Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

St. Rochus-Spitales nicht 1 Percent Wöchnerinnen am Kind-
bettfieber innerhalb sechs Jahre, in welcher Abtheilung frü-
her das Kindbettfieber alljährig so zahlreiche Opfer forderte.

Unterm 18. Juli 1855 wurde ich zum Professor der theo-
retischen und praktischen Geburtshilfe an der Hochschule zu
Pest ernannt, und begann als solcher meine Thätigkeit an der
geburtshilflichen Klinik im October desselben Jahres. Die
geburtshilfliche Klinik befindet sich im zweiten Stocke des
Facultätsgebäudes und besteht aus einem Kreisse- und vier
Wochenzimmern.

Um den Leser mit den Verhältnissen dieser Klinik be-
kannt zu machen, wird es zweckentsprechend sein, theilweise
das Gesuch mitzutheilen, welches ich an die competenten Be-
hörden richtete, um die Erlaubniss zu erlangen, diese höchst
sanitätswidrigen und ungenügenden Localitäten verlassen zu
dürfen.

In diesem Gesuche heisst es unter andern: "Dass die Lo-
calitäten der geburtshilflichen Klinik höchst sanitätswidrig
seien, geht aus folgenden Betrachtungen hervor.

"Laut den Allerhöchsten Verordnungen in Betreff der
Organisirung der Krankenanstalten in Bezug auf Flächenin-
halt des Belegraumes werden vier Quadratklafter für ein Wo-
chenbett vorgeschrieben. Da die geburtshilfliche Klinik 26
Betten besitzt, so erfordert das, um den allerhöchsten Anfor-
derungen zu entsprechen, 104 Quadratklafter, die geburts-
hilfliche Klinik besitzt aber nur 41 Quadratklafter; dann
fehlt noch der Raum, welcher für eine so grosse Anzahl von
Schülern und Schülerinnen erfordert wird. Drei Zimmer sind
so klein, dass sie kaum die Hälfte der Schüler und Schülerin-
nen fassen können, dass aber auch in den zwei Zimmern,
welche gerade so gross sind, dass sie sämmtliche Lernende
fassen können, ohne gerade unbeweglich aneinander gedrängt
zu sein, die Luft in denselben auf eine für die anwesenden
Wöchnerinnen höchst nachtheilige Weise verdorben wird,
leuchtet jedem Unbefangenen ein.

St. Rochus-Spitales nicht 1 Percent Wöchnerinnen am Kind-
bettfieber innerhalb sechs Jahre, in welcher Abtheilung frü-
her das Kindbettfieber alljährig so zahlreiche Opfer forderte.

Unterm 18. Juli 1855 wurde ich zum Professor der theo-
retischen und praktischen Geburtshilfe an der Hochschule zu
Pest ernannt, und begann als solcher meine Thätigkeit an der
geburtshilflichen Klinik im October desselben Jahres. Die
geburtshilfliche Klinik befindet sich im zweiten Stocke des
Facultätsgebäudes und besteht aus einem Kreisse- und vier
Wochenzimmern.

Um den Leser mit den Verhältnissen dieser Klinik be-
kannt zu machen, wird es zweckentsprechend sein, theilweise
das Gesuch mitzutheilen, welches ich an die competenten Be-
hörden richtete, um die Erlaubniss zu erlangen, diese höchst
sanitätswidrigen und ungenügenden Localitäten verlassen zu
dürfen.

In diesem Gesuche heisst es unter andern: »Dass die Lo-
calitäten der geburtshilflichen Klinik höchst sanitätswidrig
seien, geht aus folgenden Betrachtungen hervor.

»Laut den Allerhöchsten Verordnungen in Betreff der
Organisirung der Krankenanstalten in Bezug auf Flächenin-
halt des Belegraumes werden vier Quadratklafter für ein Wo-
chenbett vorgeschrieben. Da die geburtshilfliche Klinik 26
Betten besitzt, so erfordert das, um den allerhöchsten Anfor-
derungen zu entsprechen, 104 Quadratklafter, die geburts-
hilfliche Klinik besitzt aber nur 41 Quadratklafter; dann
fehlt noch der Raum, welcher für eine so grosse Anzahl von
Schülern und Schülerinnen erfordert wird. Drei Zimmer sind
so klein, dass sie kaum die Hälfte der Schüler und Schülerin-
nen fassen können, dass aber auch in den zwei Zimmern,
welche gerade so gross sind, dass sie sämmtliche Lernende
fassen können, ohne gerade unbeweglich aneinander gedrängt
zu sein, die Luft in denselben auf eine für die anwesenden
Wöchnerinnen höchst nachtheilige Weise verdorben wird,
leuchtet jedem Unbefangenen ein.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0097" n="85"/>
St. Rochus-Spitales nicht 1 Percent Wöchnerinnen am Kind-<lb/>
bettfieber innerhalb sechs Jahre, in welcher Abtheilung frü-<lb/>
her das Kindbettfieber alljährig so zahlreiche Opfer forderte.</p><lb/>
        <p>Unterm 18. Juli 1855 wurde ich zum Professor der theo-<lb/>
retischen und praktischen Geburtshilfe an der Hochschule zu<lb/>
Pest ernannt, und begann als solcher meine Thätigkeit an der<lb/>
geburtshilflichen Klinik im October desselben Jahres. Die<lb/>
geburtshilfliche Klinik befindet sich im zweiten Stocke des<lb/>
Facultätsgebäudes und besteht aus einem Kreisse- und vier<lb/>
Wochenzimmern.</p><lb/>
        <p>Um den Leser mit den Verhältnissen dieser Klinik be-<lb/>
kannt zu machen, wird es zweckentsprechend sein, theilweise<lb/>
das Gesuch mitzutheilen, welches ich an die competenten Be-<lb/>
hörden richtete, um die Erlaubniss zu erlangen, diese höchst<lb/>
sanitätswidrigen und ungenügenden Localitäten verlassen zu<lb/>
dürfen.</p><lb/>
        <p>In diesem Gesuche heisst es unter andern: »Dass die Lo-<lb/>
calitäten der geburtshilflichen Klinik höchst sanitätswidrig<lb/>
seien, geht aus folgenden Betrachtungen hervor.</p><lb/>
        <p>»Laut den Allerhöchsten Verordnungen in Betreff der<lb/>
Organisirung der Krankenanstalten in Bezug auf Flächenin-<lb/>
halt des Belegraumes werden vier Quadratklafter für ein Wo-<lb/>
chenbett vorgeschrieben. Da die geburtshilfliche Klinik 26<lb/>
Betten besitzt, so erfordert das, um den allerhöchsten Anfor-<lb/>
derungen zu entsprechen, 104 Quadratklafter, die geburts-<lb/>
hilfliche Klinik besitzt aber nur 41 Quadratklafter; dann<lb/>
fehlt noch der Raum, welcher für eine so grosse Anzahl von<lb/>
Schülern und Schülerinnen erfordert wird. Drei Zimmer sind<lb/>
so klein, dass sie kaum die Hälfte der Schüler und Schülerin-<lb/>
nen fassen können, dass aber auch in den zwei Zimmern,<lb/>
welche gerade so gross sind, dass sie sämmtliche Lernende<lb/>
fassen können, ohne gerade unbeweglich aneinander gedrängt<lb/>
zu sein, die Luft in denselben auf eine für die anwesenden<lb/>
Wöchnerinnen höchst nachtheilige Weise verdorben wird,<lb/>
leuchtet jedem Unbefangenen ein.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0097] St. Rochus-Spitales nicht 1 Percent Wöchnerinnen am Kind- bettfieber innerhalb sechs Jahre, in welcher Abtheilung frü- her das Kindbettfieber alljährig so zahlreiche Opfer forderte. Unterm 18. Juli 1855 wurde ich zum Professor der theo- retischen und praktischen Geburtshilfe an der Hochschule zu Pest ernannt, und begann als solcher meine Thätigkeit an der geburtshilflichen Klinik im October desselben Jahres. Die geburtshilfliche Klinik befindet sich im zweiten Stocke des Facultätsgebäudes und besteht aus einem Kreisse- und vier Wochenzimmern. Um den Leser mit den Verhältnissen dieser Klinik be- kannt zu machen, wird es zweckentsprechend sein, theilweise das Gesuch mitzutheilen, welches ich an die competenten Be- hörden richtete, um die Erlaubniss zu erlangen, diese höchst sanitätswidrigen und ungenügenden Localitäten verlassen zu dürfen. In diesem Gesuche heisst es unter andern: »Dass die Lo- calitäten der geburtshilflichen Klinik höchst sanitätswidrig seien, geht aus folgenden Betrachtungen hervor. »Laut den Allerhöchsten Verordnungen in Betreff der Organisirung der Krankenanstalten in Bezug auf Flächenin- halt des Belegraumes werden vier Quadratklafter für ein Wo- chenbett vorgeschrieben. Da die geburtshilfliche Klinik 26 Betten besitzt, so erfordert das, um den allerhöchsten Anfor- derungen zu entsprechen, 104 Quadratklafter, die geburts- hilfliche Klinik besitzt aber nur 41 Quadratklafter; dann fehlt noch der Raum, welcher für eine so grosse Anzahl von Schülern und Schülerinnen erfordert wird. Drei Zimmer sind so klein, dass sie kaum die Hälfte der Schüler und Schülerin- nen fassen können, dass aber auch in den zwei Zimmern, welche gerade so gross sind, dass sie sämmtliche Lernende fassen können, ohne gerade unbeweglich aneinander gedrängt zu sein, die Luft in denselben auf eine für die anwesenden Wöchnerinnen höchst nachtheilige Weise verdorben wird, leuchtet jedem Unbefangenen ein.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/97
Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/97>, abgerufen am 21.11.2024.