Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869.sehen, und die mitunter von ihnen in Bäumen oder in der Erde steckend entdeckt werden. Auch das Krokodil wird von ihnen heilig gehalten, Krankheiten und Unglücksfälle aller Art personificiren sie; aber der wichtigste ihrer Götter nächst dem "Diuata" (= Anito) der Erndtefeste ist ihr Kriegsgott, der "tagbusau"9. Wenn in der Gegend des Sumpfgebietes des Agusan, um welches herum sich die verschiedenen Familien der Manobo's drängen, im October die Erndte begonnen hat, so fangen die Männer an, ihre Lanzen und Schilde, die Dolche und kurzen Schwerter zu putzen und zu schleifen und wenn dann die Erndte beendigt ist, und der Talisman ihres Kriegsgottes ihnen günstigen Ausgang für den Kriegszug angesagt hat, so schleichen sie in kleinen Trupps unter Anführung ihres "bagani", welcher zugleich der Priester des Gottes ist und dessen Talisman in den Kampf tragen muss, in heimlicher Weise nach der Wohnung ihrer Feinde. Gelingt es ihnen diese frühmorgens noch im Schlafe, oder sonst im Walde zu überraschen, so wird Jeder Erwachsene niedergemacht, die Kinder und Weiber als Sclaven davongeführt. Selten nur kommt es dabei zum offnen Einzelkampfe und dies fällt immer dem anführenden bagani zu, da er als Muthigster seinem Volke voran zu gehen und als Priester seinem Gotte ein Opfer zu bringen hat. Ist der Feind glücklich niedergeworfen und getödtet, so zieht er ein heiliges, nur diesem Dienste geweihtes Schwert, öffnet der Leiche die Brust und taucht die Talismane des Gottes, die ihm um den Hals hängen, in das rauchende Blut ein. Dann reisst er das Herz oder die Leber heraus und verzehrt ein Stück davon, als Zeichen, dass er nun seine Rache an dem Feinde befriedigt habe. Dem gemeinen Volk wird es nie gestattet, Menschenfleisch zu kosten; es ist das Vorrecht, aber auch die Pflicht des fürstlichen Priester's. Immer liegt ihren Kriegen irgend ein persönliches Motiv zu Grunde. Meist aber nimmt die Befriedigung ihrer Rachsucht einen anderen, nicht religiösen Charakter an. Einzeln lauern sie auf Wegen dem Feinde auf, dessen Bewegungen sie wochenlang ausgekundschaftet haben, und stechen ihn von sicherem Versteck aus mit ihren langschaftigen Speeren nieder. Die Schädel ihrer getödteten Feinde bringen sie dann im Triumphe nach Haus, aber sie hängen sie nicht, wie es viele heidnische Stämme in Luzon thun, in und vor ihren Häusern als Wahrzeichen sehen, und die mitunter von ihnen in Bäumen oder in der Erde steckend entdeckt werden. Auch das Krokodil wird von ihnen heilig gehalten, Krankheiten und Unglücksfälle aller Art personificiren sie; aber der wichtigste ihrer Götter nächst dem “Diuata” (= Anito) der Erndtefeste ist ihr Kriegsgott, der “tagbusau”9. Wenn in der Gegend des Sumpfgebietes des Agusan, um welches herum sich die verschiedenen Familien der Manobo’s drängen, im October die Erndte begonnen hat, so fangen die Männer an, ihre Lanzen und Schilde, die Dolche und kurzen Schwerter zu putzen und zu schleifen und wenn dann die Erndte beendigt ist, und der Talisman ihres Kriegsgottes ihnen günstigen Ausgang für den Kriegszug angesagt hat, so schleichen sie in kleinen Trupps unter Anführung ihres “bagani”, welcher zugleich der Priester des Gottes ist und dessen Talisman in den Kampf tragen muss, in heimlicher Weise nach der Wohnung ihrer Feinde. Gelingt es ihnen diese frühmorgens noch im Schlafe, oder sonst im Walde zu überraschen, so wird Jeder Erwachsene niedergemacht, die Kinder und Weiber als Sclaven davongeführt. Selten nur kommt es dabei zum offnen Einzelkampfe und dies fällt immer dem anführenden bagani zu, da er als Muthigster seinem Volke voran zu gehen und als Priester seinem Gotte ein Opfer zu bringen hat. Ist der Feind glücklich niedergeworfen und getödtet, so zieht er ein heiliges, nur diesem Dienste geweihtes Schwert, öffnet der Leiche die Brust und taucht die Talismane des Gottes, die ihm um den Hals hängen, in das rauchende Blut ein. Dann reisst er das Herz oder die Leber heraus und verzehrt ein Stück davon, als Zeichen, dass er nun seine Rache an dem Feinde befriedigt habe. Dem gemeinen Volk wird es nie gestattet, Menschenfleisch zu kosten; es ist das Vorrecht, aber auch die Pflicht des fürstlichen Priester’s. Immer liegt ihren Kriegen irgend ein persönliches Motiv zu Grunde. Meist aber nimmt die Befriedigung ihrer Rachsucht einen anderen, nicht religiösen Charakter an. Einzeln lauern sie auf Wegen dem Feinde auf, dessen Bewegungen sie wochenlang ausgekundschaftet haben, und stechen ihn von sicherem Versteck aus mit ihren langschaftigen Speeren nieder. Die Schädel ihrer getödteten Feinde bringen sie dann im Triumphe nach Haus, aber sie hängen sie nicht, wie es viele heidnische Stämme in Luzon thun, in und vor ihren Häusern als Wahrzeichen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0065" n="65"/> sehen, und die mitunter von ihnen in Bäumen oder in der Erde steckend entdeckt werden. Auch das Krokodil wird von ihnen heilig gehalten, Krankheiten und Unglücksfälle aller Art personificiren sie; aber der wichtigste ihrer Götter nächst dem “Diuata” (= Anito) der Erndtefeste ist ihr Kriegsgott, der “tagbusau”<note xml:id="n4.9-sign" n="9" place="end" next="n4.9"/>. Wenn in der Gegend des Sumpfgebietes des Agusan, um welches herum sich die verschiedenen Familien der Manobo’s drängen, im October die Erndte begonnen hat, so fangen die Männer an, ihre Lanzen und Schilde, die Dolche und kurzen Schwerter zu putzen und zu schleifen und wenn dann die Erndte beendigt ist, und der Talisman ihres Kriegsgottes ihnen günstigen Ausgang für den Kriegszug angesagt hat, so schleichen sie in kleinen Trupps unter Anführung ihres “bagani”, welcher zugleich der Priester des Gottes ist und dessen Talisman in den Kampf tragen muss, in heimlicher Weise nach der Wohnung ihrer Feinde. Gelingt es ihnen diese frühmorgens noch im Schlafe, oder sonst im Walde zu überraschen, so wird Jeder Erwachsene niedergemacht, die Kinder und Weiber als Sclaven davongeführt. Selten nur kommt es dabei zum offnen Einzelkampfe und dies fällt immer dem anführenden bagani zu, da er als Muthigster seinem Volke voran zu gehen und als Priester seinem Gotte ein Opfer zu bringen hat. Ist der Feind glücklich niedergeworfen und getödtet, so zieht er ein heiliges, nur diesem Dienste geweihtes Schwert, öffnet der Leiche die Brust und taucht die Talismane des Gottes, die ihm um den Hals hängen, in das rauchende Blut ein. Dann reisst er das Herz oder die Leber heraus und verzehrt ein Stück davon, als Zeichen, dass er nun seine Rache an dem Feinde befriedigt habe. Dem gemeinen Volk wird es nie gestattet, Menschenfleisch zu kosten; es ist das Vorrecht, aber auch die Pflicht des fürstlichen Priester’s. Immer liegt ihren Kriegen irgend ein persönliches Motiv zu Grunde. Meist aber nimmt die Befriedigung ihrer Rachsucht einen anderen, nicht religiösen Charakter an. Einzeln lauern sie auf Wegen dem Feinde auf, dessen Bewegungen sie wochenlang ausgekundschaftet haben, und stechen ihn von sicherem Versteck aus mit ihren langschaftigen Speeren nieder. Die Schädel ihrer getödteten Feinde bringen sie dann im Triumphe nach Haus, aber sie hängen sie nicht, wie es viele heidnische Stämme in Luzon thun, in und vor ihren Häusern als Wahrzeichen </p> </div> </body> </text> </TEI> [65/0065]
sehen, und die mitunter von ihnen in Bäumen oder in der Erde steckend entdeckt werden. Auch das Krokodil wird von ihnen heilig gehalten, Krankheiten und Unglücksfälle aller Art personificiren sie; aber der wichtigste ihrer Götter nächst dem “Diuata” (= Anito) der Erndtefeste ist ihr Kriegsgott, der “tagbusau”
⁹
. Wenn in der Gegend des Sumpfgebietes des Agusan, um welches herum sich die verschiedenen Familien der Manobo’s drängen, im October die Erndte begonnen hat, so fangen die Männer an, ihre Lanzen und Schilde, die Dolche und kurzen Schwerter zu putzen und zu schleifen und wenn dann die Erndte beendigt ist, und der Talisman ihres Kriegsgottes ihnen günstigen Ausgang für den Kriegszug angesagt hat, so schleichen sie in kleinen Trupps unter Anführung ihres “bagani”, welcher zugleich der Priester des Gottes ist und dessen Talisman in den Kampf tragen muss, in heimlicher Weise nach der Wohnung ihrer Feinde. Gelingt es ihnen diese frühmorgens noch im Schlafe, oder sonst im Walde zu überraschen, so wird Jeder Erwachsene niedergemacht, die Kinder und Weiber als Sclaven davongeführt. Selten nur kommt es dabei zum offnen Einzelkampfe und dies fällt immer dem anführenden bagani zu, da er als Muthigster seinem Volke voran zu gehen und als Priester seinem Gotte ein Opfer zu bringen hat. Ist der Feind glücklich niedergeworfen und getödtet, so zieht er ein heiliges, nur diesem Dienste geweihtes Schwert, öffnet der Leiche die Brust und taucht die Talismane des Gottes, die ihm um den Hals hängen, in das rauchende Blut ein. Dann reisst er das Herz oder die Leber heraus und verzehrt ein Stück davon, als Zeichen, dass er nun seine Rache an dem Feinde befriedigt habe. Dem gemeinen Volk wird es nie gestattet, Menschenfleisch zu kosten; es ist das Vorrecht, aber auch die Pflicht des fürstlichen Priester’s. Immer liegt ihren Kriegen irgend ein persönliches Motiv zu Grunde. Meist aber nimmt die Befriedigung ihrer Rachsucht einen anderen, nicht religiösen Charakter an. Einzeln lauern sie auf Wegen dem Feinde auf, dessen Bewegungen sie wochenlang ausgekundschaftet haben, und stechen ihn von sicherem Versteck aus mit ihren langschaftigen Speeren nieder. Die Schädel ihrer getödteten Feinde bringen sie dann im Triumphe nach Haus, aber sie hängen sie nicht, wie es viele heidnische Stämme in Luzon thun, in und vor ihren Häusern als Wahrzeichen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML.
(2012-11-06T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
gutenberg.org: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-06T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-06T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |