Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.Als vorzüglicher Liebling der helikonischen Schwestern.
Also lebte bey uns einst leidlich der alte Cyklope Polyphemus, als heiss er in Galateen entbrannt war. Nicht mit Versen liebt' er und Aepfeln und zierlichen Locken, Sondern mit völliger Wuth, und hielt alles andre für Tand nur. Oft oft kamen die Schafe von selbst zurück von der Weide Zu der Hürd', und der Hirt sass einsam und sang Galateen Bis zum Abend vom Morgen schmelzend im Riedgras am Ufer, Mit der schmerzlichen schmerzlichen Wunde tief in dem Herzen, Von der cyprischen Göttin, die ihm in die Leber den Pfeil warf. Aber er fand das Mittel; er setzte sich hoch auf den Felsen, Schaute hinaus in das Meer und hob zum Gesange die Stimme: Ach Galatea, Du Schöne, warum verwirfst Du mein Flehen? Weisser bist Du als frischer Käse und zärter als Lämmer, Stolzer als Kälber, und herber als vor der Reife die Traube. Also erscheinest Du mir, wenn der süsse Schlaf mich be¬ schleichet; Also gehst Du von mir, wenn der süsse Schlaf mich ver¬ lässet; Fliehest vor mir, wie ein Schaf, das den Wolf den grauen erblickte. Mädchen, die Liebe zu Dir schlich damals zuerst in das Herz mir, Als vorzüglicher Liebling der helikonischen Schwestern.
Also lebte bey uns einst leidlich der alte Cyklope Polyphemus, als heiſs er in Galateen entbrannt war. Nicht mit Versen liebt' er und Aepfeln und zierlichen Locken, Sondern mit völliger Wuth, und hielt alles andre für Tand nur. Oft oft kamen die Schafe von selbst zurück von der Weide Zu der Hürd', und der Hirt saſs einsam und sang Galateen Bis zum Abend vom Morgen schmelzend im Riedgras am Ufer, Mit der schmerzlichen schmerzlichen Wunde tief in dem Herzen, Von der cyprischen Göttin, die ihm in die Leber den Pfeil warf. Aber er fand das Mittel; er setzte sich hoch auf den Felsen, Schaute hinaus in das Meer und hob zum Gesange die Stimme: Ach Galatea, Du Schöne, warum verwirfst Du mein Flehen? Weiſser bist Du als frischer Käse und zärter als Lämmer, Stolzer als Kälber, und herber als vor der Reife die Traube. Also erscheinest Du mir, wenn der süſse Schlaf mich be¬ schleichet; Also gehst Du von mir, wenn der süſse Schlaf mich ver¬ lässet; Fliehest vor mir, wie ein Schaf, das den Wolf den grauen erblickte. Mädchen, die Liebe zu Dir schlich damals zuerst in das Herz mir, <TEI> <text> <body> <div> <lg type="poem"> <pb facs="#f0229" n="203"/> <lg n="2"> <l>Als vorzüglicher Liebling der helikonischen Schwestern.</l><lb/> <l>Also lebte bey uns einst leidlich der alte Cyklope</l><lb/> <l>Polyphemus, als heiſs er in Galateen entbrannt war.</l><lb/> <l>Nicht mit Versen liebt' er und Aepfeln und zierlichen</l><lb/> <l>Locken,</l><lb/> <l>Sondern mit völliger Wuth, und hielt alles andre für Tand</l><lb/> <l>nur.</l><lb/> <l>Oft oft kamen die Schafe von selbst zurück von der Weide</l><lb/> <l>Zu der Hürd', und der Hirt saſs einsam und sang Galateen</l><lb/> <l>Bis zum Abend vom Morgen schmelzend im Riedgras am</l><lb/> <l>Ufer,</l><lb/> <l>Mit der schmerzlichen schmerzlichen Wunde tief in dem</l><lb/> <l>Herzen,</l><lb/> <l>Von der cyprischen Göttin, die ihm in die Leber den Pfeil</l><lb/> <l>warf.</l><lb/> <l>Aber er fand das Mittel; er setzte sich hoch auf den Felsen,</l><lb/> <l>Schaute hinaus in das Meer und hob zum Gesange die</l><lb/> <l>Stimme:</l><lb/> <l>Ach Galatea, Du Schöne, warum verwirfst Du mein Flehen?</l><lb/> <l>Weiſser bist Du als frischer Käse und zärter als Lämmer,</l><lb/> <l>Stolzer als Kälber, und herber als vor der Reife die Traube.</l><lb/> <l>Also erscheinest Du mir, wenn der süſse Schlaf mich be¬</l><lb/> <l>schleichet;</l><lb/> <l>Also gehst Du von mir, wenn der süſse Schlaf mich ver¬</l><lb/> <l>lässet;</l><lb/> <l>Fliehest vor mir, wie ein Schaf, das den Wolf den grauen</l><lb/> <l>erblickte.</l><lb/> <l>Mädchen, die Liebe zu Dir schlich damals zuerst in das Herz</l><lb/> <l>mir,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [203/0229]
Als vorzüglicher Liebling der helikonischen Schwestern.
Also lebte bey uns einst leidlich der alte Cyklope
Polyphemus, als heiſs er in Galateen entbrannt war.
Nicht mit Versen liebt' er und Aepfeln und zierlichen
Locken,
Sondern mit völliger Wuth, und hielt alles andre für Tand
nur.
Oft oft kamen die Schafe von selbst zurück von der Weide
Zu der Hürd', und der Hirt saſs einsam und sang Galateen
Bis zum Abend vom Morgen schmelzend im Riedgras am
Ufer,
Mit der schmerzlichen schmerzlichen Wunde tief in dem
Herzen,
Von der cyprischen Göttin, die ihm in die Leber den Pfeil
warf.
Aber er fand das Mittel; er setzte sich hoch auf den Felsen,
Schaute hinaus in das Meer und hob zum Gesange die
Stimme:
Ach Galatea, Du Schöne, warum verwirfst Du mein Flehen?
Weiſser bist Du als frischer Käse und zärter als Lämmer,
Stolzer als Kälber, und herber als vor der Reife die Traube.
Also erscheinest Du mir, wenn der süſse Schlaf mich be¬
schleichet;
Also gehst Du von mir, wenn der süſse Schlaf mich ver¬
lässet;
Fliehest vor mir, wie ein Schaf, das den Wolf den grauen
erblickte.
Mädchen, die Liebe zu Dir schlich damals zuerst in das Herz
mir,
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