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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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und desswegen erkannte ich ihn sogleich, da mir seine
Distanz von Rom bekannt war. Hinten schliesst er
sich durch eine Kette von Hügeln an den Apennin.
Der Berg ist zwar ziemlich hoch, aber gegen die
Apenninen hinter ihm doch nur ein Zwerg. Ich will
mir doch einmahl ein recht schulmeisterlich herme¬
nevtisches Ansehen geben, und Dir hierbey eine prag¬
matische Bemerkung machen. Vielleicht weisst Du
sie schon; thut nichts; eine gute Sache kann man
zweymahl hören. Du darfst von dem hohen Schnee
des Horaz nicht eben auf die Höhe des Berges schlie¬
ssen. Der Sorakte hat, weil er mit der grossen Berg¬
kette der Apenninen verglichen, doch nicht ausseror-
dentlich hoch ist und tiefer herab in der Ebene liegt,
nur selten Schnee; und Herr Horaz wollte durch sei¬
nen Schnee den ziemlich starken Winter anzeigen,
wo man wohl thäte, Kastanien zu braten und sich
zum Kamin und zum Becher zu halten. Das finde
ich denn ganz vernünftig. Vielleicht war er eben da¬
mahls in Tibur, wo er von Mäcens Landgute bloss die
Spitze des beschneyten Sorakte sehr malerisch grup¬
piert vor sich hatte. Uebrigens thue ich dem Horaz
keine kleine Ehre, dass ich mich mit einem seiner
Verse so lange beschäftige; denn er ist durch seine
Sinnesart mein Mann gar nicht, und es ist Schade,
dass die Musen gerade an ihn so viel verschwendet
haben.

Nepi könnte ein gar herrlicher Ort seyn, wenn
die Leute hier etwas fleissiger seyn wollten: aber je
näher man Rom kommt, desto deutlicher spürt man
die Folgen des päpstlichen Segens, die durchaus wie

und deſswegen erkannte ich ihn sogleich, da mir seine
Distanz von Rom bekannt war. Hinten schlieſst er
sich durch eine Kette von Hügeln an den Apennin.
Der Berg ist zwar ziemlich hoch, aber gegen die
Apenninen hinter ihm doch nur ein Zwerg. Ich will
mir doch einmahl ein recht schulmeisterlich herme¬
nevtisches Ansehen geben, und Dir hierbey eine prag¬
matische Bemerkung machen. Vielleicht weiſst Du
sie schon; thut nichts; eine gute Sache kann man
zweymahl hören. Du darfst von dem hohen Schnee
des Horaz nicht eben auf die Höhe des Berges schlie¬
ſsen. Der Sorakte hat, weil er mit der groſsen Berg¬
kette der Apenninen verglichen, doch nicht auſseror-
dentlich hoch ist und tiefer herab in der Ebene liegt,
nur selten Schnee; und Herr Horaz wollte durch sei¬
nen Schnee den ziemlich starken Winter anzeigen,
wo man wohl thäte, Kastanien zu braten und sich
zum Kamin und zum Becher zu halten. Das finde
ich denn ganz vernünftig. Vielleicht war er eben da¬
mahls in Tibur, wo er von Mäcens Landgute bloſs die
Spitze des beschneyten Sorakte sehr malerisch grup¬
piert vor sich hatte. Uebrigens thue ich dem Horaz
keine kleine Ehre, daſs ich mich mit einem seiner
Verse so lange beschäftige; denn er ist durch seine
Sinnesart mein Mann gar nicht, und es ist Schade,
daſs die Musen gerade an ihn so viel verschwendet
haben.

Nepi könnte ein gar herrlicher Ort seyn, wenn
die Leute hier etwas fleiſsiger seyn wollten: aber je
näher man Rom kommt, desto deutlicher spürt man
die Folgen des päpstlichen Segens, die durchaus wie

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[158/0184] und deſswegen erkannte ich ihn sogleich, da mir seine Distanz von Rom bekannt war. Hinten schlieſst er sich durch eine Kette von Hügeln an den Apennin. Der Berg ist zwar ziemlich hoch, aber gegen die Apenninen hinter ihm doch nur ein Zwerg. Ich will mir doch einmahl ein recht schulmeisterlich herme¬ nevtisches Ansehen geben, und Dir hierbey eine prag¬ matische Bemerkung machen. Vielleicht weiſst Du sie schon; thut nichts; eine gute Sache kann man zweymahl hören. Du darfst von dem hohen Schnee des Horaz nicht eben auf die Höhe des Berges schlie¬ ſsen. Der Sorakte hat, weil er mit der groſsen Berg¬ kette der Apenninen verglichen, doch nicht auſseror- dentlich hoch ist und tiefer herab in der Ebene liegt, nur selten Schnee; und Herr Horaz wollte durch sei¬ nen Schnee den ziemlich starken Winter anzeigen, wo man wohl thäte, Kastanien zu braten und sich zum Kamin und zum Becher zu halten. Das finde ich denn ganz vernünftig. Vielleicht war er eben da¬ mahls in Tibur, wo er von Mäcens Landgute bloſs die Spitze des beschneyten Sorakte sehr malerisch grup¬ piert vor sich hatte. Uebrigens thue ich dem Horaz keine kleine Ehre, daſs ich mich mit einem seiner Verse so lange beschäftige; denn er ist durch seine Sinnesart mein Mann gar nicht, und es ist Schade, daſs die Musen gerade an ihn so viel verschwendet haben. Nepi könnte ein gar herrlicher Ort seyn, wenn die Leute hier etwas fleiſsiger seyn wollten: aber je näher man Rom kommt, desto deutlicher spürt man die Folgen des päpstlichen Segens, die durchaus wie

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/184>, abgerufen am 29.11.2024.