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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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abgemahlt, von denen einige Katanier waren; nehm¬
lich Charondas und Stesichorus; auch Cicero hatte für
seinen Eifer für die Insel die Ehre hier zu seyn; so¬
dann der Syrakusier Archimed. Theokrit war den
frommen Leuten vermuthlich zu frivol; er war nicht
hier. Der Kandidat war ein Dominikaner, und machte
in ziemlich gutem Latein die Lobrede der Stadt und
der Akademie Katanien. Der Promotor hielt sodann
der Theologie eine Lobrede, die sehr mönchisch war,
und die ich ihm bloss der guten Sprache wegen nur
in Sicilien noch verzeihe. Nun, dachte ich, wird die
Disputation angehen; und vielleicht vergönnt man so¬
gar, da die Versammlung nicht zahlreich war, dem
Hyperboreer auch ein Wörtchen zu sprechen. Aber
das war schon alles inter privatos parietes mit dem
Examen abgemacht: man gab dem Kandidaten den
Hut, die Trompeter bliesen, und wir gingen fort. Die
Universitätsbibliothek ist nicht zahlreich, aber gut ge¬
wählt und geordnet, und der Bibliothekar ist ein
freundlicher verständiger Mann. Er zeigte mir eine
erste Ausgabe vom Horaz, die mit den Episteln an¬
fing, und die, wie er mir sagte, Fabricius sehr gelobt
habe.

In den antiken Bädern unter der Kathedrale, durch
welche eine Ader des Amenanus geleitet ist, die noch
fliesst, war die Luft so übel, dass der Professor Gam¬
bino es nur einige Minuten aushalten konnte. Meine
Brust war etwas stärker; aber ich machte doch, dass
ich wieder heraus kam. Sie werden selten besucht.
Auch in den dreyfachen Korridoren des Theaters et¬
was weiter hinauf kroch ich eine Viertelstunde herum:

abgemahlt, von denen einige Katanier waren; nehm¬
lich Charondas und Stesichorus; auch Cicero hatte für
seinen Eifer für die Insel die Ehre hier zu seyn; so¬
dann der Syrakusier Archimed. Theokrit war den
frommen Leuten vermuthlich zu frivol; er war nicht
hier. Der Kandidat war ein Dominikaner, und machte
in ziemlich gutem Latein die Lobrede der Stadt und
der Akademie Katanien. Der Promotor hielt sodann
der Theologie eine Lobrede, die sehr mönchisch war,
und die ich ihm bloſs der guten Sprache wegen nur
in Sicilien noch verzeihe. Nun, dachte ich, wird die
Disputation angehen; und vielleicht vergönnt man so¬
gar, da die Versammlung nicht zahlreich war, dem
Hyperboreer auch ein Wörtchen zu sprechen. Aber
das war schon alles inter privatos parietes mit dem
Examen abgemacht: man gab dem Kandidaten den
Hut, die Trompeter bliesen, und wir gingen fort. Die
Universitätsbibliothek ist nicht zahlreich, aber gut ge¬
wählt und geordnet, und der Bibliothekar ist ein
freundlicher verständiger Mann. Er zeigte mir eine
erste Ausgabe vom Horaz, die mit den Episteln an¬
fing, und die, wie er mir sagte, Fabricius sehr gelobt
habe.

In den antiken Bädern unter der Kathedrale, durch
welche eine Ader des Amenanus geleitet ist, die noch
flieſst, war die Luft so übel, daſs der Professor Gam¬
bino es nur einige Minuten aushalten konnte. Meine
Brust war etwas stärker; aber ich machte doch, daſs
ich wieder heraus kam. Sie werden selten besucht.
Auch in den dreyfachen Korridoren des Theaters et¬
was weiter hinauf kroch ich eine Viertelstunde herum:

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[275/0301] abgemahlt, von denen einige Katanier waren; nehm¬ lich Charondas und Stesichorus; auch Cicero hatte für seinen Eifer für die Insel die Ehre hier zu seyn; so¬ dann der Syrakusier Archimed. Theokrit war den frommen Leuten vermuthlich zu frivol; er war nicht hier. Der Kandidat war ein Dominikaner, und machte in ziemlich gutem Latein die Lobrede der Stadt und der Akademie Katanien. Der Promotor hielt sodann der Theologie eine Lobrede, die sehr mönchisch war, und die ich ihm bloſs der guten Sprache wegen nur in Sicilien noch verzeihe. Nun, dachte ich, wird die Disputation angehen; und vielleicht vergönnt man so¬ gar, da die Versammlung nicht zahlreich war, dem Hyperboreer auch ein Wörtchen zu sprechen. Aber das war schon alles inter privatos parietes mit dem Examen abgemacht: man gab dem Kandidaten den Hut, die Trompeter bliesen, und wir gingen fort. Die Universitätsbibliothek ist nicht zahlreich, aber gut ge¬ wählt und geordnet, und der Bibliothekar ist ein freundlicher verständiger Mann. Er zeigte mir eine erste Ausgabe vom Horaz, die mit den Episteln an¬ fing, und die, wie er mir sagte, Fabricius sehr gelobt habe. In den antiken Bädern unter der Kathedrale, durch welche eine Ader des Amenanus geleitet ist, die noch flieſst, war die Luft so übel, daſs der Professor Gam¬ bino es nur einige Minuten aushalten konnte. Meine Brust war etwas stärker; aber ich machte doch, daſs ich wieder heraus kam. Sie werden selten besucht. Auch in den dreyfachen Korridoren des Theaters et¬ was weiter hinauf kroch ich eine Viertelstunde herum:

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/301>, abgerufen am 22.11.2024.