fessor Kolletschka, von mir hochverehrt, inzwischen gestor- ben sei.
Die Krankheitsgeschichte ist folgende: Kolletschka, Professor der gerichtlichen Medicin, nahm häufig in gericht- licher Beziehung mit seinen Schülern Sectionsübungen vor; bei einer derartigen Uebung wurde er von einem Schüler mit dem Messer, welches zur Section benützt wurde, in einen Finger gestochen, in welchen? ist mir nicht mehr erinnerlich. Professor Kolletschka bekam hierauf Lymphangoitis, Phle- bitis an der entsprechenden oberen Extremität, und starb während meines Aufenthaltes in Venedig an beiderseitiger Pleuritis, Pericarditis, Peritonitis, Meningitis, und es bil- dete sich noch einige Tage vor dem Tode eine Metastase in einem Auge. Noch begeistert durch die Kunstschätze Vene- digs, durch die Nachricht des Todes Kolletschka's noch mehr erregt, drängte sich in diesem aufgeregten Zustande meinem Geiste mit unwiderstehlicher Klarheit die Identität der Krankheit, an welcher Kolletschka gestorben, mit der- jenigen, an welcher ich so viele hundert Wöchnerinnen ster- ben sah, auf. Die Wöchnerinnen starben ja auch an Phlebi- tis, Lymphangoitis, Peritonitis, Pleuritis, Pericarditis, Me- ningitis, und es bilden sich auch bei Wöchnerinnen Me- tastasen.
Tag und Nacht verfolgte mich das Bild von Kol- letschka's Krankheit, und mit immer grösserer Entschie- denheit musste ich die Identität der Krankheit, an welcher Kolletschka gestorben, mit derjenigen Krankheit, an wel- cher ich so viele Wöchnerinnen sterben sah, anerkennen.
Aus der Identität des Leichenbefundes in den Leichen der Neugebornen mit dem Leichenbefunde der am Kindbett- fieber verstorbenen Wöchnerinnen haben wir früher, und wie wir glauben, mit Recht geschlossen, dass auch die Neugebor- nen am Kindbettfieber, oder mit andern Worten, dass die Neu- gebornen an derselben Krankheit wie die Wöchnerinnen ge- storben seien. Da wir aber dieselben identischen Producte in
fessor Kolletschka, von mir hochverehrt, inzwischen gestor- ben sei.
Die Krankheitsgeschichte ist folgende: Kolletschka, Professor der gerichtlichen Medicin, nahm häufig in gericht- licher Beziehung mit seinen Schülern Sectionsübungen vor; bei einer derartigen Uebung wurde er von einem Schüler mit dem Messer, welches zur Section benützt wurde, in einen Finger gestochen, in welchen? ist mir nicht mehr erinnerlich. Professor Kolletschka bekam hierauf Lymphangoitis, Phle- bitis an der entsprechenden oberen Extremität, und starb während meines Aufenthaltes in Venedig an beiderseitiger Pleuritis, Pericarditis, Peritonitis, Meningitis, und es bil- dete sich noch einige Tage vor dem Tode eine Metastase in einem Auge. Noch begeistert durch die Kunstschätze Vene- digs, durch die Nachricht des Todes Kolletschka’s noch mehr erregt, drängte sich in diesem aufgeregten Zustande meinem Geiste mit unwiderstehlicher Klarheit die Identität der Krankheit, an welcher Kolletschka gestorben, mit der- jenigen, an welcher ich so viele hundert Wöchnerinnen ster- ben sah, auf. Die Wöchnerinnen starben ja auch an Phlebi- tis, Lymphangoitis, Peritonitis, Pleuritis, Pericarditis, Me- ningitis, und es bilden sich auch bei Wöchnerinnen Me- tastasen.
Tag und Nacht verfolgte mich das Bild von Kol- letschka’s Krankheit, und mit immer grösserer Entschie- denheit musste ich die Identität der Krankheit, an welcher Kolletschka gestorben, mit derjenigen Krankheit, an wel- cher ich so viele Wöchnerinnen sterben sah, anerkennen.
Aus der Identität des Leichenbefundes in den Leichen der Neugebornen mit dem Leichenbefunde der am Kindbett- fieber verstorbenen Wöchnerinnen haben wir früher, und wie wir glauben, mit Recht geschlossen, dass auch die Neugebor- nen am Kindbettfieber, oder mit andern Worten, dass die Neu- gebornen an derselben Krankheit wie die Wöchnerinnen ge- storben seien. Da wir aber dieselben identischen Producte in
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fessor Kolletschka, von mir hochverehrt, inzwischen gestor-
ben sei.
Die Krankheitsgeschichte ist folgende: Kolletschka,
Professor der gerichtlichen Medicin, nahm häufig in gericht-
licher Beziehung mit seinen Schülern Sectionsübungen vor;
bei einer derartigen Uebung wurde er von einem Schüler mit
dem Messer, welches zur Section benützt wurde, in einen
Finger gestochen, in welchen? ist mir nicht mehr erinnerlich.
Professor Kolletschka bekam hierauf Lymphangoitis, Phle-
bitis an der entsprechenden oberen Extremität, und starb
während meines Aufenthaltes in Venedig an beiderseitiger
Pleuritis, Pericarditis, Peritonitis, Meningitis, und es bil-
dete sich noch einige Tage vor dem Tode eine Metastase in
einem Auge. Noch begeistert durch die Kunstschätze Vene-
digs, durch die Nachricht des Todes Kolletschka’s noch
mehr erregt, drängte sich in diesem aufgeregten Zustande
meinem Geiste mit unwiderstehlicher Klarheit die Identität
der Krankheit, an welcher Kolletschka gestorben, mit der-
jenigen, an welcher ich so viele hundert Wöchnerinnen ster-
ben sah, auf. Die Wöchnerinnen starben ja auch an Phlebi-
tis, Lymphangoitis, Peritonitis, Pleuritis, Pericarditis, Me-
ningitis, und es bilden sich auch bei Wöchnerinnen Me-
tastasen.
Tag und Nacht verfolgte mich das Bild von Kol-
letschka’s Krankheit, und mit immer grösserer Entschie-
denheit musste ich die Identität der Krankheit, an welcher
Kolletschka gestorben, mit derjenigen Krankheit, an wel-
cher ich so viele Wöchnerinnen sterben sah, anerkennen.
Aus der Identität des Leichenbefundes in den Leichen
der Neugebornen mit dem Leichenbefunde der am Kindbett-
fieber verstorbenen Wöchnerinnen haben wir früher, und wie
wir glauben, mit Recht geschlossen, dass auch die Neugebor-
nen am Kindbettfieber, oder mit andern Worten, dass die Neu-
gebornen an derselben Krankheit wie die Wöchnerinnen ge-
storben seien. Da wir aber dieselben identischen Producte in
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/65>, abgerufen am 21.11.2024.
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