Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.Hilf mir mit bitterem Lab die neuen Käse bereiten. Ach die Mutter nur ist mein Unglück, und sie nur verklag' ich; Denn sie redet bey Dir für mich kein freundliches Wört¬ chen, Und sieht doch von Tage zu Tage mich magerer werden. Sagen will ich ihr nun, wie Kopf und Füsse mir beben, Dass auch sie sich betrübe, da ich vor Schmerzen vergehe. O Cyklope, Cyklope, wo ist Dein Verstand hingeflogen? Gingest du hin und flöchtest Dir Körbe und mähetest Gras Dir, Deine Lämmer zu füttern, das wäre fürwahr doch gescheidter. Melke das Schäfchen, das da ist; warum verfolgst Du den Flüchtling? Und Du findest Galateen; auch wohl eine schönere Andre. Mädchen die Menge rufen mir zu zum Scherze die Nacht durch; Alle kichern mir nach; so will ich denn ihnen nur folgen: Denn ich bin auf der Welt doch wohl auch warlich ein Kerl noch. Also weidete Polyphemus und sang von der Liebe, Und es ward ihm leichter als hätt' er Schätze vergeudet. Ist es nicht Schade, dass wir das zärtliche Liebes¬ Hilf mir mit bitterem Lab die neuen Käse bereiten. Ach die Mutter nur ist mein Unglück, und sie nur verklag' ich; Denn sie redet bey Dir für mich kein freundliches Wört¬ chen, Und sieht doch von Tage zu Tage mich magerer werden. Sagen will ich ihr nun, wie Kopf und Füſse mir beben, Daſs auch sie sich betrübe, da ich vor Schmerzen vergehe. O Cyklope, Cyklope, wo ist Dein Verstand hingeflogen? Gingest du hin und flöchtest Dir Körbe und mähetest Gras Dir, Deine Lämmer zu füttern, das wäre fürwahr doch geſcheidter. Melke das Schäfchen, das da ist; warum verfolgst Du den Flüchtling? Und Du findest Galateen; auch wohl eine schönere Andre. Mädchen die Menge rufen mir zu zum Scherze die Nacht durch; Alle kichern mir nach; so will ich denn ihnen nur folgen: Denn ich bin auf der Welt doch wohl auch warlich ein Kerl noch. Also weidete Polyphemus und sang von der Liebe, Und es ward ihm leichter als hätt' er Schätze vergeudet. Ist es nicht Schade, daſs wir das zärtliche Liebes¬ <TEI> <text> <body> <div> <lg type="poem"> <pb facs="#f0232" n="206"/> <lg n="5"> <l>Hilf mir mit bitterem Lab die neuen Käse bereiten.</l><lb/> <l>Ach die Mutter nur ist mein Unglück, und sie nur verklag'</l><lb/> <l>ich;</l><lb/> <l>Denn sie redet bey Dir für mich kein freundliches Wört¬</l><lb/> <l>chen,</l><lb/> <l>Und sieht doch von Tage zu Tage mich magerer werden.</l><lb/> <l>Sagen will ich ihr nun, wie Kopf und Füſse mir beben,</l><lb/> <l>Daſs auch sie sich betrübe, da ich vor Schmerzen vergehe.</l><lb/> <l>O Cyklope, Cyklope, wo ist Dein Verstand hingeflogen?</l><lb/> <l>Gingest du hin und flöchtest Dir Körbe und mähetest Gras</l><lb/> <l>Dir,</l><lb/> <l>Deine Lämmer zu füttern, das wäre fürwahr doch geſcheidter.</l><lb/> <l>Melke das Schäfchen, das da ist; warum verfolgst Du den</l><lb/> <l>Flüchtling?</l><lb/> <l>Und Du findest Galateen; auch wohl eine schönere Andre.</l><lb/> <l>Mädchen die Menge rufen mir zu zum Scherze die Nacht</l><lb/> <l>durch;</l><lb/> <l>Alle kichern mir nach; so will ich denn ihnen nur folgen:</l><lb/> <l>Denn ich bin auf der Welt doch wohl auch warlich ein</l><lb/> <l>Kerl noch.</l><lb/> <l>Also weidete Polyphemus und sang von der Liebe,</l><lb/> <l>Und es ward ihm leichter als hätt' er Schätze vergeudet.</l><lb/> </lg> </lg> <p>Ist es nicht Schade, daſs wir das zärtliche Liebes¬<lb/> briefchen des Polyphemus an seine geliebte Galatee von<lb/> dem Tyrannen Dionysius nicht mehr haben? Es wur¬<lb/> de, glaube ich, durch einen Triton bestellt. Die sici¬<lb/> lischen Felsen machen alle eine ganz eigene idyllische<lb/> Erscheinung; und wenn ich mir so einen verliebten<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [206/0232]
Hilf mir mit bitterem Lab die neuen Käse bereiten.
Ach die Mutter nur ist mein Unglück, und sie nur verklag'
ich;
Denn sie redet bey Dir für mich kein freundliches Wört¬
chen,
Und sieht doch von Tage zu Tage mich magerer werden.
Sagen will ich ihr nun, wie Kopf und Füſse mir beben,
Daſs auch sie sich betrübe, da ich vor Schmerzen vergehe.
O Cyklope, Cyklope, wo ist Dein Verstand hingeflogen?
Gingest du hin und flöchtest Dir Körbe und mähetest Gras
Dir,
Deine Lämmer zu füttern, das wäre fürwahr doch geſcheidter.
Melke das Schäfchen, das da ist; warum verfolgst Du den
Flüchtling?
Und Du findest Galateen; auch wohl eine schönere Andre.
Mädchen die Menge rufen mir zu zum Scherze die Nacht
durch;
Alle kichern mir nach; so will ich denn ihnen nur folgen:
Denn ich bin auf der Welt doch wohl auch warlich ein
Kerl noch.
Also weidete Polyphemus und sang von der Liebe,
Und es ward ihm leichter als hätt' er Schätze vergeudet.
Ist es nicht Schade, daſs wir das zärtliche Liebes¬
briefchen des Polyphemus an seine geliebte Galatee von
dem Tyrannen Dionysius nicht mehr haben? Es wur¬
de, glaube ich, durch einen Triton bestellt. Die sici¬
lischen Felsen machen alle eine ganz eigene idyllische
Erscheinung; und wenn ich mir so einen verliebten
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