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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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bis zu meiner Uebersiedlung nach Pest 1850, vor der Morgen-
visite des Professors im Gebärhause fast täglich sämmtliche
weibliche Leichen in der Todtenkammer des k. k. allgemeinen
Krankenhauses zum Behufe gynaecologischer Studien zu un-
tersuchen. Die Güte des Professors Rokitansky, dessen
Freundschaft ich mich rühmen konnte, und gegen welchen ich
hier abermals meine Dankbarkeit erkläre, ertheilte mir die
Erlaubniss, sämmtliche weibliche Leichen, welche nicht ohne-
dem schon zur Section bestimmt waren, zu seciren, damit
ich das Erlebniss meiner Untersuchung durch den Sections-
befund controlliren könne.

Aus Gründen, die nicht hieher gehören, hat der Assi-
stent der ersten Gebärklinik in den Monaten December 1846,
Jänner, Februar, März 1847 die Todtenkammer nur sehr sel-
ten besucht. Die einheimischen Studirenden, deren Zahl auf
18 beschränkt war, haben seinem Beispiele gefolgt, dadurch
war die Gelegenheit zur Verunreinigung der Hände mit Ca-
davertheilen bedeutend verringert. Durch das Reduciren der
Untersuchungen auf das Minimum war die Gelegenheit, mit
Cadavertheilen verunreinigte Hände mit den Genitalien der
Individuen in Berührung zu bringen, ebenfalls verringert,
dadurch ist die in den obgenannten Monaten eingetretene Ver-
minderung der Sterblichkeit an der ersten Gebärklinik zu er-
klären.

Am 20. März 1847 übernahm ich zum zweiten Male die
Stelle eines wirklichen Assistenten der ersten Gebärklinik,
machte früh Morgens meine gynaecologischen Studien in der
Todtenkammer, ging dann auf das Kreissezimmer, um sämmt-
liche auf dem Kreissezimmer befindliche Kreissende, wie es
meine und meiner Vorfahren Pflicht war, zu untersuchen, da-
mit ich dann dem die Morgenvisite haltenden Professor über
jede einzelne Kreissende einen Bericht erstatten konnte. Da-
durch habe ich meinen mit Cadavertheilen verunreinigten Fin-
ger mit den Genitalien so vieler Kreissenden in Berührung
gebracht, und die Folge war, dass im April von 312 Entbun-

bis zu meiner Uebersiedlung nach Pest 1850, vor der Morgen-
visite des Professors im Gebärhause fast täglich sämmtliche
weibliche Leichen in der Todtenkammer des k. k. allgemeinen
Krankenhauses zum Behufe gynaecologischer Studien zu un-
tersuchen. Die Güte des Professors Rokitansky, dessen
Freundschaft ich mich rühmen konnte, und gegen welchen ich
hier abermals meine Dankbarkeit erkläre, ertheilte mir die
Erlaubniss, sämmtliche weibliche Leichen, welche nicht ohne-
dem schon zur Section bestimmt waren, zu seciren, damit
ich das Erlebniss meiner Untersuchung durch den Sections-
befund controlliren könne.

Aus Gründen, die nicht hieher gehören, hat der Assi-
stent der ersten Gebärklinik in den Monaten December 1846,
Jänner, Februar, März 1847 die Todtenkammer nur sehr sel-
ten besucht. Die einheimischen Studirenden, deren Zahl auf
18 beschränkt war, haben seinem Beispiele gefolgt, dadurch
war die Gelegenheit zur Verunreinigung der Hände mit Ca-
davertheilen bedeutend verringert. Durch das Reduciren der
Untersuchungen auf das Minimum war die Gelegenheit, mit
Cadavertheilen verunreinigte Hände mit den Genitalien der
Individuen in Berührung zu bringen, ebenfalls verringert,
dadurch ist die in den obgenannten Monaten eingetretene Ver-
minderung der Sterblichkeit an der ersten Gebärklinik zu er-
klären.

Am 20. März 1847 übernahm ich zum zweiten Male die
Stelle eines wirklichen Assistenten der ersten Gebärklinik,
machte früh Morgens meine gynaecologischen Studien in der
Todtenkammer, ging dann auf das Kreissezimmer, um sämmt-
liche auf dem Kreissezimmer befindliche Kreissende, wie es
meine und meiner Vorfahren Pflicht war, zu untersuchen, da-
mit ich dann dem die Morgenvisite haltenden Professor über
jede einzelne Kreissende einen Bericht erstatten konnte. Da-
durch habe ich meinen mit Cadavertheilen verunreinigten Fin-
ger mit den Genitalien so vieler Kreissenden in Berührung
gebracht, und die Folge war, dass im April von 312 Entbun-

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[72/0084] bis zu meiner Uebersiedlung nach Pest 1850, vor der Morgen- visite des Professors im Gebärhause fast täglich sämmtliche weibliche Leichen in der Todtenkammer des k. k. allgemeinen Krankenhauses zum Behufe gynaecologischer Studien zu un- tersuchen. Die Güte des Professors Rokitansky, dessen Freundschaft ich mich rühmen konnte, und gegen welchen ich hier abermals meine Dankbarkeit erkläre, ertheilte mir die Erlaubniss, sämmtliche weibliche Leichen, welche nicht ohne- dem schon zur Section bestimmt waren, zu seciren, damit ich das Erlebniss meiner Untersuchung durch den Sections- befund controlliren könne. Aus Gründen, die nicht hieher gehören, hat der Assi- stent der ersten Gebärklinik in den Monaten December 1846, Jänner, Februar, März 1847 die Todtenkammer nur sehr sel- ten besucht. Die einheimischen Studirenden, deren Zahl auf 18 beschränkt war, haben seinem Beispiele gefolgt, dadurch war die Gelegenheit zur Verunreinigung der Hände mit Ca- davertheilen bedeutend verringert. Durch das Reduciren der Untersuchungen auf das Minimum war die Gelegenheit, mit Cadavertheilen verunreinigte Hände mit den Genitalien der Individuen in Berührung zu bringen, ebenfalls verringert, dadurch ist die in den obgenannten Monaten eingetretene Ver- minderung der Sterblichkeit an der ersten Gebärklinik zu er- klären. Am 20. März 1847 übernahm ich zum zweiten Male die Stelle eines wirklichen Assistenten der ersten Gebärklinik, machte früh Morgens meine gynaecologischen Studien in der Todtenkammer, ging dann auf das Kreissezimmer, um sämmt- liche auf dem Kreissezimmer befindliche Kreissende, wie es meine und meiner Vorfahren Pflicht war, zu untersuchen, da- mit ich dann dem die Morgenvisite haltenden Professor über jede einzelne Kreissende einen Bericht erstatten konnte. Da- durch habe ich meinen mit Cadavertheilen verunreinigten Fin- ger mit den Genitalien so vieler Kreissenden in Berührung gebracht, und die Folge war, dass im April von 312 Entbun-

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/84>, abgerufen am 21.11.2024.