Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.Tief in Jammer und Armuth, Zerstörung und furchtbares
Elend! Deine Städte, mein Stolz, sie liegen in Trümmern am Meere, Ihre Tempel verwüstet und ihre Odeen zerstöret, Ihre Mauern verschüttet und ihre Wege verschwunden. Im Gefühl des unendlichen Werths des Menschengeschlechtes Schritten erhabene Söhne der götterbefreundeten Hellas Mächtig durch die Gebirge, und schufen den Felsen zum Tanzsaal Gegenüber des Aetna ewigem Feuerhaupte. Jetzt durchwandelt die Thale der Jammer des bettelnden Volkes, Einsam, scheu, mit Hunger im bleichen gesunkenen Antlitz, Nur mit schmutzigen Lumpen die zitternde Blösse behangen. Hymnen ertöneten einst den Göttern in glücklichen Chören Durch die Städte der Insel; melodisch pflügte der Landmann, Schnitt der Winzer und zog die Netze der freundliche Fi¬ scher. Finster lauscht jetzt Misstraun tief in den Furchen der Stirne; Stumm und einsam schleicht es daher, und tönet die Seele Unwillkührlich einen Gesang, so klingt er wie Todesangst. Gastlich empfingen den Fremdling einst Siciliens Küsten, Und er wandelte froh, wie in den Fluren der Heimath. Wildniss starret nunmehr dem kühnen Pilger entgegen, Und mit der Miene der Mordlust ziehen die Räuber am Ufer. Wie einst vor den unwirthlichen Zeiten der alten Cyklopen Trägt das Land den Anblick der wildesten Höhlenbewoh¬ ner; Tief in Jammer und Armuth, Zerstörung und furchtbares
Elend! Deine Städte, mein Stolz, sie liegen in Trümmern am Meere, Ihre Tempel verwüstet und ihre Odeen zerstöret, Ihre Mauern verschüttet und ihre Wege verschwunden. Im Gefühl des unendlichen Werths des Menschengeschlechtes Schritten erhabene Söhne der götterbefreundeten Hellas Mächtig durch die Gebirge, und schufen den Felsen zum Tanzsaal Gegenüber des Aetna ewigem Feuerhaupte. Jetzt durchwandelt die Thale der Jammer des bettelnden Volkes, Einsam, scheu, mit Hunger im bleichen gesunkenen Antlitz, Nur mit schmutzigen Lumpen die zitternde Blöſse behangen. Hymnen ertöneten einst den Göttern in glücklichen Chören Durch die Städte der Insel; melodisch pflügte der Landmann, Schnitt der Winzer und zog die Netze der freundliche Fi¬ scher. Finster lauscht jetzt Miſstraun tief in den Furchen der Stirne; Stumm und einsam schleicht es daher, und tönet die Seele Unwillkührlich einen Gesang, so klingt er wie Todesangst. Gastlich empfingen den Fremdling einst Siciliens Küsten, Und er wandelte froh, wie in den Fluren der Heimath. Wildniſs starret nunmehr dem kühnen Pilger entgegen, Und mit der Miene der Mordlust ziehen die Räuber am Ufer. Wie einst vor den unwirthlichen Zeiten der alten Cyklopen Trägt das Land den Anblick der wildesten Höhlenbewoh¬ ner; <TEI> <text> <body> <div> <lg type="poem"> <pb facs="#f0340" n="314"/> <lg n="3"> <l>Tief in Jammer und Armuth, Zerstörung und furchtbares</l><lb/> <l>Elend!</l><lb/> <l>Deine Städte, mein Stolz, sie liegen in Trümmern am Meere,</l><lb/> <l>Ihre Tempel verwüstet und ihre Odeen zerstöret,</l><lb/> <l>Ihre Mauern verschüttet und ihre Wege verschwunden.</l><lb/> <l>Im Gefühl des unendlichen Werths des Menschengeschlechtes</l><lb/> <l>Schritten erhabene Söhne der götterbefreundeten Hellas</l><lb/> <l>Mächtig durch die Gebirge, und schufen den Felsen zum</l><lb/> <l>Tanzsaal</l><lb/> <l>Gegenüber des Aetna ewigem Feuerhaupte.</l><lb/> <l>Jetzt durchwandelt die Thale der Jammer des bettelnden</l><lb/> <l>Volkes,</l><lb/> <l>Einsam, scheu, mit Hunger im bleichen gesunkenen Antlitz,</l><lb/> <l>Nur mit schmutzigen Lumpen die zitternde Blöſse behangen.</l><lb/> <l>Hymnen ertöneten einst den Göttern in glücklichen Chören</l><lb/> <l>Durch die Städte der Insel; melodisch pflügte der Landmann,</l><lb/> <l>Schnitt der Winzer und zog die Netze der freundliche Fi¬</l><lb/> <l>scher.</l><lb/> <l>Finster lauscht jetzt Miſstraun tief in den Furchen der</l><lb/> <l>Stirne;</l><lb/> <l>Stumm und einsam schleicht es daher, und tönet die Seele</l><lb/> <l>Unwillkührlich einen Gesang, so klingt er wie Todesangst.</l><lb/> <l>Gastlich empfingen den Fremdling einst Siciliens Küsten,</l><lb/> <l>Und er wandelte froh, wie in den Fluren der Heimath.</l><lb/> <l>Wildniſs starret nunmehr dem kühnen Pilger entgegen,</l><lb/> <l>Und mit der Miene der Mordlust ziehen die Räuber am Ufer.</l><lb/> <l>Wie einst vor den unwirthlichen Zeiten der alten Cyklopen</l><lb/> <l>Trägt das Land den Anblick der wildesten Höhlenbewoh¬</l><lb/> <l>ner;</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [314/0340]
Tief in Jammer und Armuth, Zerstörung und furchtbares
Elend!
Deine Städte, mein Stolz, sie liegen in Trümmern am Meere,
Ihre Tempel verwüstet und ihre Odeen zerstöret,
Ihre Mauern verschüttet und ihre Wege verschwunden.
Im Gefühl des unendlichen Werths des Menschengeschlechtes
Schritten erhabene Söhne der götterbefreundeten Hellas
Mächtig durch die Gebirge, und schufen den Felsen zum
Tanzsaal
Gegenüber des Aetna ewigem Feuerhaupte.
Jetzt durchwandelt die Thale der Jammer des bettelnden
Volkes,
Einsam, scheu, mit Hunger im bleichen gesunkenen Antlitz,
Nur mit schmutzigen Lumpen die zitternde Blöſse behangen.
Hymnen ertöneten einst den Göttern in glücklichen Chören
Durch die Städte der Insel; melodisch pflügte der Landmann,
Schnitt der Winzer und zog die Netze der freundliche Fi¬
scher.
Finster lauscht jetzt Miſstraun tief in den Furchen der
Stirne;
Stumm und einsam schleicht es daher, und tönet die Seele
Unwillkührlich einen Gesang, so klingt er wie Todesangst.
Gastlich empfingen den Fremdling einst Siciliens Küsten,
Und er wandelte froh, wie in den Fluren der Heimath.
Wildniſs starret nunmehr dem kühnen Pilger entgegen,
Und mit der Miene der Mordlust ziehen die Räuber am Ufer.
Wie einst vor den unwirthlichen Zeiten der alten Cyklopen
Trägt das Land den Anblick der wildesten Höhlenbewoh¬
ner;
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |