denen 57, also 18.26 Percent, gestorben. Im Mai sind von 294 Entbundenen 36 gestorben, also 12.24 Percent. Mitte Mai bei- läufig war es, ohne mich jedoch des Tages zu entsinnen, wo ich die Chlorwaschungen einführte. Es waren mithin nicht die Beleidigungen der Genitalien durch das rohere Untersuchen der Studirenden, eine an und für sich schon irrige Voraus- setzung, welche die grössere Sterblichkeit an der ersten Ge- bärklinik hervorgebracht, sondern das in Berührungbringen der Genitalien mit Cadavertheilen mittelst des untersuchenden Fingers war es, was die grössere Sterblichkeit an der ersten Gebärklinik hervorbrachte. Während der Monate April und Mai, wo wieder so viele gestorben waren, blieben die Verhält- nisse der ersten Gebärklinik dieselben wie im December 1846, Jännner, Februar, März 1847, und doch war die Sterblich- keit eine bedeutend grössere, weil mein mit Cadavertheilen verunreinigter Finger dazwischen kam.
Nachdem die Chlorwaschungen durch längere Zeit ein so glückliches Resultat geliefert, wurde die Anzahl der Schüler wieder auf 42 vermehrt, man nahm bei der Aufnahme keine Rücksicht mehr, ob In- oder Ausländer. Die Untersuchungen wurden wieder in der Ausdehnung vorgenommen, wie es eben der Unterricht erforderte, und trotzdem hatte die erste Ge- bärklinik den traurigen Vorzug der grösseren Sterblichkeit in Vergleich zur zweiten Abtheilung verloren. Man wende nicht ein, dass ich ja auch im December 1846, Jänner, Februar, März 1847 als provisorischer Assistent fungirt, und die gy- naecologischen Studien in der Todtenkammer gemacht habe, und trotzdem ist die Sterblichkeit eine bedeutend geringere gewesen; die Erklärung liegt darin, dass ich als provisori- scher Assistent zwar das Recht hatte, alle Kreissenden zu untersuchen, aber nicht die Pflicht. Nach einem dreijähri- gen Aufenthalte in so einem grossen Gebärhause war es für mich natürlich nicht belehrend, eine jede Kreissende zu un- tersuchen; ich untersuchte nur die ungewöhnlichen Geburts- fälle, d. h. sehr selten. Sobald ich wirklicher Assistent wurde,
denen 57, also 18.26 Percent, gestorben. Im Mai sind von 294 Entbundenen 36 gestorben, also 12.24 Percent. Mitte Mai bei- läufig war es, ohne mich jedoch des Tages zu entsinnen, wo ich die Chlorwaschungen einführte. Es waren mithin nicht die Beleidigungen der Genitalien durch das rohere Untersuchen der Studirenden, eine an und für sich schon irrige Voraus- setzung, welche die grössere Sterblichkeit an der ersten Ge- bärklinik hervorgebracht, sondern das in Berührungbringen der Genitalien mit Cadavertheilen mittelst des untersuchenden Fingers war es, was die grössere Sterblichkeit an der ersten Gebärklinik hervorbrachte. Während der Monate April und Mai, wo wieder so viele gestorben waren, blieben die Verhält- nisse der ersten Gebärklinik dieselben wie im December 1846, Jännner, Februar, März 1847, und doch war die Sterblich- keit eine bedeutend grössere, weil mein mit Cadavertheilen verunreinigter Finger dazwischen kam.
Nachdem die Chlorwaschungen durch längere Zeit ein so glückliches Resultat geliefert, wurde die Anzahl der Schüler wieder auf 42 vermehrt, man nahm bei der Aufnahme keine Rücksicht mehr, ob In- oder Ausländer. Die Untersuchungen wurden wieder in der Ausdehnung vorgenommen, wie es eben der Unterricht erforderte, und trotzdem hatte die erste Ge- bärklinik den traurigen Vorzug der grösseren Sterblichkeit in Vergleich zur zweiten Abtheilung verloren. Man wende nicht ein, dass ich ja auch im December 1846, Jänner, Februar, März 1847 als provisorischer Assistent fungirt, und die gy- naecologischen Studien in der Todtenkammer gemacht habe, und trotzdem ist die Sterblichkeit eine bedeutend geringere gewesen; die Erklärung liegt darin, dass ich als provisori- scher Assistent zwar das Recht hatte, alle Kreissenden zu untersuchen, aber nicht die Pflicht. Nach einem dreijähri- gen Aufenthalte in so einem grossen Gebärhause war es für mich natürlich nicht belehrend, eine jede Kreissende zu un- tersuchen; ich untersuchte nur die ungewöhnlichen Geburts- fälle, d. h. sehr selten. Sobald ich wirklicher Assistent wurde,
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denen 57, also 18.26 Percent, gestorben. Im Mai sind von 294
Entbundenen 36 gestorben, also 12.24 Percent. Mitte Mai bei-
läufig war es, ohne mich jedoch des Tages zu entsinnen, wo
ich die Chlorwaschungen einführte. Es waren mithin nicht die
Beleidigungen der Genitalien durch das rohere Untersuchen
der Studirenden, eine an und für sich schon irrige Voraus-
setzung, welche die grössere Sterblichkeit an der ersten Ge-
bärklinik hervorgebracht, sondern das in Berührungbringen
der Genitalien mit Cadavertheilen mittelst des untersuchenden
Fingers war es, was die grössere Sterblichkeit an der ersten
Gebärklinik hervorbrachte. Während der Monate April und
Mai, wo wieder so viele gestorben waren, blieben die Verhält-
nisse der ersten Gebärklinik dieselben wie im December 1846,
Jännner, Februar, März 1847, und doch war die Sterblich-
keit eine bedeutend grössere, weil mein mit Cadavertheilen
verunreinigter Finger dazwischen kam.
Nachdem die Chlorwaschungen durch längere Zeit ein so
glückliches Resultat geliefert, wurde die Anzahl der Schüler
wieder auf 42 vermehrt, man nahm bei der Aufnahme keine
Rücksicht mehr, ob In- oder Ausländer. Die Untersuchungen
wurden wieder in der Ausdehnung vorgenommen, wie es eben
der Unterricht erforderte, und trotzdem hatte die erste Ge-
bärklinik den traurigen Vorzug der grösseren Sterblichkeit in
Vergleich zur zweiten Abtheilung verloren. Man wende nicht
ein, dass ich ja auch im December 1846, Jänner, Februar,
März 1847 als provisorischer Assistent fungirt, und die gy-
naecologischen Studien in der Todtenkammer gemacht habe,
und trotzdem ist die Sterblichkeit eine bedeutend geringere
gewesen; die Erklärung liegt darin, dass ich als provisori-
scher Assistent zwar das Recht hatte, alle Kreissenden zu
untersuchen, aber nicht die Pflicht. Nach einem dreijähri-
gen Aufenthalte in so einem grossen Gebärhause war es für
mich natürlich nicht belehrend, eine jede Kreissende zu un-
tersuchen; ich untersuchte nur die ungewöhnlichen Geburts-
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/85>, abgerufen am 21.11.2024.
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