Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

Jetzt sitze ich hier und lese Theokrit in seiner
Vaterstadt. Ich wollte Du wärst bey mir und wir
könnten das Vergnügen theilen, so würde es grösser
werden. Mein eigenes Exemplar hatte ich, um ganz
leicht zu seyn, mit in Palermo gelassen, bat mir ihn
also von Landolina aus. Dieser gab mir mit vieler
Artigkeit die Ausgabe eines Deutschen, von unserm
Stroth; und dieses nehmliche Exemplar war ein Ge¬
schenk von Stroth an Münter, und von Münter an
Landolina, und ich las nun darin an der Arethuse.
Der Ideengang hat etwas magisches. -- Sey nur ru¬
hig, ich habe jetzt zu viel Vergnügen dabey und meine
Stiefelsohlen sind noch ganz; Du sollst hier mit keiner
Uebersetzung geplagt werden.

Auch heute komme ich von einem Spaziergang
mit Landolina zurück. Wir waren nur in der Nähe,
in der alten Neapolis, die aber wirklich das Interes¬
santeste der alten Ueberreste enthält. Die Antiquare
sind dem unermüdeten patriotischen Eifer Landolinas
unendlich viel schuldig. Er hat eine Menge Säulen
des alten Forums wieder aufgefunden, welche die Lage
genauer bestimmen. Es lag natürlich gleich an dem
Hafen, und besteht jetzt meistens aus Gärten und ei¬
nem offenen Platze gleich vor dem jetzigen einzigen
Landthore. Etwas rechts weiter hinauf hat Landolina
das römische Amphitheater besser aufgeräumt und hier
und da Korridore zu Tage gefördert, die jetzt zu
Mauleseleyen dienen. Die Römer trugen ihre blutigen
Schauspiele überall hin. Die Area giebt jetzt einen
schönen Garten mit der üppigsten Vegetation. Weiter
rechts hinauf ist das alte grosse griechische Theater,

Jetzt sitze ich hier und lese Theokrit in seiner
Vaterstadt. Ich wollte Du wärst bey mir und wir
könnten das Vergnügen theilen, so würde es gröſser
werden. Mein eigenes Exemplar hatte ich, um ganz
leicht zu seyn, mit in Palermo gelassen, bat mir ihn
also von Landolina aus. Dieser gab mir mit vieler
Artigkeit die Ausgabe eines Deutschen, von unserm
Stroth; und dieses nehmliche Exemplar war ein Ge¬
schenk von Stroth an Münter, und von Münter an
Landolina, und ich las nun darin an der Arethuse.
Der Ideengang hat etwas magisches. — Sey nur ru¬
hig, ich habe jetzt zu viel Vergnügen dabey und meine
Stiefelsohlen sind noch ganz; Du sollst hier mit keiner
Uebersetzung geplagt werden.

Auch heute komme ich von einem Spaziergang
mit Landolina zurück. Wir waren nur in der Nähe,
in der alten Neapolis, die aber wirklich das Interes¬
santeste der alten Ueberreste enthält. Die Antiquare
sind dem unermüdeten patriotischen Eifer Landolinas
unendlich viel schuldig. Er hat eine Menge Säulen
des alten Forums wieder aufgefunden, welche die Lage
genauer bestimmen. Es lag natürlich gleich an dem
Hafen, und besteht jetzt meistens aus Gärten und ei¬
nem offenen Platze gleich vor dem jetzigen einzigen
Landthore. Etwas rechts weiter hinauf hat Landolina
das römische Amphitheater besser aufgeräumt und hier
und da Korridore zu Tage gefördert, die jetzt zu
Mauleseleyen dienen. Die Römer trugen ihre blutigen
Schauspiele überall hin. Die Area giebt jetzt einen
schönen Garten mit der üppigsten Vegetation. Weiter
rechts hinauf ist das alte groſse griechische Theater,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0274" n="248"/>
        <p>Jetzt sitze ich hier und lese Theokrit in seiner<lb/>
Vaterstadt. Ich wollte Du wärst bey mir und wir<lb/>
könnten das Vergnügen theilen, so würde es grö&#x017F;ser<lb/>
werden. Mein eigenes Exemplar hatte ich, um ganz<lb/>
leicht zu seyn, mit in Palermo gelassen, bat mir ihn<lb/>
also von Landolina aus. Dieser gab mir mit vieler<lb/>
Artigkeit die Ausgabe eines Deutschen, von unserm<lb/>
Stroth; und dieses nehmliche Exemplar war ein Ge¬<lb/>
schenk von Stroth an Münter, und von Münter an<lb/>
Landolina, und ich las nun darin an der Arethuse.<lb/>
Der Ideengang hat etwas magisches. &#x2014; Sey nur ru¬<lb/>
hig, ich habe jetzt zu viel Vergnügen dabey und meine<lb/>
Stiefelsohlen sind noch ganz; Du sollst hier mit keiner<lb/>
Uebersetzung geplagt werden.</p><lb/>
        <p>Auch heute komme ich von einem Spaziergang<lb/>
mit Landolina zurück. Wir waren nur in der Nähe,<lb/>
in der alten Neapolis, die aber wirklich das Interes¬<lb/>
santeste der alten Ueberreste enthält. Die Antiquare<lb/>
sind dem unermüdeten patriotischen Eifer Landolinas<lb/>
unendlich viel schuldig. Er hat eine Menge Säulen<lb/>
des alten Forums wieder aufgefunden, welche die Lage<lb/>
genauer bestimmen. Es lag natürlich gleich an dem<lb/>
Hafen, und besteht jetzt meistens aus Gärten und ei¬<lb/>
nem offenen Platze gleich vor dem jetzigen einzigen<lb/>
Landthore. Etwas rechts weiter hinauf hat Landolina<lb/>
das römische Amphitheater besser aufgeräumt und hier<lb/>
und da Korridore zu Tage gefördert, die jetzt zu<lb/>
Mauleseleyen dienen. Die Römer trugen ihre blutigen<lb/>
Schauspiele überall hin. Die Area giebt jetzt einen<lb/>
schönen Garten mit der üppigsten Vegetation. Weiter<lb/>
rechts hinauf ist das alte gro&#x017F;se griechische Theater,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[248/0274] Jetzt sitze ich hier und lese Theokrit in seiner Vaterstadt. Ich wollte Du wärst bey mir und wir könnten das Vergnügen theilen, so würde es gröſser werden. Mein eigenes Exemplar hatte ich, um ganz leicht zu seyn, mit in Palermo gelassen, bat mir ihn also von Landolina aus. Dieser gab mir mit vieler Artigkeit die Ausgabe eines Deutschen, von unserm Stroth; und dieses nehmliche Exemplar war ein Ge¬ schenk von Stroth an Münter, und von Münter an Landolina, und ich las nun darin an der Arethuse. Der Ideengang hat etwas magisches. — Sey nur ru¬ hig, ich habe jetzt zu viel Vergnügen dabey und meine Stiefelsohlen sind noch ganz; Du sollst hier mit keiner Uebersetzung geplagt werden. Auch heute komme ich von einem Spaziergang mit Landolina zurück. Wir waren nur in der Nähe, in der alten Neapolis, die aber wirklich das Interes¬ santeste der alten Ueberreste enthält. Die Antiquare sind dem unermüdeten patriotischen Eifer Landolinas unendlich viel schuldig. Er hat eine Menge Säulen des alten Forums wieder aufgefunden, welche die Lage genauer bestimmen. Es lag natürlich gleich an dem Hafen, und besteht jetzt meistens aus Gärten und ei¬ nem offenen Platze gleich vor dem jetzigen einzigen Landthore. Etwas rechts weiter hinauf hat Landolina das römische Amphitheater besser aufgeräumt und hier und da Korridore zu Tage gefördert, die jetzt zu Mauleseleyen dienen. Die Römer trugen ihre blutigen Schauspiele überall hin. Die Area giebt jetzt einen schönen Garten mit der üppigsten Vegetation. Weiter rechts hinauf ist das alte groſse griechische Theater,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/274
Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/274>, abgerufen am 21.11.2024.