hinlänglich bekannt ist. Die Schrift fängt an ziem¬ lich zu verwittern, und man muss schon sehr ziffern, wenn man den Sinn heraus haben will. Es müsste denn nur mir so gegangen seyn, der ich im Lesen der Steinschriften nicht geübt bin. Der neue Bogen des Van Vittelli, weiter hinaus, steht gegen den alten sehr demüthig da. Ganz am Ende des Molo steht ein Wachthurm, und vor demselben standen einige Piecen Artillerie auf dem Molo hereinwärts, die den Hafen bestreichen. Die übrigen Stücke decken oder wehren bloss den Eingang von der Seite von Loretto. Am Thurme stand eine französische Wache, deren man in der ganzen Stadt sonst nicht viele fand, obgleich die Besatzung ziemlich stark ist. Est ce qu'il est permis de monter la tour pour voir la contree? fragte ich. Non; war die Antwort: ich musste also zurückgehen und die Berge rund umher besteigen, wenn ich die Aus¬ sicht theilweise haben wollte, die ich hier ganz hätte haben können. Es mag freylich wohl der beste mili¬ tärische Augenpunkt seyn. Das Seelazareth an dem andern Ende des Hafens, gleich am Wege von Loretto und Sinigaglia, der sich dort trennt, ist ein sehr schö¬ nes Gebäude ganz im Meere, so dass eine Brücke hinüber führt. Es hat rund herum eine Menge schö¬ ner bequemer Gemächer, eine Kapelle mitten im Ho¬ fe, frisches Wasser durch Röhren vom Berge und ein ziemlich grosses Waarenhaus. Auch das Militärspital auf dem Lande ist ein schönes weitläufiges Gebäude. Die Schiffe sind meistens fremde und die Handlung hebt sich nur sehr langsam durch die Massregel des römischen Hofes, dass man Ankona zu einem Frey¬
9
hinlänglich bekannt ist. Die Schrift fängt an ziem¬ lich zu verwittern, und man muſs schon sehr ziffern, wenn man den Sinn heraus haben will. Es müſste denn nur mir so gegangen seyn, der ich im Lesen der Steinschriften nicht geübt bin. Der neue Bogen des Van Vittelli, weiter hinaus, steht gegen den alten sehr demüthig da. Ganz am Ende des Molo steht ein Wachthurm, und vor demselben standen einige Piecen Artillerie auf dem Molo hereinwärts, die den Hafen bestreichen. Die übrigen Stücke decken oder wehren bloſs den Eingang von der Seite von Loretto. Am Thurme stand eine französische Wache, deren man in der ganzen Stadt sonst nicht viele fand, obgleich die Besatzung ziemlich stark ist. Est ce qu'il est permis de monter la tour pour voir la contrée? fragte ich. Non; war die Antwort: ich muſste also zurückgehen und die Berge rund umher besteigen, wenn ich die Aus¬ sicht theilweise haben wollte, die ich hier ganz hätte haben können. Es mag freylich wohl der beste mili¬ tärische Augenpunkt seyn. Das Seelazareth an dem andern Ende des Hafens, gleich am Wege von Loretto und Sinigaglia, der sich dort trennt, ist ein sehr schö¬ nes Gebäude ganz im Meere, so daſs eine Brücke hinüber führt. Es hat rund herum eine Menge schö¬ ner bequemer Gemächer, eine Kapelle mitten im Ho¬ fe, frisches Wasser durch Röhren vom Berge und ein ziemlich groſses Waarenhaus. Auch das Militärspital auf dem Lande ist ein schönes weitläufiges Gebäude. Die Schiffe sind meistens fremde und die Handlung hebt sich nur sehr langsam durch die Maſsregel des römischen Hofes, daſs man Ankona zu einem Frey¬
9
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0155"n="129"/>
hinlänglich bekannt ist. Die Schrift fängt an ziem¬<lb/>
lich zu verwittern, und man muſs schon sehr ziffern,<lb/>
wenn man den Sinn heraus haben will. Es müſste<lb/>
denn nur mir so gegangen seyn, der ich im Lesen<lb/>
der Steinschriften nicht geübt bin. Der neue Bogen<lb/>
des Van Vittelli, weiter hinaus, steht gegen den alten<lb/>
sehr demüthig da. Ganz am Ende des Molo steht ein<lb/>
Wachthurm, und vor demselben standen einige Piecen<lb/>
Artillerie auf dem Molo hereinwärts, die den Hafen<lb/>
bestreichen. Die übrigen Stücke decken oder wehren<lb/>
bloſs den Eingang von der Seite von Loretto. Am<lb/>
Thurme stand eine französische Wache, deren man in<lb/>
der ganzen Stadt sonst nicht viele fand, obgleich die<lb/>
Besatzung ziemlich stark ist. <hirendition="#i">Est ce qu'il est permis de<lb/>
monter la tour pour voir la contrée?</hi> fragte ich. <hirendition="#i">Non</hi>;<lb/>
war die Antwort: ich muſste also zurückgehen und<lb/>
die Berge rund umher besteigen, wenn ich die Aus¬<lb/>
sicht theilweise haben wollte, die ich hier ganz hätte<lb/>
haben können. Es mag freylich wohl der beste mili¬<lb/>
tärische Augenpunkt seyn. Das Seelazareth an dem<lb/>
andern Ende des Hafens, gleich am Wege von Loretto<lb/>
und Sinigaglia, der sich dort trennt, ist ein sehr schö¬<lb/>
nes Gebäude ganz im Meere, so daſs eine Brücke<lb/>
hinüber führt. Es hat rund herum eine Menge schö¬<lb/>
ner bequemer Gemächer, eine Kapelle mitten im Ho¬<lb/>
fe, frisches Wasser durch Röhren vom Berge und ein<lb/>
ziemlich groſses Waarenhaus. Auch das Militärspital<lb/>
auf dem Lande ist ein schönes weitläufiges Gebäude.<lb/>
Die Schiffe sind meistens fremde und die Handlung<lb/>
hebt sich nur sehr langsam durch die Maſsregel des<lb/>
römischen Hofes, daſs man Ankona zu einem Frey¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">9<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[129/0155]
hinlänglich bekannt ist. Die Schrift fängt an ziem¬
lich zu verwittern, und man muſs schon sehr ziffern,
wenn man den Sinn heraus haben will. Es müſste
denn nur mir so gegangen seyn, der ich im Lesen
der Steinschriften nicht geübt bin. Der neue Bogen
des Van Vittelli, weiter hinaus, steht gegen den alten
sehr demüthig da. Ganz am Ende des Molo steht ein
Wachthurm, und vor demselben standen einige Piecen
Artillerie auf dem Molo hereinwärts, die den Hafen
bestreichen. Die übrigen Stücke decken oder wehren
bloſs den Eingang von der Seite von Loretto. Am
Thurme stand eine französische Wache, deren man in
der ganzen Stadt sonst nicht viele fand, obgleich die
Besatzung ziemlich stark ist. Est ce qu'il est permis de
monter la tour pour voir la contrée? fragte ich. Non;
war die Antwort: ich muſste also zurückgehen und
die Berge rund umher besteigen, wenn ich die Aus¬
sicht theilweise haben wollte, die ich hier ganz hätte
haben können. Es mag freylich wohl der beste mili¬
tärische Augenpunkt seyn. Das Seelazareth an dem
andern Ende des Hafens, gleich am Wege von Loretto
und Sinigaglia, der sich dort trennt, ist ein sehr schö¬
nes Gebäude ganz im Meere, so daſs eine Brücke
hinüber führt. Es hat rund herum eine Menge schö¬
ner bequemer Gemächer, eine Kapelle mitten im Ho¬
fe, frisches Wasser durch Röhren vom Berge und ein
ziemlich groſses Waarenhaus. Auch das Militärspital
auf dem Lande ist ein schönes weitläufiges Gebäude.
Die Schiffe sind meistens fremde und die Handlung
hebt sich nur sehr langsam durch die Maſsregel des
römischen Hofes, daſs man Ankona zu einem Frey¬
9
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/155>, abgerufen am 29.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.