bedeutend grösser war, als an der zweiten.
Nachdem weder die epidemischen noch die bisher gilti- gen endemischen Einflüsse das Plus der Sterblichkeit an der ersten geburtshilflichen Klinik erklären, wollen wir versu- chen, die übrigen Ursachen, wie sie als Kindbettfieber erzeu- gend angeführt werden, einer Prüfung zu unterziehen.
Neuere Forscher haben als die entfernteste Veranlassung zu den Puerperal-Processen schon die Conception beschuldigt, indem die Einwirkung des Sperma virile eine Reihe von Me- tamorphosen bedinge, und vielfache, noch zum Theile un- bekannte Veränderungen des Blutes hervorrufe. Ich glaube in keiner Täuschung befangen zu sein, wenn ich die Behaup- tung aufstelle, dass bei denjenigen, welche auf der zweiten geburtshilflichen Klinik geboren haben, auch eine Conception vorausging. Woher also die Differenz der Sterblichkeit an beiden Abtheilungen?
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ses zuschreibt, und damit bin ich, die nöthigen Ausnahmen,
von welchen wir später sprechen werden, abgerechnet, ein-
verstanden: sie sind aber nicht geeignet, die grössere Sterb-
lichkeit an der ersten geburtshilflichen Klinik im Vergleich
zur zweiten zu erklären. Wir haben ja gezeigt, dass diese
endemischen Schädlichkeiten auf beiden Abtheilungen entwe-
der in gleichem Masse vorhanden waren, folglich hätte an bei-
den Abtheilungen eine gleiche Sterblichkeit statthaben müs-
sen, oder wenn diese endemischen Schädlichkeiten ungleich
waren, so waren sie in höherem Masse an der zweiten Abthei-
lung vorhanden, und in geringerem Masse auf der ersten Ab-
theilung. Es hätte daher in Folge dieser Schädlichkeiten die
grössere Sterblichkeit an der zweiten geburtshilflichen Kli-
nik und die geringere an der ersten geburtshilflichen Klinik
herrschen müssen; in der Wirklichkeit ereignete sich aber
gerade das Entgegengesetzte, indem, wie Tabelle 1. annähe-
rungsweise zeigt, die Sterblichkeit an der ersten geburtshilf-
lichen Klinik, seit selbe ausschliesslich dem Unterrichte für
Geburtshelfer gewidmet ist, constant bedeutend grösser war,
als an der zweiten.
Nachdem weder die epidemischen noch die bisher gilti-
gen endemischen Einflüsse das Plus der Sterblichkeit an der
ersten geburtshilflichen Klinik erklären, wollen wir versu-
chen, die übrigen Ursachen, wie sie als Kindbettfieber erzeu-
gend angeführt werden, einer Prüfung zu unterziehen.
Neuere Forscher haben als die entfernteste Veranlassung
zu den Puerperal-Processen schon die Conception beschuldigt,
indem die Einwirkung des Sperma virile eine Reihe von Me-
tamorphosen bedinge, und vielfache, noch zum Theile un-
bekannte Veränderungen des Blutes hervorrufe. Ich glaube
in keiner Täuschung befangen zu sein, wenn ich die Behaup-
tung aufstelle, dass bei denjenigen, welche auf der zweiten
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vorausging. Woher also die Differenz der Sterblichkeit an
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/50>, abgerufen am 21.11.2024.
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