Dort unten lag Minturnä; dort, stelle ich mir vor, stand das Haus, wo der Cimbrer mit dem Schwerte kam, als öffentlicher Henker den Ueberwinder seiner Nation zu tödten, und wo dieser gefangene Ueberwin¬ der ihm mit einigen Worten Todesschrecken in die Glieder jagte. "Mensch, wagst du es, den Kajus Ma¬ rius zu morden?" Weiter hinab rechts ist die Sumpfgegend, wo nach der Flucht der erste Mann der ersten Stadt der Welt sich im Schilfe verbarg, bis er sich hinüber nach Afrika retten konnte. Ich setzte unter diesen Gedanken über den Garigliano, und merkte kaum, dass ich diesseits von einer Menge Mauleseltreiber umgeben war, die mir alle sich und ihre Thiere zum Dienst anboten. Da half kein De¬ monstrieren, sie machten die Kleinigkeit der Foderung noch kleiner und setzten mich halb mit Gewalt auf ein lastbares Stück, schnallten meinen Reisesack in Ordnung, und so zog ich mit der lieblichen Karavane weiter. Ein Kalabrese hatte mich in Mola gebeten ihm meine Gesellschaft zu erlauben, und ich konnte nichts dawider haben. Ein Junge von ungefähr drey¬ zehn Jahren hatte sich einige Millien weiter herab an¬ geschlossen, der in der Residenz sein Glück versuchen wollte, weil seine Stiefmutter zu Hause den Kredit ihres Namens etwas zu strenge behauptete. Beyde lie¬ fen neben her. Es wurde bald alles durchfragt, und der Junge musste etwas weitläufig seine Geschichte er¬ zählen. Nun fing mein alter Eseltreiber an mit wahr¬ haft väterlicher Wärme dem jungen Menschen die Ge¬ fahr vorzustellen, der er entgegen liefe. Er that die¬ ses mit einer Zärtlichkeit, einer Heftigkeit und mit
Dort unten lag Minturnä; dort, stelle ich mir vor, stand das Haus, wo der Cimbrer mit dem Schwerte kam, als öffentlicher Henker den Ueberwinder seiner Nation zu tödten, und wo dieser gefangene Ueberwin¬ der ihm mit einigen Worten Todesschrecken in die Glieder jagte. „Mensch, wagst du es, den Kajus Ma¬ rius zu morden?“ Weiter hinab rechts ist die Sumpfgegend, wo nach der Flucht der erste Mann der ersten Stadt der Welt sich im Schilfe verbarg, bis er sich hinüber nach Afrika retten konnte. Ich setzte unter diesen Gedanken über den Garigliano, und merkte kaum, daſs ich dieſseits von einer Menge Mauleseltreiber umgeben war, die mir alle sich und ihre Thiere zum Dienst anboten. Da half kein De¬ monstrieren, sie machten die Kleinigkeit der Foderung noch kleiner und setzten mich halb mit Gewalt auf ein lastbares Stück, schnallten meinen Reisesack in Ordnung, und so zog ich mit der lieblichen Karavane weiter. Ein Kalabrese hatte mich in Mola gebeten ihm meine Gesellschaft zu erlauben, und ich konnte nichts dawider haben. Ein Junge von ungefähr drey¬ zehn Jahren hatte sich einige Millien weiter herab an¬ geschlossen, der in der Residenz sein Glück versuchen wollte, weil seine Stiefmutter zu Hause den Kredit ihres Namens etwas zu strenge behauptete. Beyde lie¬ fen neben her. Es wurde bald alles durchfragt, und der Junge muſste etwas weitläufig seine Geschichte er¬ zählen. Nun fing mein alter Eseltreiber an mit wahr¬ haft väterlicher Wärme dem jungen Menschen die Ge¬ fahr vorzustellen, der er entgegen liefe. Er that die¬ ses mit einer Zärtlichkeit, einer Heftigkeit und mit
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[178/0204]
Dort unten lag Minturnä; dort, stelle ich mir vor,
stand das Haus, wo der Cimbrer mit dem Schwerte
kam, als öffentlicher Henker den Ueberwinder seiner
Nation zu tödten, und wo dieser gefangene Ueberwin¬
der ihm mit einigen Worten Todesschrecken in die
Glieder jagte. „Mensch, wagst du es, den Kajus Ma¬
rius zu morden?“ Weiter hinab rechts ist die
Sumpfgegend, wo nach der Flucht der erste Mann
der ersten Stadt der Welt sich im Schilfe verbarg, bis
er sich hinüber nach Afrika retten konnte. Ich setzte
unter diesen Gedanken über den Garigliano, und
merkte kaum, daſs ich dieſseits von einer Menge
Mauleseltreiber umgeben war, die mir alle sich und
ihre Thiere zum Dienst anboten. Da half kein De¬
monstrieren, sie machten die Kleinigkeit der Foderung
noch kleiner und setzten mich halb mit Gewalt auf
ein lastbares Stück, schnallten meinen Reisesack in
Ordnung, und so zog ich mit der lieblichen Karavane
weiter. Ein Kalabrese hatte mich in Mola gebeten
ihm meine Gesellschaft zu erlauben, und ich konnte
nichts dawider haben. Ein Junge von ungefähr drey¬
zehn Jahren hatte sich einige Millien weiter herab an¬
geschlossen, der in der Residenz sein Glück versuchen
wollte, weil seine Stiefmutter zu Hause den Kredit
ihres Namens etwas zu strenge behauptete. Beyde lie¬
fen neben her. Es wurde bald alles durchfragt, und
der Junge muſste etwas weitläufig seine Geschichte er¬
zählen. Nun fing mein alter Eseltreiber an mit wahr¬
haft väterlicher Wärme dem jungen Menschen die Ge¬
fahr vorzustellen, der er entgegen liefe. Er that die¬
ses mit einer Zärtlichkeit, einer Heftigkeit und mit
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/204>, abgerufen am 27.11.2024.
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