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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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einige Zeitungsblätter aus der Tasche und wollte nun
von mir wissen, wie man nach dem Frieden die end¬
liche Ausgleichung machen würde, und wie besonders
der heilige Sitz und die geistlichen Churfürsten dabey
bedacht werden sollten. Daran hatte ich nun mit kei¬
ner Sylbe gedacht, und sagte ihm ganz offenherzig,
das überliesse ich denen, interesset.

Ich bin nicht gern bey solchen Ausgleichungspro¬
jekten; denn es ist fast immer viel Empörendes dabey.
Ein Beyspielchen will ich Dir davon erzählen. Du
kannst Dir nichts Anmasslicheres, Verwegeneres,
Hohnsprechenderes, Impertinenteres denken, als den
Russichen Nationalgeist; nicht den des Volks, sondern
der hoffnungsvollen Sprösslinge der grossen Familien,
die die nächste Anwartschaft auf Aemter im Civil und
bey der Armee haben. Einer dieser Herren, der nur
wenig seinen Kameraden vorging, äusserte in War¬
schau öffentlich im Vorzimmer, er hoffe wohl noch
Russischer Gouverneur in Dresden zu werden und zu
bleiben. Die Frage war eben, wie man Oestreich
über die zweite Theilung in Polen zufrieden stellen
wolle? Der Neffe des Gesandten, der doch Major
bey der Armee und also kein Trossbube war, meinte
ganz naiv und unbefangen, da gäbe es ja noch Chur¬
fürsten und Fürsten genug zu spolieren. Dein Freund
stand bey den Excellenzen, deren einige die morali¬
sche Kataphrase ihres Titels waren, und kehrte sich
trocken weg und sagte: Das ist wenigstens der richtige
Ausdruck. So geht es hier und da.

Der Jäger verliess mich nach einem halben
Stündchen Kosen, und ich verliess den Klitumnus.

einige Zeitungsblätter aus der Tasche und wollte nun
von mir wissen, wie man nach dem Frieden die end¬
liche Ausgleichung machen würde, und wie besonders
der heilige Sitz und die geistlichen Churfürsten dabey
bedacht werden sollten. Daran hatte ich nun mit kei¬
ner Sylbe gedacht, und sagte ihm ganz offenherzig,
das überlieſse ich denen, interesset.

Ich bin nicht gern bey solchen Ausgleichungspro¬
jekten; denn es ist fast immer viel Empörendes dabey.
Ein Beyspielchen will ich Dir davon erzählen. Du
kannst Dir nichts Anmaſslicheres, Verwegeneres,
Hohnsprechenderes, Impertinenteres denken, als den
Russichen Nationalgeist; nicht den des Volks, sondern
der hoffnungsvollen Spröſslinge der groſsen Familien,
die die nächste Anwartschaft auf Aemter im Civil und
bey der Armee haben. Einer dieser Herren, der nur
wenig seinen Kameraden vorging, äuſserte in War¬
schau öffentlich im Vorzimmer, er hoffe wohl noch
Russischer Gouverneur in Dresden zu werden und zu
bleiben. Die Frage war eben, wie man Oestreich
über die zweite Theilung in Polen zufrieden stellen
wolle? Der Neffe des Gesandten, der doch Major
bey der Armee und also kein Troſsbube war, meinte
ganz naiv und unbefangen, da gäbe es ja noch Chur¬
fürsten und Fürsten genug zu spolieren. Dein Freund
stand bey den Excellenzen, deren einige die morali¬
sche Kataphrase ihres Titels waren, und kehrte sich
trocken weg und sagte: Das ist wenigstens der richtige
Ausdruck. So geht es hier und da.

Der Jäger verlieſs mich nach einem halben
Stündchen Kosen, und ich verlieſs den Klitumnus.

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[144/0170] einige Zeitungsblätter aus der Tasche und wollte nun von mir wissen, wie man nach dem Frieden die end¬ liche Ausgleichung machen würde, und wie besonders der heilige Sitz und die geistlichen Churfürsten dabey bedacht werden sollten. Daran hatte ich nun mit kei¬ ner Sylbe gedacht, und sagte ihm ganz offenherzig, das überlieſse ich denen, interesset. Ich bin nicht gern bey solchen Ausgleichungspro¬ jekten; denn es ist fast immer viel Empörendes dabey. Ein Beyspielchen will ich Dir davon erzählen. Du kannst Dir nichts Anmaſslicheres, Verwegeneres, Hohnsprechenderes, Impertinenteres denken, als den Russichen Nationalgeist; nicht den des Volks, sondern der hoffnungsvollen Spröſslinge der groſsen Familien, die die nächste Anwartschaft auf Aemter im Civil und bey der Armee haben. Einer dieser Herren, der nur wenig seinen Kameraden vorging, äuſserte in War¬ schau öffentlich im Vorzimmer, er hoffe wohl noch Russischer Gouverneur in Dresden zu werden und zu bleiben. Die Frage war eben, wie man Oestreich über die zweite Theilung in Polen zufrieden stellen wolle? Der Neffe des Gesandten, der doch Major bey der Armee und also kein Troſsbube war, meinte ganz naiv und unbefangen, da gäbe es ja noch Chur¬ fürsten und Fürsten genug zu spolieren. Dein Freund stand bey den Excellenzen, deren einige die morali¬ sche Kataphrase ihres Titels waren, und kehrte sich trocken weg und sagte: Das ist wenigstens der richtige Ausdruck. So geht es hier und da. Der Jäger verlieſs mich nach einem halben Stündchen Kosen, und ich verlieſs den Klitumnus.

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/170>, abgerufen am 30.11.2024.