Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.Dass sie nicht endlich ganz mit der letzten Trümmer ver¬
gehe! Glühend rinnt mir die Thräne, wie sie Unsterblichen rinnet, Rinnt mir schmerzlich die Thräne vom Auge beym Jammer des Anblicks. Wo, wo sind sie, die Kinder, die fröhlichen seligen Kinder Meiner Liebe, die einst mit Tethrippen die Wege befuhren, Wo jetzt kaum ein ärmlicher Bastard des Langohrs hinzieht? Ach wo find' ich die Männer von Akragas, von Syrakusä, Von Selinunt, die stolzen Söhne der stolzeren Väter? Die mit Reichthum und Macht die hohe Karthago bedrohten, Und die höhere Rom? Wo find' ich die Reihen der Jung¬ fraun, Die die heiligen Züge mir führten in bräutlichem Glanze, Dass die Olympier selbst mit Neid und Schelsucht herabsahn? Schaaren von Glücklichen drängten sich einst aus marmornen Thoren, Durch die schattigen Haine der Götter, zu Traubengebirgen, Durch die reichen Gefilde, die ich mit Garben bedeckte. Eherne Krieger zogen zum Streit, dem Stolze des Fremdlings Furcht und Verderben; es hallte von Felsen zu Felsen das Schlachtwort Für die Sache der Freyheit und für des Vaterlands Sache. Leben und Freude athmeten hoch vom Aetna zum Eryx, Vom Simäthus, dem Heerdenernährer, zum fetten Anapus. Zeus Kronion, wenn ich mit Stolz die Gesegneten sah, War ich die reichste Mutter und fühlte doppelt die Gottheit. Ach wie bist Du gefallen, mein Liebling, wie bist Du ge¬ fallen, Daſs sie nicht endlich ganz mit der letzten Trümmer ver¬
gehe! Glühend rinnt mir die Thräne, wie sie Unsterblichen rinnet, Rinnt mir schmerzlich die Thräne vom Auge beym Jammer des Anblicks. Wo, wo sind sie, die Kinder, die fröhlichen seligen Kinder Meiner Liebe, die einst mit Tethrippen die Wege befuhren, Wo jetzt kaum ein ärmlicher Bastard des Langohrs hinzieht? Ach wo find' ich die Männer von Akragas, von Syrakusä, Von Selinunt, die stolzen Söhne der stolzeren Väter? Die mit Reichthum und Macht die hohe Karthago bedrohten, Und die höhere Rom? Wo find' ich die Reihen der Jung¬ fraun, Die die heiligen Züge mir führten in bräutlichem Glanze, Daſs die Olympier selbst mit Neid und Schelsucht herabsahn? Schaaren von Glücklichen drängten sich einst aus marmornen Thoren, Durch die schattigen Haine der Götter, zu Traubengebirgen, Durch die reichen Gefilde, die ich mit Garben bedeckte. Eherne Krieger zogen zum Streit, dem Stolze des Fremdlings Furcht und Verderben; es hallte von Felsen zu Felsen das Schlachtwort Für die Sache der Freyheit und für des Vaterlands Sache. Leben und Freude athmeten hoch vom Aetna zum Eryx, Vom Simäthus, dem Heerdenernährer, zum fetten Anapus. Zeus Kronion, wenn ich mit Stolz die Gesegneten sah, War ich die reichste Mutter und fühlte doppelt die Gottheit. Ach wie bist Du gefallen, mein Liebling, wie bist Du ge¬ fallen, <TEI> <text> <body> <div> <lg type="poem"> <pb facs="#f0339" n="313"/> <lg n="2"> <l>Daſs sie nicht endlich ganz mit der letzten Trümmer ver¬</l><lb/> <l>gehe!</l><lb/> <l>Glühend rinnt mir die Thräne, wie sie Unsterblichen rinnet,</l><lb/> <l>Rinnt mir schmerzlich die Thräne vom Auge beym Jammer</l><lb/> <l>des Anblicks.</l><lb/> <l>Wo, wo sind sie, die Kinder, die fröhlichen seligen Kinder</l><lb/> <l>Meiner Liebe, die einst mit Tethrippen die Wege befuhren,</l><lb/> <l>Wo jetzt kaum ein ärmlicher Bastard des Langohrs hinzieht?</l><lb/> <l>Ach wo find' ich die Männer von Akragas, von Syrakusä,</l><lb/> <l>Von Selinunt, die stolzen Söhne der stolzeren Väter?</l><lb/> <l>Die mit Reichthum und Macht die hohe Karthago bedrohten,</l><lb/> <l>Und die höhere Rom? Wo find' ich die Reihen der Jung¬</l><lb/> <l>fraun,</l><lb/> <l>Die die heiligen Züge mir führten in bräutlichem Glanze,</l><lb/> <l>Daſs die Olympier selbst mit Neid und Schelsucht herabsahn?</l><lb/> <l>Schaaren von Glücklichen drängten sich einst aus marmornen</l><lb/> <l>Thoren,</l><lb/> <l>Durch die schattigen Haine der Götter, zu Traubengebirgen,</l><lb/> <l>Durch die reichen Gefilde, die ich mit Garben bedeckte.</l><lb/> <l>Eherne Krieger zogen zum Streit, dem Stolze des Fremdlings</l><lb/> <l>Furcht und Verderben; es hallte von Felsen zu Felsen das</l><lb/> <l>Schlachtwort</l><lb/> <l>Für die Sache der Freyheit und für des Vaterlands Sache.</l><lb/> <l>Leben und Freude athmeten hoch vom Aetna zum Eryx,</l><lb/> <l>Vom Simäthus, dem Heerdenernährer, zum fetten Anapus.</l><lb/> <l>Zeus Kronion, wenn ich mit Stolz die Gesegneten sah,</l><lb/> <l>War ich die reichste Mutter und fühlte doppelt die Gottheit.</l><lb/> <l>Ach wie bist Du gefallen, mein Liebling, wie bist Du ge¬</l><lb/> <l>fallen,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [313/0339]
Daſs sie nicht endlich ganz mit der letzten Trümmer ver¬
gehe!
Glühend rinnt mir die Thräne, wie sie Unsterblichen rinnet,
Rinnt mir schmerzlich die Thräne vom Auge beym Jammer
des Anblicks.
Wo, wo sind sie, die Kinder, die fröhlichen seligen Kinder
Meiner Liebe, die einst mit Tethrippen die Wege befuhren,
Wo jetzt kaum ein ärmlicher Bastard des Langohrs hinzieht?
Ach wo find' ich die Männer von Akragas, von Syrakusä,
Von Selinunt, die stolzen Söhne der stolzeren Väter?
Die mit Reichthum und Macht die hohe Karthago bedrohten,
Und die höhere Rom? Wo find' ich die Reihen der Jung¬
fraun,
Die die heiligen Züge mir führten in bräutlichem Glanze,
Daſs die Olympier selbst mit Neid und Schelsucht herabsahn?
Schaaren von Glücklichen drängten sich einst aus marmornen
Thoren,
Durch die schattigen Haine der Götter, zu Traubengebirgen,
Durch die reichen Gefilde, die ich mit Garben bedeckte.
Eherne Krieger zogen zum Streit, dem Stolze des Fremdlings
Furcht und Verderben; es hallte von Felsen zu Felsen das
Schlachtwort
Für die Sache der Freyheit und für des Vaterlands Sache.
Leben und Freude athmeten hoch vom Aetna zum Eryx,
Vom Simäthus, dem Heerdenernährer, zum fetten Anapus.
Zeus Kronion, wenn ich mit Stolz die Gesegneten sah,
War ich die reichste Mutter und fühlte doppelt die Gottheit.
Ach wie bist Du gefallen, mein Liebling, wie bist Du ge¬
fallen,
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