Fluch aussehen. Hinter Monterosi packte mich ein Vetturino, der von Viterbo kam und nach Rom ging, mit solchem Ungestüm an, dass ich mich nothwendig in seinen Wagen setzen musste, wo ich einen stattlich gekleideten Herrn fand, der eine todte Ziege und ei¬ nen Korb voll anderer Viktualien neben sich hatte. Die Ziege wurde eingepackt und der Korb beyseite gesetzt; ich legte meinen Tornister zu meinen Füssen gehörig in Ordnung, und pflanzte mich Barbaren ne¬ ben den zierlichen Römer. Er belugte mich stark und ich ihn nur oben hin; nach einigen Minuten fing das Gespräch an, und ich schwatzte so gut ich in der neuen römischen Zunge konnte. Das ewige Thema waren leider wieder Mordgeschichten, und der Herr guckte jede Minute zum Schlage hinaus, ob er keine Pistolenholfter sähe. Ganz spasshaft ist es freylich nicht, wie ich nachher erfahren habe: aber eine sol¬ che Furcht ist doch sehr possierlich und lächerlich. Diese Angst hielt bey dem Mann an bis wir an die Geyerbrücke von Rom kamen, wo er sich nach und nach wieder erholte. Am Volksthore, denn durch dieses fuhren wir ein, fragten die päpstlichen Patron¬ taschen nach meinem Passe und brachten ihn sogleich zurück mit der Bitte: Qualche cosa della bona grazia pella guardia. So so; das fängt gut an: ich musste wohl einige Paolo herausrücken. Da hielten wir nun vor dem grossen Obelisken und ich überlegte, nach welcher von den drey grossen Strassen ich auf gut Glück hinunter gehen sollte. Eben hatte ich meinen Gesichtspunkt in die Mitte hinab durch den Corso ge¬ nommen und wollte aussteigen, als mein Kamerad
Fluch aussehen. Hinter Monterosi packte mich ein Vetturino, der von Viterbo kam und nach Rom ging, mit solchem Ungestüm an, daſs ich mich nothwendig in seinen Wagen setzen muſste, wo ich einen stattlich gekleideten Herrn fand, der eine todte Ziege und ei¬ nen Korb voll anderer Viktualien neben sich hatte. Die Ziege wurde eingepackt und der Korb beyseite gesetzt; ich legte meinen Tornister zu meinen Füſsen gehörig in Ordnung, und pflanzte mich Barbaren ne¬ ben den zierlichen Römer. Er belugte mich stark und ich ihn nur oben hin; nach einigen Minuten fing das Gespräch an, und ich schwatzte so gut ich in der neuen römischen Zunge konnte. Das ewige Thema waren leider wieder Mordgeschichten, und der Herr guckte jede Minute zum Schlage hinaus, ob er keine Pistolenholfter sähe. Ganz spaſshaft ist es freylich nicht, wie ich nachher erfahren habe: aber eine sol¬ che Furcht ist doch sehr possierlich und lächerlich. Diese Angst hielt bey dem Mann an bis wir an die Geyerbrücke von Rom kamen, wo er sich nach und nach wieder erholte. Am Volksthore, denn durch dieses fuhren wir ein, fragten die päpstlichen Patron¬ taschen nach meinem Passe und brachten ihn sogleich zurück mit der Bitte: Qualche cosa della bona grazia pella guardia. So so; das fängt gut an: ich muſste wohl einige Paolo herausrücken. Da hielten wir nun vor dem groſsen Obelisken und ich überlegte, nach welcher von den drey groſsen Straſsen ich auf gut Glück hinunter gehen sollte. Eben hatte ich meinen Gesichtspunkt in die Mitte hinab durch den Corso ge¬ nommen und wollte aussteigen, als mein Kamerad
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Fluch aussehen. Hinter Monterosi packte mich ein
Vetturino, der von Viterbo kam und nach Rom ging,
mit solchem Ungestüm an, daſs ich mich nothwendig
in seinen Wagen setzen muſste, wo ich einen stattlich
gekleideten Herrn fand, der eine todte Ziege und ei¬
nen Korb voll anderer Viktualien neben sich hatte.
Die Ziege wurde eingepackt und der Korb beyseite
gesetzt; ich legte meinen Tornister zu meinen Füſsen
gehörig in Ordnung, und pflanzte mich Barbaren ne¬
ben den zierlichen Römer. Er belugte mich stark
und ich ihn nur oben hin; nach einigen Minuten fing
das Gespräch an, und ich schwatzte so gut ich in der
neuen römischen Zunge konnte. Das ewige Thema
waren leider wieder Mordgeschichten, und der Herr
guckte jede Minute zum Schlage hinaus, ob er keine
Pistolenholfter sähe. Ganz spaſshaft ist es freylich
nicht, wie ich nachher erfahren habe: aber eine sol¬
che Furcht ist doch sehr possierlich und lächerlich.
Diese Angst hielt bey dem Mann an bis wir an die
Geyerbrücke von Rom kamen, wo er sich nach und
nach wieder erholte. Am Volksthore, denn durch
dieses fuhren wir ein, fragten die päpstlichen Patron¬
taschen nach meinem Passe und brachten ihn sogleich
zurück mit der Bitte: Qualche cosa della bona grazia
pella guardia. So so; das fängt gut an: ich muſste
wohl einige Paolo herausrücken. Da hielten wir nun
vor dem groſsen Obelisken und ich überlegte, nach
welcher von den drey groſsen Straſsen ich auf gut
Glück hinunter gehen sollte. Eben hatte ich meinen
Gesichtspunkt in die Mitte hinab durch den Corso ge¬
nommen und wollte aussteigen, als mein Kamerad
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/185>, abgerufen am 29.11.2024.
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