Aber es wird doch meistens entweder gar nicht oder nur sehr leise gesagt: und mich däucht es ist doch nothwendig, dass es nun nach und nach auch laut und fest und deutlich gesagt werde, wenn wir nicht in Ewigkeit Milch trin¬ ken wollen. Bey dieser Kindernahrung möchte man uns gar zu gern beständig erhalten. Ohne starke Speise wird aber kein Mann im Einzel¬ nen, werden keine Männer im Allgemeinen: das hält im Moralischen wie im Physischen. Es thut mir leid, wenn ich in den Ton der Anmasslichkeit gefallen seyn sollte. Aber es ist schwer, es ist sogar ohne Verrath der Sa¬ che unmöglich, bey gewissen Gegenständen die schöne Bescheidenheit zu halten. Ich überlasse das Gesagte der Prüfung und seiner Wirkung, und bin zufrieden, dass ich das Wahre und Gute wollte.
Es ist eine sehr alte Bemerkung, dass fast jeder Schriftsteller in seinen Büchern nur sein Ich schreibt. Das kann nicht anders seyn und soll wohl nicht anders seyn; wenn sich nur je¬ der vorher in gutes Licht und reine Stimmung setzt. Ich bin mir bewusst, dass ich lieber das Gute sehe und mich darüber freue, als das
Aber es wird doch meistens entweder gar nicht oder nur sehr leise gesagt: und mich däucht es ist doch nothwendig, daſs es nun nach und nach auch laut und fest und deutlich gesagt werde, wenn wir nicht in Ewigkeit Milch trin¬ ken wollen. Bey dieser Kindernahrung möchte man uns gar zu gern beständig erhalten. Ohne starke Speise wird aber kein Mann im Einzel¬ nen, werden keine Männer im Allgemeinen: das hält im Moralischen wie im Physischen. Es thut mir leid, wenn ich in den Ton der Anmaſslichkeit gefallen seyn sollte. Aber es ist schwer, es ist sogar ohne Verrath der Sa¬ che unmöglich, bey gewissen Gegenständen die schöne Bescheidenheit zu halten. Ich überlasse das Gesagte der Prüfung und seiner Wirkung, und bin zufrieden, daſs ich das Wahre und Gute wollte.
Es ist eine sehr alte Bemerkung, daſs fast jeder Schriftsteller in seinen Büchern nur sein Ich schreibt. Das kann nicht anders seyn und soll wohl nicht anders seyn; wenn sich nur je¬ der vorher in gutes Licht und reine Stimmung setzt. Ich bin mir bewuſst, daſs ich lieber das Gute sehe und mich darüber freue, als das
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[IV/0014]
Aber es wird doch meistens entweder gar nicht
oder nur sehr leise gesagt: und mich däucht
es ist doch nothwendig, daſs es nun nach und
nach auch laut und fest und deutlich gesagt
werde, wenn wir nicht in Ewigkeit Milch trin¬
ken wollen. Bey dieser Kindernahrung möchte
man uns gar zu gern beständig erhalten. Ohne
starke Speise wird aber kein Mann im Einzel¬
nen, werden keine Männer im Allgemeinen:
das hält im Moralischen wie im Physischen.
Es thut mir leid, wenn ich in den Ton der
Anmaſslichkeit gefallen seyn sollte. Aber es
ist schwer, es ist sogar ohne Verrath der Sa¬
che unmöglich, bey gewissen Gegenständen die
schöne Bescheidenheit zu halten. Ich überlasse
das Gesagte der Prüfung und seiner Wirkung,
und bin zufrieden, daſs ich das Wahre und
Gute wollte.
Es ist eine sehr alte Bemerkung, daſs fast
jeder Schriftsteller in seinen Büchern nur sein
Ich schreibt. Das kann nicht anders seyn und
soll wohl nicht anders seyn; wenn sich nur je¬
der vorher in gutes Licht und reine Stimmung
setzt. Ich bin mir bewuſst, daſs ich lieber das
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. IV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/14>, abgerufen am 23.11.2024.
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