sen, weil er in der Fasten mit einem Ketzer junge Tauben gegessen hatte, nicht wegen seines bestiali¬ schen Makkaronenfrasses. Ich habe vernünftige Aerzte in Italien darüber sprechen hören, dass jährlich in der Fasten eine Menge Menschen an der verdammten Paste sich zu Tode kleistern; denn der gemeine Mann hat die ganze lange Zeit über fast nichts anders als Makkaronen mit Oehl.
Ich ging also nun allein auf gut Glück immer an der Küste hin, bald das Meer im Auge, bald etwas weiter links in das Land hinein, nachdem mich der Weg trug. Bey Palma ist wieder schöne herrliche Gegend, mit abwechselnden Hügeln und Thälern, die alle mit Oehlbäumen und Orangengärten besetzt sind. Die hier wachsenden Orangen sind etwas kleiner als die übrigen in der Insel, aber sie sind die feinsten und wohlschmeckendsten, die ich gegessen habe; selbst die von Malta nicht ausgenommen, deren man eine Men¬ ge in Neapel findet. Gegen Abend kam ich in Ali¬ kata an, wo ich vor der Stadt zwey sehr wohlgeklei¬ dete Spaziergänger antraf, die mich zu sich auf eine Rasenbank einluden und in zehen Minuten mir meine ganze Geschichte abgefragt hatten. Wir gingen zusam¬ men in die Stadt, ich halte sie für die beste, die ich nach Palermo bis jetzt noch auf der Insel gesehen habe. Das Wirthshaus, das ich fand, war ziemlich gut; ich hatte also nicht Ursache, dem Marchese Fran¬ gipani, an den ich empfohlen war, beschwerlich zu fallen. Indessen gab ich doch meinen Brief ab, und er nahm mich mit vieler Artigkeit in seinem ziemlich grossen Hause auf, wo ich eine ansehnliche Gesell¬
sen, weil er in der Fasten mit einem Ketzer junge Tauben gegessen hatte, nicht wegen seines bestiali¬ schen Makkaronenfraſses. Ich habe vernünftige Aerzte in Italien darüber sprechen hören, daſs jährlich in der Fasten eine Menge Menschen an der verdammten Paste sich zu Tode kleistern; denn der gemeine Mann hat die ganze lange Zeit über fast nichts anders als Makkaronen mit Oehl.
Ich ging also nun allein auf gut Glück immer an der Küste hin, bald das Meer im Auge, bald etwas weiter links in das Land hinein, nachdem mich der Weg trug. Bey Palma ist wieder schöne herrliche Gegend, mit abwechselnden Hügeln und Thälern, die alle mit Oehlbäumen und Orangengärten besetzt sind. Die hier wachsenden Orangen sind etwas kleiner als die übrigen in der Insel, aber sie sind die feinsten und wohlschmeckendsten, die ich gegessen habe; selbst die von Malta nicht ausgenommen, deren man eine Men¬ ge in Neapel findet. Gegen Abend kam ich in Ali¬ kata an, wo ich vor der Stadt zwey sehr wohlgeklei¬ dete Spaziergänger antraf, die mich zu sich auf eine Rasenbank einluden und in zehen Minuten mir meine ganze Geschichte abgefragt hatten. Wir gingen zusam¬ men in die Stadt, ich halte sie für die beste, die ich nach Palermo bis jetzt noch auf der Insel gesehen habe. Das Wirthshaus, das ich fand, war ziemlich gut; ich hatte also nicht Ursache, dem Marchese Fran¬ gipani, an den ich empfohlen war, beschwerlich zu fallen. Indessen gab ich doch meinen Brief ab, und er nahm mich mit vieler Artigkeit in seinem ziemlich groſsen Hause auf, wo ich eine ansehnliche Gesell¬
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sen, weil er in der Fasten mit einem Ketzer junge
Tauben gegessen hatte, nicht wegen seines bestiali¬
schen Makkaronenfraſses. Ich habe vernünftige Aerzte
in Italien darüber sprechen hören, daſs jährlich in der
Fasten eine Menge Menschen an der verdammten
Paste sich zu Tode kleistern; denn der gemeine Mann
hat die ganze lange Zeit über fast nichts anders als
Makkaronen mit Oehl.
Ich ging also nun allein auf gut Glück immer an
der Küste hin, bald das Meer im Auge, bald etwas
weiter links in das Land hinein, nachdem mich der
Weg trug. Bey Palma ist wieder schöne herrliche
Gegend, mit abwechselnden Hügeln und Thälern, die
alle mit Oehlbäumen und Orangengärten besetzt sind.
Die hier wachsenden Orangen sind etwas kleiner als
die übrigen in der Insel, aber sie sind die feinsten und
wohlschmeckendsten, die ich gegessen habe; selbst die
von Malta nicht ausgenommen, deren man eine Men¬
ge in Neapel findet. Gegen Abend kam ich in Ali¬
kata an, wo ich vor der Stadt zwey sehr wohlgeklei¬
dete Spaziergänger antraf, die mich zu sich auf eine
Rasenbank einluden und in zehen Minuten mir meine
ganze Geschichte abgefragt hatten. Wir gingen zusam¬
men in die Stadt, ich halte sie für die beste, die ich
nach Palermo bis jetzt noch auf der Insel gesehen
habe. Das Wirthshaus, das ich fand, war ziemlich
gut; ich hatte also nicht Ursache, dem Marchese Fran¬
gipani, an den ich empfohlen war, beschwerlich zu
fallen. Indessen gab ich doch meinen Brief ab, und
er nahm mich mit vieler Artigkeit in seinem ziemlich
groſsen Hause auf, wo ich eine ansehnliche Gesell¬
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/252>, abgerufen am 22.11.2024.
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