hafen erklärt hat. Auf der südlichen Höhe der Stadt steht die alte Kathedralkirche, wo ausser dem unver¬ weslichen heiligen Cyriakus noch einige andere Kapi¬ talheilige begraben liegen, deren Namen mir entfallen sind. Man findet dort eine schöne prächtige, funkel¬ nagelneue Inskription, dass Pius der Sechste auf sei¬ ner Rückkehr aus Deutschland, wo er die Wiener ge¬ segnet hatte, daselbst die Unverweslichkeit des Heili¬ gen in Augenschein genommen, bewundert und von neuem dokumentiert habe. Dieses Monument des Wunderglaubens ist dem Papst auf Kosten des Volks und der Stände der Mark Ankona in der glänzenden marmornen Krypte der Heiligen errichtet worden. O sancta!
Die Börse ist ein grosser, schöner, gewölbter Saal mitten in der Stadt, mit interessanten gut gearbeiteten Gemählden und Statüen, welche moralische und bür¬ gerliche Tugenden vorstellen. Die erstern sollen von Perugino seyn, wie man mir sagte; ich hätte sie nicht für so alt gehalten.
Im Theater gab man die alte Posse, der lustige Schuster, gar nicht übel; und das italiänische Talent zur Burleske mit dem feinen Takt für Schicklichkeit und Anstand zeigte sich hier sehr vortheilhaft. Ich kann nicht umhin, Dir hier einige Worte über un¬ sere deutschen Landsleute auf der Bühne zu sagen. Es wäre wohl zu wünschen, dass sie etwas von der Delikatesse der Wälschen hierin hätten oder lernten. Das ist bey uns ein ewiges Küssen und sogar Schma¬ tzen auf den Brettern bey jeder Gelegenheit. Wenn man glaubt, dass dieses eine schöne ästhetische Wir¬
hafen erklärt hat. Auf der südlichen Höhe der Stadt steht die alte Kathedralkirche, wo auſser dem unver¬ weslichen heiligen Cyriakus noch einige andere Kapi¬ talheilige begraben liegen, deren Namen mir entfallen sind. Man findet dort eine schöne prächtige, funkel¬ nagelneue Inskription, daſs Pius der Sechste auf sei¬ ner Rückkehr aus Deutschland, wo er die Wiener ge¬ segnet hatte, daselbst die Unverweslichkeit des Heili¬ gen in Augenschein genommen, bewundert und von neuem dokumentiert habe. Dieses Monument des Wunderglaubens ist dem Papst auf Kosten des Volks und der Stände der Mark Ankona in der glänzenden marmornen Krypte der Heiligen errichtet worden. O sancta!
Die Börse ist ein groſser, schöner, gewölbter Saal mitten in der Stadt, mit interessanten gut gearbeiteten Gemählden und Statüen, welche moralische und bür¬ gerliche Tugenden vorstellen. Die erstern sollen von Perugino seyn, wie man mir sagte; ich hätte sie nicht für so alt gehalten.
Im Theater gab man die alte Posse, der lustige Schuster, gar nicht übel; und das italiänische Talent zur Burleske mit dem feinen Takt für Schicklichkeit und Anstand zeigte sich hier sehr vortheilhaft. Ich kann nicht umhin, Dir hier einige Worte über un¬ sere deutschen Landsleute auf der Bühne zu sagen. Es wäre wohl zu wünschen, daſs sie etwas von der Delikatesse der Wälschen hierin hätten oder lernten. Das ist bey uns ein ewiges Küssen und sogar Schma¬ tzen auf den Brettern bey jeder Gelegenheit. Wenn man glaubt, daſs dieses eine schöne ästhetische Wir¬
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hafen erklärt hat. Auf der südlichen Höhe der Stadt
steht die alte Kathedralkirche, wo auſser dem unver¬
weslichen heiligen Cyriakus noch einige andere Kapi¬
talheilige begraben liegen, deren Namen mir entfallen
sind. Man findet dort eine schöne prächtige, funkel¬
nagelneue Inskription, daſs Pius der Sechste auf sei¬
ner Rückkehr aus Deutschland, wo er die Wiener ge¬
segnet hatte, daselbst die Unverweslichkeit des Heili¬
gen in Augenschein genommen, bewundert und von
neuem dokumentiert habe. Dieses Monument des
Wunderglaubens ist dem Papst auf Kosten des Volks
und der Stände der Mark Ankona in der glänzenden
marmornen Krypte der Heiligen errichtet worden.
O sancta!
Die Börse ist ein groſser, schöner, gewölbter Saal
mitten in der Stadt, mit interessanten gut gearbeiteten
Gemählden und Statüen, welche moralische und bür¬
gerliche Tugenden vorstellen. Die erstern sollen von
Perugino seyn, wie man mir sagte; ich hätte sie nicht
für so alt gehalten.
Im Theater gab man die alte Posse, der lustige
Schuster, gar nicht übel; und das italiänische Talent
zur Burleske mit dem feinen Takt für Schicklichkeit
und Anstand zeigte sich hier sehr vortheilhaft. Ich
kann nicht umhin, Dir hier einige Worte über un¬
sere deutschen Landsleute auf der Bühne zu sagen.
Es wäre wohl zu wünschen, daſs sie etwas von der
Delikatesse der Wälschen hierin hätten oder lernten.
Das ist bey uns ein ewiges Küssen und sogar Schma¬
tzen auf den Brettern bey jeder Gelegenheit. Wenn
man glaubt, daſs dieses eine schöne ästhetische Wir¬
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/156>, abgerufen am 29.11.2024.
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