Gaurus und weiter hin die beschneyten Apenninen; unten der Agnano mit der Hundsgrotte, deren Ein¬ gang nur ein hervorspringender Hügel bedeckt; der neue Berg hinter der Solfatara; alte und neue Berge, ausgebrannte und brennende Vulcane, alte und neue Städte, Elysium und die Hölle: -- alles dieses fassest Du mit Deinem Auge, ehe Du hier eine Zeile liesest. Tief tief in der Ferne sieht man noch Ponza und ei¬ nige kleinere Inseln. Da haben die Mönche wieder das beste gewählt. Freund, wenn Du einmal hörst, dass ich unbegreiflich verschwunden bin, so bringe mit unter Deine Muthmassungen, dass ich vielleicht der schönsten Natur die grösste Sottise zum Opfer ge¬ bracht habe und hier unter den Anachoreten hause. Hier den Homer und Virgil, den Thucydides und et¬ was von der attischen Biene, abwechselnd mit Aristo¬ phanes, Lucian und Juvenal; so könnte man wohl in den Kastanienwäldern leben und das Bisschen Vernunft bey sich behalten: denn diese wird jetzt doch überall wieder konterband. Also gehe zu den Kamaldulensern, wenn Du auch nicht in Versuchung bist, bey ihnen oben zu bleiben.
Jetzt schliesse ich und schreibe Dir vermuthlich noch einiges über Neapel, wenn ich aus Trinakrion zurückkomme; denn eben muss ich zu Schiffe nach Palermo.
Gaurus und weiter hin die beschneyten Apenninen; unten der Agnano mit der Hundsgrotte, deren Ein¬ gang nur ein hervorspringender Hügel bedeckt; der neue Berg hinter der Solfatara; alte und neue Berge, ausgebrannte und brennende Vulcane, alte und neue Städte, Elysium und die Hölle: — alles dieses fassest Du mit Deinem Auge, ehe Du hier eine Zeile liesest. Tief tief in der Ferne sieht man noch Ponza und ei¬ nige kleinere Inseln. Da haben die Mönche wieder das beste gewählt. Freund, wenn Du einmal hörst, daſs ich unbegreiflich verschwunden bin, so bringe mit unter Deine Muthmaſsungen, daſs ich vielleicht der schönsten Natur die gröſste Sottise zum Opfer ge¬ bracht habe und hier unter den Anachoreten hause. Hier den Homer und Virgil, den Thucydides und et¬ was von der attischen Biene, abwechselnd mit Aristo¬ phanes, Lucian und Juvenal; so könnte man wohl in den Kastanienwäldern leben und das Biſschen Vernunft bey sich behalten: denn diese wird jetzt doch überall wieder konterband. Also gehe zu den Kamaldulensern, wenn Du auch nicht in Versuchung bist, bey ihnen oben zu bleiben.
Jetzt schlieſse ich und schreibe Dir vermuthlich noch einiges über Neapel, wenn ich aus Trinakrion zurückkomme; denn eben muſs ich zu Schiffe nach Palermo.
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Gaurus und weiter hin die beschneyten Apenninen;
unten der Agnano mit der Hundsgrotte, deren Ein¬
gang nur ein hervorspringender Hügel bedeckt; der
neue Berg hinter der Solfatara; alte und neue Berge,
ausgebrannte und brennende Vulcane, alte und neue
Städte, Elysium und die Hölle: — alles dieses fassest
Du mit Deinem Auge, ehe Du hier eine Zeile liesest.
Tief tief in der Ferne sieht man noch Ponza und ei¬
nige kleinere Inseln. Da haben die Mönche wieder
das beste gewählt. Freund, wenn Du einmal hörst,
daſs ich unbegreiflich verschwunden bin, so bringe
mit unter Deine Muthmaſsungen, daſs ich vielleicht
der schönsten Natur die gröſste Sottise zum Opfer ge¬
bracht habe und hier unter den Anachoreten hause.
Hier den Homer und Virgil, den Thucydides und et¬
was von der attischen Biene, abwechselnd mit Aristo¬
phanes, Lucian und Juvenal; so könnte man wohl in
den Kastanienwäldern leben und das Biſschen Vernunft
bey sich behalten: denn diese wird jetzt doch überall
wieder konterband. Also gehe zu den Kamaldulensern,
wenn Du auch nicht in Versuchung bist, bey ihnen
oben zu bleiben.
Jetzt schlieſse ich und schreibe Dir vermuthlich
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/224>, abgerufen am 25.11.2024.
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