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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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so gross und zackig der wilde Stamm, den er als
Stock führte, machte die Gefahr noch grösser. Die Ge¬
sellschaft hatte sich gesammelt; keiner wollte es wa¬
gen zu reiten. Meinem Führer war für sich, und
noch mehr für seinen Maulesel bange. Es war nichts.
Die Insulaner sind an grosse Flüsse nicht gewöhnt.
Man machte viele Kreuze und betete Stossgebetchen
an alle Heiligen, ehe man den Maulesel einen Fuss
ins Wasser setzen liess; und dankte dann vorzüglich
der heiligen Maria für die Errettung. An einem sol¬
chen Strome, wo ich allein war, wollte mein Führer,
ein Knabe von funfzehn Jahren, durchaus umkehren
und liegen bleiben, bis das Wasser von den Bergen
abgelaufen wäre. Das hätte mich Piaster gekostet und
stand mir nicht an. Ich erklärte ihm rein heraus, ich
würde reiten, er möchte machen was er wollte. In
der Angst für sein Thier und seine Seele schloss er
sich auf der Kruppe fest an mich an, zitterte und be¬
tete; und ich leitete und schlug und spornte den Maul¬
esel glücklich hinüber. Da haben uns die lieben Hei¬
ligen gerettet, sagte er, als er am andern Ufer wieder
Luft schöpfte: und mein Stock und der Maulesel,
sagte ich. Der Bursche kreuzigte sich drey Mal, fasste
aber doch in Zukunft etwas mehr Muth zu dem mei¬
nigen. Sodann blieben wir in einem einzigen isolier¬
ten Hause vor einem Orte, dessen Namen ich auch
wieder vergessen habe. Ich hätte sollen beständig ei¬
nen Nomenklator bey mir haben. Das Donnerwetter
hatte mich diesen und den vorigen Tag verfolgt; und
es schneyte und graupelte bis über einen Fuss hoch.
Die Waldströme waren wirklich sehr hinderlich und

so groſs und zackig der wilde Stamm, den er als
Stock führte, machte die Gefahr noch gröſser. Die Ge¬
sellschaft hatte sich gesammelt; keiner wollte es wa¬
gen zu reiten. Meinem Führer war für sich, und
noch mehr für seinen Maulesel bange. Es war nichts.
Die Insulaner sind an groſse Flüsse nicht gewöhnt.
Man machte viele Kreuze und betete Stoſsgebetchen
an alle Heiligen, ehe man den Maulesel einen Fuſs
ins Wasser setzen lieſs; und dankte dann vorzüglich
der heiligen Maria für die Errettung. An einem sol¬
chen Strome, wo ich allein war, wollte mein Führer,
ein Knabe von funfzehn Jahren, durchaus umkehren
und liegen bleiben, bis das Wasser von den Bergen
abgelaufen wäre. Das hätte mich Piaster gekostet und
stand mir nicht an. Ich erklärte ihm rein heraus, ich
würde reiten, er möchte machen was er wollte. In
der Angst für sein Thier und seine Seele schloſs er
sich auf der Kruppe fest an mich an, zitterte und be¬
tete; und ich leitete und schlug und spornte den Maul¬
esel glücklich hinüber. Da haben uns die lieben Hei¬
ligen gerettet, sagte er, als er am andern Ufer wieder
Luft schöpfte: und mein Stock und der Maulesel,
sagte ich. Der Bursche kreuzigte sich drey Mal, faſste
aber doch in Zukunft etwas mehr Muth zu dem mei¬
nigen. Sodann blieben wir in einem einzigen isolier¬
ten Hause vor einem Orte, dessen Namen ich auch
wieder vergessen habe. Ich hätte sollen beständig ei¬
nen Nomenklator bey mir haben. Das Donnerwetter
hatte mich diesen und den vorigen Tag verfolgt; und
es schneyte und graupelte bis über einen Fuſs hoch.
Die Waldströme waren wirklich sehr hinderlich und

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[310/0336] so groſs und zackig der wilde Stamm, den er als Stock führte, machte die Gefahr noch gröſser. Die Ge¬ sellschaft hatte sich gesammelt; keiner wollte es wa¬ gen zu reiten. Meinem Führer war für sich, und noch mehr für seinen Maulesel bange. Es war nichts. Die Insulaner sind an groſse Flüsse nicht gewöhnt. Man machte viele Kreuze und betete Stoſsgebetchen an alle Heiligen, ehe man den Maulesel einen Fuſs ins Wasser setzen lieſs; und dankte dann vorzüglich der heiligen Maria für die Errettung. An einem sol¬ chen Strome, wo ich allein war, wollte mein Führer, ein Knabe von funfzehn Jahren, durchaus umkehren und liegen bleiben, bis das Wasser von den Bergen abgelaufen wäre. Das hätte mich Piaster gekostet und stand mir nicht an. Ich erklärte ihm rein heraus, ich würde reiten, er möchte machen was er wollte. In der Angst für sein Thier und seine Seele schloſs er sich auf der Kruppe fest an mich an, zitterte und be¬ tete; und ich leitete und schlug und spornte den Maul¬ esel glücklich hinüber. Da haben uns die lieben Hei¬ ligen gerettet, sagte er, als er am andern Ufer wieder Luft schöpfte: und mein Stock und der Maulesel, sagte ich. Der Bursche kreuzigte sich drey Mal, faſste aber doch in Zukunft etwas mehr Muth zu dem mei¬ nigen. Sodann blieben wir in einem einzigen isolier¬ ten Hause vor einem Orte, dessen Namen ich auch wieder vergessen habe. Ich hätte sollen beständig ei¬ nen Nomenklator bey mir haben. Das Donnerwetter hatte mich diesen und den vorigen Tag verfolgt; und es schneyte und graupelte bis über einen Fuſs hoch. Die Waldströme waren wirklich sehr hinderlich und

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/336>, abgerufen am 22.11.2024.