vielleicht zuweilen gar gefährlich für Leute, die nicht an das Element gewöhnt sind und nicht Muth haben. Einmal verdankte ich aber dem grossen Wasser eine schöne Scene. Der Fluss war, nach der Meinung mei¬ nes Begleiters, unten durchaus nicht zu passieren, und er ritt mit mir an demselben hinauf, wo er eine Brücke wusste. Der Weg war zwar lang und ich ward etwas ungeduldig; aber ich kam in ein Thal, das ei¬ nen so schönen grossen Orangenwald hielt, wie ich ihn auf der ganzen Insel noch nicht gesehen hatte. Des Menschen Leidenschaft ist nun einmal seine Lei¬ denschaft. Für einige Kreutzer konnte mein Magen überall haben so viel er nur fassen konnte: aber mei¬ ne Augen wollten auch zehren, und diese brauchten mehr zur Sättigung und liessen dann gern alles hän¬ gen und liegen.
Endlich kamen wir in Cefalu an. Für grosse Schiffe ist hier wohl kein Hafen zum Aufenthalt. Der Ort hat vermuthlich den Namen vom Berge, der ei¬ ner der sonderbarsten ist. Wir hatten bisher die lipa¬ rischen Inseln immer rechts gehabt; nun verschwan¬ den sie nach und nach. Von Messina bis Cefalu ist es sehr wild; von hier an fängt die Kultur wieder an etwas besser zu werden. Es kommen nun viel Reiss¬ felder. Bey Cefalu sah ich eine schöne, lange, hohe, blühende Rosenhecke, deren erste Knospen eben zahl¬ reich aufbrachen. Ich hätte dem Pfleger die Hände küssen mögen; es waren die ersten, die ich in ganz Unteritalien und Sicilien sah. Die Leute sind schänd¬ liche Verräther an der schönen Natur.
In Termini erholte ich mich; hier findet man
vielleicht zuweilen gar gefährlich für Leute, die nicht an das Element gewöhnt sind und nicht Muth haben. Einmal verdankte ich aber dem groſsen Wasser eine schöne Scene. Der Fluſs war, nach der Meinung mei¬ nes Begleiters, unten durchaus nicht zu passieren, und er ritt mit mir an demselben hinauf, wo er eine Brücke wuſste. Der Weg war zwar lang und ich ward etwas ungeduldig; aber ich kam in ein Thal, das ei¬ nen so schönen groſsen Orangenwald hielt, wie ich ihn auf der ganzen Insel noch nicht gesehen hatte. Des Menschen Leidenschaft ist nun einmal seine Lei¬ denschaft. Für einige Kreutzer konnte mein Magen überall haben so viel er nur fassen konnte: aber mei¬ ne Augen wollten auch zehren, und diese brauchten mehr zur Sättigung und lieſsen dann gern alles hän¬ gen und liegen.
Endlich kamen wir in Cefalu an. Für groſse Schiffe ist hier wohl kein Hafen zum Aufenthalt. Der Ort hat vermuthlich den Namen vom Berge, der ei¬ ner der sonderbarsten ist. Wir hatten bisher die lipa¬ rischen Inseln immer rechts gehabt; nun verschwan¬ den sie nach und nach. Von Messina bis Cefalu ist es sehr wild; von hier an fängt die Kultur wieder an etwas besser zu werden. Es kommen nun viel Reiſs¬ felder. Bey Cefalu sah ich eine schöne, lange, hohe, blühende Rosenhecke, deren erste Knospen eben zahl¬ reich aufbrachen. Ich hätte dem Pfleger die Hände küssen mögen; es waren die ersten, die ich in ganz Unteritalien und Sicilien sah. Die Leute sind schänd¬ liche Verräther an der schönen Natur.
In Termini erholte ich mich; hier findet man
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vielleicht zuweilen gar gefährlich für Leute, die nicht
an das Element gewöhnt sind und nicht Muth haben.
Einmal verdankte ich aber dem groſsen Wasser eine
schöne Scene. Der Fluſs war, nach der Meinung mei¬
nes Begleiters, unten durchaus nicht zu passieren, und
er ritt mit mir an demselben hinauf, wo er eine
Brücke wuſste. Der Weg war zwar lang und ich ward
etwas ungeduldig; aber ich kam in ein Thal, das ei¬
nen so schönen groſsen Orangenwald hielt, wie ich
ihn auf der ganzen Insel noch nicht gesehen hatte.
Des Menschen Leidenschaft ist nun einmal seine Lei¬
denschaft. Für einige Kreutzer konnte mein Magen
überall haben so viel er nur fassen konnte: aber mei¬
ne Augen wollten auch zehren, und diese brauchten
mehr zur Sättigung und lieſsen dann gern alles hän¬
gen und liegen.
Endlich kamen wir in Cefalu an. Für groſse
Schiffe ist hier wohl kein Hafen zum Aufenthalt. Der
Ort hat vermuthlich den Namen vom Berge, der ei¬
ner der sonderbarsten ist. Wir hatten bisher die lipa¬
rischen Inseln immer rechts gehabt; nun verschwan¬
den sie nach und nach. Von Messina bis Cefalu ist
es sehr wild; von hier an fängt die Kultur wieder an
etwas besser zu werden. Es kommen nun viel Reiſs¬
felder. Bey Cefalu sah ich eine schöne, lange, hohe,
blühende Rosenhecke, deren erste Knospen eben zahl¬
reich aufbrachen. Ich hätte dem Pfleger die Hände
küssen mögen; es waren die ersten, die ich in ganz
Unteritalien und Sicilien sah. Die Leute sind schänd¬
liche Verräther an der schönen Natur.
In Termini erholte ich mich; hier findet man
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/337>, abgerufen am 22.11.2024.
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