Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

geführt, welcher einem ihrer christlichen Vorfahren im Anfang des 18. Jahrhunderts gegeben wurde; jetzt ist die ganze Familie heidnisch.

So scheint weder in politischer noch religiöser Beziehung ein tiefer geistiger Zusammenhang zwischen den Eingebornen und ihren Herren aus Spanien hergestellt zu sein. Sie beugten sich willig vor der fremden starken Macht, deren staatliche Organisation ihnen aufgedrungen wurde; und die dennoch vorhandene grosse Sympathie zwischen den Eroberern und den Unterjochten beruht auf der absichtlich oder unabsichtlich geübten Schonung der lokalen Eigenthümlichkeiten, der Leichtigkeit, mit welcher sich der katholische Cultus dem bestehenden Glauben anpassen liess, dem regen persönlichen Verkehr zwischen ihnen und wohl vor Allem auf der allmäligen Entwickelung eines sicheren und jedem Einzelnen greifbare Vortheile gewährenden Handels.

Die Entwickelungsgeschichte des philippinischen commerciellen Verkehr's ist in mehr als einer Beziehung interessant und lehrreich.

Schon bei der Ankunft der Spanier im 16. Jahrhundert scheinen die Bewohner der Inseln einen ziemlich lebhaften Handel4, namentlich mit China, getrieben zu haben. Ausser den gewöhnlichsten Producten chinesischer Industrie waren es besonders Seide und die noch heutigen Tages in Borneo so beliebten grossen irdenen Gefässe, welche sie im Tausch gegen Reis, Gold und Trepang erhielten. Leider fehlen alle bestimmteren Angaben über diesen Verkehr, so dass nicht zu sagen ist, wie weit sich derselbe erstreckt haben mag; doch lässt sich aus der ungemein raschen Entwickelung des Verkehrs und Handels in Manila in den ersten 10 Jahren von Legaspi's Ankunft an wohl schliessen, dass auch schon früher wenigstens nach China und Japan hin ein bedeutender Handel stattgefunden haben muss. Einer der ältesten philippinischen Historiographen, der P. Chirino, welcher seine Geschichte der philippinischen Inseln 1604 in Rom herausgab, war voll der Bewunderung über die von allen Seiten nach Manila herbeiströmenden Nationen des Ostens. Die Chinesen brachten nun, um das Silber der Spanier, die "Reales de a quatro, i de a ocho" zu erhalten, ihre Seidenzeuge und Gefässe; zahlreiche gewerbtreibende Männer kamen hinüber und arbeiteten für so geringen Lohn, dass damals z. B. die von chinesischen Schustern gemachten Stiefel

geführt, welcher einem ihrer christlichen Vorfahren im Anfang des 18. Jahrhunderts gegeben wurde; jetzt ist die ganze Familie heidnisch.

So scheint weder in politischer noch religiöser Beziehung ein tiefer geistiger Zusammenhang zwischen den Eingebornen und ihren Herren aus Spanien hergestellt zu sein. Sie beugten sich willig vor der fremden starken Macht, deren staatliche Organisation ihnen aufgedrungen wurde; und die dennoch vorhandene grosse Sympathie zwischen den Eroberern und den Unterjochten beruht auf der absichtlich oder unabsichtlich geübten Schonung der lokalen Eigenthümlichkeiten, der Leichtigkeit, mit welcher sich der katholische Cultus dem bestehenden Glauben anpassen liess, dem regen persönlichen Verkehr zwischen ihnen und wohl vor Allem auf der allmäligen Entwickelung eines sicheren und jedem Einzelnen greifbare Vortheile gewährenden Handels.

Die Entwickelungsgeschichte des philippinischen commerciellen Verkehr’s ist in mehr als einer Beziehung interessant und lehrreich.

Schon bei der Ankunft der Spanier im 16. Jahrhundert scheinen die Bewohner der Inseln einen ziemlich lebhaften Handel4, namentlich mit China, getrieben zu haben. Ausser den gewöhnlichsten Producten chinesischer Industrie waren es besonders Seide und die noch heutigen Tages in Borneo so beliebten grossen irdenen Gefässe, welche sie im Tausch gegen Reis, Gold und Trepang erhielten. Leider fehlen alle bestimmteren Angaben über diesen Verkehr, so dass nicht zu sagen ist, wie weit sich derselbe erstreckt haben mag; doch lässt sich aus der ungemein raschen Entwickelung des Verkehrs und Handels in Manila in den ersten 10 Jahren von Legaspi’s Ankunft an wohl schliessen, dass auch schon früher wenigstens nach China und Japan hin ein bedeutender Handel stattgefunden haben muss. Einer der ältesten philippinischen Historiographen, der P. Chirino, welcher seine Geschichte der philippinischen Inseln 1604 in Rom herausgab, war voll der Bewunderung über die von allen Seiten nach Manila herbeiströmenden Nationen des Ostens. Die Chinesen brachten nun, um das Silber der Spanier, die “Reales de à quatro, i de a ocho” zu erhalten, ihre Seidenzeuge und Gefässe; zahlreiche gewerbtreibende Männer kamen hinüber und arbeiteten für so geringen Lohn, dass damals z. B. die von chinesischen Schustern gemachten Stiefel

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0085" n="85"/>
geführt,
                     welcher einem ihrer christlichen Vorfahren im Anfang des 18. Jahrhunderts
                     gegeben wurde; jetzt ist die ganze Familie heidnisch. </p>
        <p>So scheint weder in politischer noch religiöser Beziehung ein tiefer
                     geistiger Zusammenhang zwischen den Eingebornen und ihren Herren aus Spanien
                     hergestellt zu sein. Sie beugten sich willig vor der fremden starken Macht,
                     deren staatliche Organisation ihnen aufgedrungen wurde; und die dennoch
                     vorhandene grosse Sympathie zwischen den Eroberern und den Unterjochten beruht
                     auf der absichtlich oder unabsichtlich geübten Schonung der lokalen
                     Eigenthümlichkeiten, der Leichtigkeit, mit welcher sich der katholische
                     Cultus dem bestehenden Glauben anpassen liess, dem regen persönlichen
                     Verkehr zwischen ihnen und wohl vor Allem auf der allmäligen Entwickelung
                     eines sicheren und jedem Einzelnen greifbare Vortheile gewährenden Handels. </p>
        <p>Die Entwickelungsgeschichte des philippinischen commerciellen Verkehr&#x2019;s ist
                     in mehr als einer Beziehung interessant und lehrreich. </p>
        <p>Schon bei der Ankunft der Spanier im 16. Jahrhundert scheinen die Bewohner der
                     Inseln einen ziemlich lebhaften Handel<note xml:id="n6.4-sign" n="4" place="end" next="n6.4"/>, namentlich mit China, getrieben zu haben. Ausser den
                     gewöhnlichsten Producten chinesischer Industrie waren es besonders Seide
                     und die noch heutigen Tages in Borneo so beliebten grossen irdenen Gefässe,
                     welche sie im Tausch gegen Reis, Gold und Trepang erhielten. Leider fehlen alle
                     bestimmteren Angaben über diesen Verkehr, so dass nicht zu sagen ist, wie
                     weit sich derselbe erstreckt haben mag; doch lässt sich aus der ungemein
                     raschen Entwickelung des Verkehrs und Handels in Manila in den ersten 10 Jahren
                     von Legaspi&#x2019;s Ankunft an wohl schliessen, dass auch schon früher
                     wenigstens nach China und Japan hin ein bedeutender Handel stattgefunden haben
                     muss. Einer der ältesten philippinischen Historiographen, der P. Chirino,
                     welcher seine Geschichte der philippinischen Inseln 1604 in Rom herausgab, war
                     voll der Bewunderung über die von allen Seiten nach Manila
                     herbeiströmenden Nationen des Ostens. Die Chinesen brachten nun, um das
                     Silber der Spanier, die &#x201C;Reales de à quatro, i de a ocho&#x201D; zu
                     erhalten, ihre Seidenzeuge und Gefässe; zahlreiche gewerbtreibende
                     Männer kamen hinüber und arbeiteten für so geringen Lohn, dass
                     damals z. B. die von chinesischen Schustern gemachten Stiefel
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0085] geführt, welcher einem ihrer christlichen Vorfahren im Anfang des 18. Jahrhunderts gegeben wurde; jetzt ist die ganze Familie heidnisch. So scheint weder in politischer noch religiöser Beziehung ein tiefer geistiger Zusammenhang zwischen den Eingebornen und ihren Herren aus Spanien hergestellt zu sein. Sie beugten sich willig vor der fremden starken Macht, deren staatliche Organisation ihnen aufgedrungen wurde; und die dennoch vorhandene grosse Sympathie zwischen den Eroberern und den Unterjochten beruht auf der absichtlich oder unabsichtlich geübten Schonung der lokalen Eigenthümlichkeiten, der Leichtigkeit, mit welcher sich der katholische Cultus dem bestehenden Glauben anpassen liess, dem regen persönlichen Verkehr zwischen ihnen und wohl vor Allem auf der allmäligen Entwickelung eines sicheren und jedem Einzelnen greifbare Vortheile gewährenden Handels. Die Entwickelungsgeschichte des philippinischen commerciellen Verkehr’s ist in mehr als einer Beziehung interessant und lehrreich. Schon bei der Ankunft der Spanier im 16. Jahrhundert scheinen die Bewohner der Inseln einen ziemlich lebhaften Handel ⁴ , namentlich mit China, getrieben zu haben. Ausser den gewöhnlichsten Producten chinesischer Industrie waren es besonders Seide und die noch heutigen Tages in Borneo so beliebten grossen irdenen Gefässe, welche sie im Tausch gegen Reis, Gold und Trepang erhielten. Leider fehlen alle bestimmteren Angaben über diesen Verkehr, so dass nicht zu sagen ist, wie weit sich derselbe erstreckt haben mag; doch lässt sich aus der ungemein raschen Entwickelung des Verkehrs und Handels in Manila in den ersten 10 Jahren von Legaspi’s Ankunft an wohl schliessen, dass auch schon früher wenigstens nach China und Japan hin ein bedeutender Handel stattgefunden haben muss. Einer der ältesten philippinischen Historiographen, der P. Chirino, welcher seine Geschichte der philippinischen Inseln 1604 in Rom herausgab, war voll der Bewunderung über die von allen Seiten nach Manila herbeiströmenden Nationen des Ostens. Die Chinesen brachten nun, um das Silber der Spanier, die “Reales de à quatro, i de a ocho” zu erhalten, ihre Seidenzeuge und Gefässe; zahlreiche gewerbtreibende Männer kamen hinüber und arbeiteten für so geringen Lohn, dass damals z. B. die von chinesischen Schustern gemachten Stiefel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2012-11-06T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
gutenberg.org: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-06T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-06T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Die Transkription enspricht den DTA-Richtlinien.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/semper_philippinen_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/semper_philippinen_1869/85
Zitationshilfe: Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semper_philippinen_1869/85>, abgerufen am 21.11.2024.